Kriegsgefahr
Gefährliche Eskalation zwischen Russland und der Ukraine
Am Sonntagabend brachte die russische Marine drei ukrainische Marineschiffe auf und verhaftete die Besatzungen. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig der militärischen Provokation.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow behauptet, ukrainische Schiffe seien in russische Hoheitsgewässer eingedrungen. Die ukrainische Regierung beschuldigt die russische Marine, ihre Schiffe an der Durchfahrt durch die Straße von Kertsch zu hindern. Daraufhin ordnete Präsident Petro Poroschenko die Mobilmachung der Armee an. Ab Mittwoch, 28. November, soll für 30 Tage Kriegsrecht gelten.
In Kürze
- Die sich widersprechenden Versionen über die Eskalation in der Straße von Kertsch sind Teil der psychologischen Kriegsführung
- Aktuelle Zuspitzung Ergebnis verschärfter imperialistischer Widersprüche
- Der Kampf für Frieden erfordert die Stärkung der revolutionären und antiimperalistischen Kräfte
Das hat zu einer gefährlichen Eskalation geführt und weltweit die Sorge um einen kriegerischen Konflikt mit der Gefahr eines unmittelbaren Aufeinandertreffens der rivalisierenden imperialistischen Blöcke verstärkt.
Konflikt um Wasserstraße schwelt schon länger
Der Streit um die Wasserstraße von Kertsch, die Durchfahrt vom Asowschen Meer zum Schwarzen Meer, schwelt schon länger. Russland hat die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim 2014 annektiert und seine militärische Präsenz dort ausgebaut. Die neu gebaute Krim-Brücke verbindet seit Mai das russische Festland mit der Halbinsel Krim und soll die Annektion zementieren.
Für die Ukraine ist die Durchfahrt von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da im Asowschen Meer ukrainische Häfen wie Mariupol liegen, die für den Handel mit der Türkei, Georgien oder den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien eine Rolle spielen.
Manipulative Positionierung
Die deutsche Regierung übernimmt genauso wie die meisten bürgerlichen Medien in Deutschland die ukrainische Darstellung der Ereignisse. Außenminister Heiko Maas drohte, es sei "nicht akzeptabel, dass es dort eine Blockade durch Russland gibt". Eine Sprecherin der NATO forderte Russland auf, ukrainischen Schiffen ungehinderten Zugang zu den Häfen am Asowschen Meer zu gewähren.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Ukraine sofort die „volle Unterstützung“ des imperialistischen Militärbündnisses zu und goss damit noch Öl ins Feuer. Im UN-Sicherheitsrat warf die US-Regierung Russland "gefährliche Eskalation und eine Verletzung internationalen Rechts" vor, was Konsequenzen haben müsse. Sie stellen sich damit auf die Seite des aggressiven Kriegstreibers Poroschenko und seiner psychologischen Kriegsführung.
Eskalation fällt nicht vom Himmel
Die erneute Eskalation an der Krim fällt nicht vom Himmel. Darauf geht die Broschüre "Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder" von Stefan Engel ein: "Die Schwäche Russlands nutzend, drangen NATO und EU mit ihrer Osterweiterung nach dem Fall der Berliner Mauer aggressiv auf Gebiet vor, das früher unter dem Einfluss der sozialimperialistischen Sowjetunion stand. Als Reaktion darauf und im Kampf um die Vorherrschaft über die Ukraine annektierte das wiedererstarkte Russland 2014 völkerrechtswidrig die Krim. Über die Stärkung der Achse Iran/Syrien versucht es, seinen imperialistischen Einfluss auf den Nahen und Mittleren Osten zu wahren." (S. 42/43)
Im Gegenzug verschärfte vor allem die US-Regierung unter Donald Trump die wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Russland. Von der einzig verbliebenen Supermacht USA geht nach wie vor die hauptsächliche Kriegsgefahr auf der Welt aus. Sowohl die Nato wie auch Russland setzen auf riesige und gefährliche Militärmanöver an den Grenzen ihrer Einflussgebiete.
Deeskalation gescheitert
Auch die imperialistischen EU-Staaten Frankreich und Deutschland verurteilten gemeinsam mit sechs weiteren europäischen Staaten Russland, riefen jedoch zur Zurückhaltung und Deeskalation auf. Für die BRD ist die wirtschaftliche Durchdringung nach wie vor die Hauptmethode der Einflussnahme auf das rohstoff- und arbeitskäftereiche Land. Rund 2000 Konzerne mit deutscher Kapitalbeteiligung sind in der Ukraine aktiv.¹
Für die Politik der Deeskalation im Konflikt um die Ukraine steht auch der Vertrag von Minsk, der 2015 unter Federführung des französischen, deutschen und russischen Imperialismus unterzeichnet wurde. Er sieht unter anderem die Einstellung der Kampfhandlungen zwischen den mit Russland verbündeten Kräften in der Ostukraine und der ukrainischen Armee vor, was auch bisher schon von beiden Seiten unterlaufen wurde. Jetzt steht der Vertrag vor dem offenen Scheitern.
Innenpolitische Hintergründe
Neben den zwischenimperialistischen hat die Eskalation auch innenpolitische Hintergründe sowohl in Russland als auch in der Ukraine. Putin erhofft sich Ablenkung von den Auseinandersetzungen über Renten, Bildung und das Gesundheitssystem. Seit Monaten rumort es im Land deswegen und Putins Beliebtheit ist so stark gesunken wie bisher nie.
Poroschenkos Aussichten für die im März vorgesehenen Präsidentschaftswahlen stehen äußerst schlecht. Nach Umfragen liegt die Zustimmung der Bevölkerung zu ihm und seiner Politik unter 10 Prozent. Ausgestattet mit diktatorischen Vollmachten aufgrund des verhängten Kriegsrechts könnte der faschistoide Präsident die Wahlen aussetzen und zu verstärkter Unterdrückung greifen.
Massenproteste auch gegen ukrainische Regierung
Rote Fahne News berichtete von Massendemonstrationen der Rentner und Kriegsveteranen und von Bergarbeiterstreiks, wie der Kumpel von Lisitschansk für ausstehende Löhne.² Unter dem Diktat des IWF sollen weitere bedeutende Preiserhöhungen für die kommunalen Dienste (Mieten, Elektrizität, Wasser, Heizung) und für den öffentlichen Transport durchgesetzt werden. Inzwischen ist das Bruttosozialprodukt in der Ukraine pro Kopf mit 2.900 Dollar auf den letzten Platz in Europa zurückgefallen, ein Viertel der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze.³
Der Kampf für den Erhalt des Friedens muss gegen alle beteiligten imperialistischen Mächte geführt werden. Das erfordert die internationale Koordinierung der Kämpfe, der antiimperialistischen Kräfte und des revolutionären Parteiaufbaus.
Daran arbeiten die Mitgliedsorganisationen der Internationalen Koordinierung revolutionärer Organisationen und Parteien (ICOR), zu denen auch die MLPD gehört. In der Ukraine ist das der Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung und in Russland die Marxistisch-Leninistische Plattform sowie die Russische Maoistische Partei.