Demokratische Rechte

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Zweierlei Maß bei politischer Betätigung im Betrieb

Auf Betriebs- und Gewerkschaftsversammlungen wird der Protest gegen die Rechtsentwicklung der Regierung zunehmend Thema. Die Kritik an den geplanten Polizeigesetzen, aber auch an der rassistischen Hetze von AfD und faschistoiden Betriebsratslisten wie "Zentrum Automobil" bei Daimler wächst.

Von gp
Zweierlei Maß bei politischer Betätigung im Betrieb
Angst vor den Arbeiterinnen und Arbeitern, ihren Kämpfen, wie hier in diesem Jahr bei Daimler in Sindelfingen, und dem wachsenden Einfluss der MLPD haben die Monopole (rf-foto)

Dagegen schließen sich Kolleginnen und Kollegen unterschiedlichster politischer Richtung und Weltanschauung zusammen, auch wenn sie in anderen Fragen teilweise noch uneins sind.

Konzernvorstände reagieren

Auf diese Entwicklung reagieren verschiedene Konzernvorstände und ihre Personalabteilungen mit zunehmender Repression. Angriffe auf politische Rechte und Freiheiten in den Betrieben häufen sich. So erhielten jetzt sechs Kolleginnen und Kollegen von Opel in Bochum Abmahnungen, weil sie sich mit dem von faschistischen Angriffen betroffenen Eisenacher Opelaner Rainer Weinmann solidarisch erklärten (siehe Bericht).

 

Auf der Belegschaftsversammlung eines Konzernbetriebs im Ruhrgebiet griff ein Kollege die Politik der AfD an. Daraufhin wurde er von der Personalabteilung vorgeladen und mit dem Vorwurf konfrontiert, sich parteipolitisch betätigt zu haben. IG-Metaller aus Süddeutschland berichten von einem vergleichbaren Vorgang.

Kämpferische Belegschaften lassen sich nicht den Mund verbieten - hier bei Opel in Rüsselsheim zu Beginn diesen Jahres (rf-foto)
Kämpferische Belegschaften lassen sich nicht den Mund verbieten - hier bei Opel in Rüsselsheim zu Beginn diesen Jahres (rf-foto)

In Kürze

  • Versuche der Einschränkung der politischen Betätigung im Betrieb häufen sich
  • Werbung für Monopolpolitik ist dagegen uneingeschränkt erlaubt und erwünscht
  • MLPD fordert Recht auf freie gewerkschaftliche und politische Betätigung im Betrieb

Nächste Woche findet in Dortmund der Prozess einer Betriebsrätin gegen eine Ermahnung von Thyssenkrupp Stahl (TKSE) statt, weil sie einen Flyer zu ihrer Betriebsratsarbeit im Betrieb verteilt hat – das sei nach der Arbeitsordnung von TKSE nur mit Genehmigung des Betriebes oder des Betriebsrates erlaubt.

 

Es kann nicht hingenommen werden, dass in Betrieben Grundrechte wie das auf freie Meinungsäußerung zunehmend eingeschränkt werden, zumal dieses auch nicht willkürlich durch eine Arbeitsordnung oder eine Personalabteilung außer Kraft gesetzt werden kann. Eine Ermahnung gegenüber der Kollegin wegen der Unterstützung einer Unterschriftensammlung hat der TKSE-Vorstand vor Gericht bereits zurückgenommen, um ein Urteil gegen sich zu vermeiden.

VW-Vorstand misst mit zweierlei Maß

Im Bundestagswahlkampf 2017 erhielt der IG-Metall-Vertrauensmann Andreas Gärtner von VW in Kassel gleich drei Abmahnungen. Bei VW dürften keine Flugblätter unter Kolleginnen und Kollegen weitergegeben werden, wenn das nicht zuvor von der Werksleitung genehmigt sei oder sie von der Gewerkschaft stammen. Ein Arbeiter dürfe seine Kritik an der VW-Krise nicht im Betrieb verbreiten, schon gar nicht, wenn ein Zusammenhang zur MLPD vermutet wird, und außerdem dürfe man so etwas unter keinen Umständen in der Arbeitszeit machen.

 

Das stieß auf großen Protest in der Belegschaft und darüber hinaus. Das Arbeitsgericht in Kassel hat am 20. April in seinem Urteil all diese Begründungen eindeutig abgelehnt und geklärt, dass die Abmahnungen dazu "rechtswidrig" waren. Damit will sich VW aber nicht abfinden und ist deshalb in Berufung gegangen. Der Prozess findet Anfang nächsten Jahres statt.

 

Kein Problem mit politischer oder parteipolitischer Betätigung hat der VW-Vorstand in Fällen wie diesen: So durfte der CSU-Politiker Manfred Weber auf Einladung des Gesamt-Betriebsratsvorsitzenden, Bernd Osterloh, auf der Belegschaftsversammlung in Wolfsburg am 28. November Werbung für den Dieselmotor als „Klimaschützer“ machen und davor warnen, „alles auf dem Ideologiealtar des Klimaschutzes zu opfern“.

