Sondergipfel

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Brexit-Abkommen löst kein Problem der Massen in Europa

Ein Sondergipfel der EU-Regierungschefs hat am gestrigen 25. November ein Abkommen für den Austritt Großbritanniens beschlossen - zusammen mit einer politischen Erklärung über die zukünftigen Beziehungen.

Von Landesleitung Thüringen der MLPD
Brexit-Abkommen löst kein Problem der Massen in Europa
(foto: PeterBe / CC0 Public Domain)

Mit dem Abkommen werden die Rahmenbedingungen für den geplanten EU-Austritt Großbritanniens am 29. März 2019 abgesteckt. Es sieht eine Übergangsphase bis Ende 2020 vor, die nochmals um zwei Jahre verlängert werden kann, in der Großbritannien im EU-Binnenmarkt und der europäischen Zollunion verbleibt.

(grafik: CPGB-ML)
(grafik: CPGB-ML)

In Kürze:

  • Keine Brexit-Variante wird etwas an der Situation der Massen in Großbritannien oder der EU ändern
  • Brexit Folge des verschärften Konkurrenzkampfs innerhalb der EU
  • Wirksamer Kampf gegen die reaktionäre EU-Politik erfordert Zusammenschluss fortschrittlicher und revolutionärer Kräfte

In wichtigen politischen Punkten hat sich die EU dabei durchgesetzt: Eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland wurde vereinbart; Gibraltar ist aus dem Abkommen ausgeklammert - darüber sollen Großbritannien und Spanien direkt verhandeln.

Zustimmung im Parlament steht in Frage

Über das Abkommen soll am 12. Dezember 2018 im britischen Parlament abgestimmt werden. Eine Zustimmung zum Abkommen wird für die Premierministerin Theresa May schwierig zu erreichen sein, denn sie führt eine Minderheitsregierung an. Das Parlament ist über den sogenannten Brexit tief gespalten - worin sich vor allem die widersprüchlichen Interessen der herrschenden Kreis Großbritanniens ausdrücken.

 

Teile des Finanzkapitals, der kleineren Monopole und nichtmonopolisierten Bourgeoisie erhoffen sich vom Brexit Vorteile in Konkurrenzkampf - unter anderem durch größere Anteile an staatlichen Subventionen. Führende internationale Übermonopole fürchten dagegen Nachteile für die enge wirtschaftliche und politische Durchdringung der imperialistischen Länder Europas. 

Abkommen sichert Interessen der Übermonopole

Das Abkommen mit der EU sichert vor allem die Interessen der Übermonopole in der EU und in Großbritannien. Sie erwirtschaften ihre Profite in internationalen Produktionsverbünden, die sich auf beiden Seiten des Ärmelkanals befinden. Verzögerungen durch Zollprüfungen würden die Just-in-Time-Produktion sowie die Komponentenfertigung in unterschiedlichen Ländern behindern und zusammen mit der Einschränkung des Binnenmarktes die Erzielung von Maximalprofiten einschränken.

 

Deshalb versuchten sie unter anderem, den Brexit - durch Vorstöße für ein erneutes Referendum - möglichst noch zu verhindern. Ein harter Brexit ohne Abkommen und Übergangslösung wäre erst recht nicht in ihrem Interesse. Jaguar Land Rover, im Besitz des indischen Tata-Konzerns, droht im Falle eines harten Brexit Großbritannien zu verlassen. "Ein schlechter Brexit-Deal würde Jaguar Land Rover jedes Jahr mehr als 1,2 Milliarden Pfund Gewinn kosten", sagt Konzernchef Ralf Speth.

 

Zunehmende Handelskriege, Protektionismus, sinkendes Wirtschaftswachstum bis hin zu Krisen in einzelnen Ländern sind ein Risiko für sie. Eine erneute Weltwirtschafts- und Finanzkrise wird angesichts der drastisch gestiegenen Staatsverschuldung und der wachsenden Widersprüchen zwischen alten und neuen Imperialisten kaum mehr mit einem gemeinsamen Krisenmanagement abzudämpfen sein.

Weitere Zerreißproben in der EU

Zwischenimperialistische Widersprüche gibt es in Europa nicht nur zu Großbritannien, sie werden auch nach dem Brexit zu weiteren Zerreißproben in der EU führen, wie die derzeitige Auseinandersetzung um Italiens Haushalt zeigt.

 

Die EU ist vor allem ein Zusammenschluss imperialistischer Länder auf Kosten der Arbeiter und breiten Massen. Das ist die eine Seite. Deshalb ist Rebellion gegen dieses reaktionäre Staatenbündnis vollauf berechtigt. Auch linke Kräfte und Gewerkschafter haben deshalb beim Referendum am 23. Juni 2016 für die Zustimmung zum EU-Austritt geworben.

 

Die Absicht, Großbritannien wieder „groß und stark zu machen“, was reaktionäre EU-Kritiker zu ihrem Ziel erklären, wird jedoch genauso wie das Abkommen der EU auf dem Rücken der Arbeiter und breiten Massen ausgetragen werden.

Illusionen in die EU

Die andere Seite ist, dass in der britischen Bevölkerung viele für den Verbleib in der EU gestimmt hatten, weil sie in der EU einen Zusammenschluss sehen, der für die Völkerverständigung und den Frieden zwischen den europäischen Nationen steht. Eine halbe Million Menschen gingen im Oktober in London gegen den Brexit auf der Straße - allerdings oft verbunden mit Illusionen in die EU.

 

Die EU steht für eine zunehmend reaktionäre Flüchtlingspolitik, für den massiven Abbau sozialer Rechte und Zugeständnisse, für militärische Aufrüstung und Beteiligung an imperialistischen Kriegen sowie einen reaktionären Rollback auch in der Umweltpolitik.

Weder Verbleib noch Austritt lösen Probleme des Kapitalismus

Dazu schreibt die Communist Party of Great Britain (Marxist-Leninist) [CPGB-ML]: „Die Spaltungen innerhalb und zwischen den Parteien sind ein Spiegelbild der Spaltungen innerhalb der Bourgeoisie selbst: Die mächtigere imperialistische Sektion in der EU, die die besten Möglichkeiten für ihr weiteres Wachstum bietet, während die zahlreichere national abhängige Sektion, die darum kämpft, im imperialistischen Wettbewerb überlebensfähig zu bleiben, eher zum Brexit tendiert.


Weder diejenigen, die für den Verbleib des Landes in der EU sind, noch die, die den Brexit unterstützen, haben der Arbeiterklasse etwas zu bieten, deren Interesse an Brexit vor allem in der Schwächung der ausbeuterischen Macht ihres Klassenfeindes und ihrer Fähigkeit, militärische Aggressionen durchzuführen, liegt."

 

„Brexit“ oder „No Brexit“, EU-Abkommen, „harter Brexit“ oder neues Referendum, keine dieser Varianten wird die Situation der Arbeiter und breiten Massen auf der Insel verbessern. Wachsende Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit, Zerschlagung der Sozialsysteme und sinkendes Lohnniveau, Umweltzerstörung und Kriegsgefahr sind weder durch den Austritt noch durch den Verbleib in der EU zu lösen.

Revolutionäre Kräfte müssen stärker werden

Großbritannien bleibt weiterhin ein imperialistisches Land, in dem die Arbeiter und breiten Massen um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus kämpfen müssen. Der Zusammenschluss der Arbeiter- und Volksbewegung verschiedener Länder muss von unten organisiert werden.

 

Das Internationalistische Bündnis und die MLPD stehen in Deutschland für diesen Zusammenschluss. Die MLPD als Mitgliedsorganisation in der Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) arbeitet mit revolutionären Kräften in Europa zusammen und wird als Teil des Internationalistischen Bündnisses auch die Teilnahme an den Europawahlen im Mai 2019 für deren Stärkung nützen.