 

Weber ist Mitglied des CSU-Vorstandes und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei bei den Europa-Wahlen nächstes Jahr. Ein klarer Fall von politischer bzw. parteipolitischer Stellungnahme - allerdings im Sinne der EU-Bürokratie, der Bundesregierung und der CSU-Spitze, die sich alle vehement für die Interessen der Automobilindustrie starkmachen.

Werbung für Monopolpolitik erwünscht

Der Daimler-Konzern lässt im Unterschied zu kämpferischen bzw. klassenkämpferischen Kolleginnen und Kollegen den Vertretern der faschistoiden Betriebsratsliste "Zentrum Automobil" für ihre Werbung - unter anderem zu den Betriebsratswahlen oder Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung - allen erdenklichen Spielraum.

 

Offene Propaganda für ihre Monopolpolitik zu machen, die Belegschaften vor den Karren ihres Konkurrenzkampfes zu spannen, die Umwelt- und Arbeiterbewegung zu spalten sowie nationalistisches und chauvinistisches Gedankengut zu verbreiten, für die Rechtsentwicklung der Regierung zu werben – diese Art von Politik fällt nicht unter der "Verbot politischer Betätigung".

Politische Betätigung im Betrieb nicht verboten

Das geltende reaktionäre Betriebsverfassungsgesetz verbietet politische Betätigung im Betrieb allerdings keineswegs grundsätzlich. Eingeschränkt wird diese für den Fall der "Störung des Betriebsfriedens" bzw. "Störung des Arbeitsablaufs". Eine Formulierung, die Spielraum für allerlei willkürliche Auslegung gibt, sei es gegen das Tragen fortschrittlicher Plaketten, Unterschriftensammlungen oder das Verteilen von Flugblättern.

 

Die Monopole bereiten sich angesichts der krisenhaften Entwicklung des gesamten kapitalistischen Systems auf eine Verschärfung der Klassenauseinandersetzungen vor. Die aktuellen politischen Repressionen haben das Ziel, die Kolleginnen und Kollegen einzuschüchtern, und sind eng verbunden mit der Rechtsentwicklung der Regierungen und bürgerlichen Parteien. Sie verfolgen auch das Ziel, entsprechende Gesetze und Urteile in ihrem Sinne zu verschärfen.

Breite Solidarität schlägt Angriffe zurück

Bislang ist es in den meisten Fällen gelungen, durch eine breite Solidaritäts- und Öffentlichkeitsarbeit die Angriffe auf die politischen Rechte und Freiheiten abzuwehren.

 

Dank einer wachsenden Solidaritätsbewegung wies das Landesarbeitsgericht Hamm eine Abmahnung wegen angeblichen Arbeitszeitbetrugs und einen schriftlichen Eintrag in die Personalakte wegen angeblichen Verstoßes gegen das "Verbot parteipolitischer Betätigung" gegen Opel-Betriebsrat Steffen Reichelt zurück (mehr dazu).

 

Insgesamt drei Kündigungen hat Opelaner Christian Kowoll erfolgreich vor Gericht zurückgeschlagen. Er weigerte sich nach der Schließung von Werk I in Bochum standhaft, sich in eine Transfergesellschaft abschieben zu lassen. Das war auch ein Sieg der Solidarität, die er in der ganzen Zeit  von vielen Kolleginnen und Kollegen erfahren hat (mehr dazu).

 

„Einstellung des Verfahrens mit Bezahlung der Gebühren und Anwaltskosten“ - so endete am 5. Dezember der Prozess gegen die Bestrafung von Wolfgang Baur als Anmelder eines Einsatzes der Internationalistischen Liste/MLPD im Bundestagswahlkampf 2017 vor dem Landgericht Stuttgart (mehr dazu).

Für freie gewerkschaftliche und politische Betätigung im Betrieb

Der Kampf zur Verteidigung und Erweiterung bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten auch und gerade im Betrieb ist ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung. Er trägt dazu bei, dass sich die Arbeiter in diesem Kampf insgesamt an die Spitze stellen. Dazu gehört das Eintreten für freie gewerkschaftliche und politische Betätigung im Betrieb.

 

Das muss eng mit der Stärkung der Betriebsgruppen der MLPD verbunden werden, die in der Mitte der Belegschaften diesen Kampf führend organisieren. Sie treten dabei zugleich für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ein, in der die Diktatur des Proletariats für die Arbeiter und breiten Massen breiteste Demokratie verwirklicht und alle Versuche, zur heute noch bestehenden Ausbeuterherrschaft zurückzukehren, konsequent unterdrückt.