Russland / Ukraine
Über das Kriegsrecht in der Ukraine
"Rote Fahne News" hat gestern ein "Thema des Tages" zur aktuellen militärischen Eskalation zwischen der Ukraine und Russland veröffentlicht, in dem auf die beiderseitigen Provokationen eingegangen wird.
Hier der Artikel "Gefährliche Eskalation zwischen Russland und der Ukraine". Rote Fahne News erhielt dazu eine Analyse der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (RKRP). Sie ist interessant, beschränkt sich allerdings einseitig auf die Frage der Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine und enthält sich jeder direkten Kritik an der russischen imperialistischen Politik. Hier Auszüge daraus (eigene Übersetzung):
Am 26. November unterzeichnete Petro Poroschenko den Erlass zur Einführung des Kriegsrechts in der Ukraine. Nur wenige Stunden später stimmte die „Werchownaja Rada“ (das ukrainische Parlament, das im Volksmund oft auch „Werchownaja Srada" genannt wird, was übersetzt soviel bedeutet, wie „Höchster Verrat"), wenn auch mit Vorbehalten, für die faktische Inkraftsetzung einer Militärdiktatur. Dabei erklärte Poroschenko selbst, dass das Kriegsrecht keine Kriegserklärung bedeutet, sondern nur eine rechtliche Bestimmung zur „Stärkung der Verteidigungsfähigkeit".
Militärischer Zusammenstoß als Anlass
Anlass für eine solch ungewöhnliche (und erstmalige in der Geschichte des ukrainischen Staates in seiner jetzigen Form) Entscheidung war der militärische Zusammenstoß nahe der Straße von Kertsch, welcher wiederum eine neue Etappe im ukrainisch-russischen Konflikt markiert.
Die Bedeutung dieses Anlasses ist sogar für Anhänger der Militarisierung zweifelhaft. Es ist mehr als offensichtlich, dass die Ereignisse bei Kertsch vom 25. November im Vergleich mit dem Krieg im Donbass, dem Verlust der Krim, und selbst sogar mit dem „Euromajdan" verblassen, der wesentlich blutiger verlief und es dem Oligarchen Poroschenko ermöglichte, den Sessel des Präsidenten einzunehmen.
Poroschenko, der unbeliebteste Präsident in der Geschichte der Ukraine
Fünf Jahre an der Regierung haben ausgereicht, um aus Poroschenko den, mit Verlaub, unbeliebtesten Präsidenten in der Geschichte der Ukraine zu machen. In dieser Hinsicht könnte mit ihm nur Juschenko „konkurrieren“, der dank der Proteste auf dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt an die Macht gelangte.
Der vorhergehende Majdan-Präsident hatte jedoch, gegen Ende der fünfjährigen Amtszeit, eine gewisse Anzahl von Anhängern (wenn auch keine große), was man über den heutigen nicht behaupten kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass Poroschenko die Wahlen im März verlieren wird, sogar trotz der Unterdrückung und Ermordung Andersdenkender, des Verbotes kommunistischer Propaganda und der Kontrolle über die Massenmedien.
Präsident als Militärdiktator
Das erste, was dabei in den Sinn kommt, wenn man die Gründe für einen solch aggressiven politischen Schritt zu analysieren versucht, ist das Bestreben Poroschenkos, die politische Macht auf welchem Wege auch immer zu bewahren. Das Kriegsrecht schafft die Wahlen nicht einfach ab, es verwandelt den Präsidenten in einen Militärdiktator.
So wird zum Beispiel ein Verbot von Kundgebungen und Streiks verhängt, besteht die Möglichkeit des Verbots jeder Partei, die für den Staat als schädlich eingeschätzt wird, und so erhält der Präsident das Recht zur Einrichtung von örtlichen Kriegsadministrationen. Die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt, eine „Sperrstunde" eingeführt, und persönliches wie privates Eigentum kann bei Bedarf der Streitkräfte beschlagnahmt werden.
Letztendlich besteht auch die Möglichkeit, die Redefreiheit zu begrenzen und die Vertraulichkeit persönlicher Daten zu verletzen. Außerdem ist es möglich, eine Mobilisierung durchzuführen und diejenigen zu Zwangsarbeit zu verpflichten, die nicht den Streitkräften angehören. Tatsächlich hat Poroschenko selbst angekündigt, dass er eine Überarbeitung der Wahlgesetzgebung anstrebt, wobei hier schwer zu sagen ist, ob für ihn eine Verschiebung der Wahlen günstiger ist, oder ihre Durchführung unter den Bedingungen, dass eine faktisch unbegrenzte Macht in seinen Händen liegt.
Jedoch bleibt zu erwähnen, dass neben innenpolitischen auch außenpolitische Gründe bestehen können, wofür die schnelle und konzentrierte Reaktion des westlichen Imperialismus ein deutlicher Hinweis ist. Dies sind zweifellos die Ereignisse rund um den Brexit, die politische Krise in Deutschland und die politische Situation in den USA. Die Verschärfung der Beziehungen zu Russland kann ein wichtiges Element in der Aufrechterhaltung der heutigen imperialistischen Regime sein.
Ukrainischer Staat heute kaum ein eigenständiges Subjekt
Es ist außerdem kein Geheimnis, dass man den ukrainischen Staat heute kaum als eigenständiges Subjekt bezeichnen kann. Wenn man darüber redet, dass das Kriegsrecht für Poroschenko günstig ist, dann bleibt darüber nachzudenken, ob das nur für ihn der Fall ist? Die Unabhängigkeit des heutigen ukrainischen Präsidenten ist mehr als zweifelhaft.
Was allerdings keine Zweifel hervorruft ist die Einschätzung, dass diese Ereignisse für die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht von Vorteil sind. Deshalb ist es für linke und Arbeiteraktivisten heute so wichtig wie nie, einer Einheitsfront gegen Militarismus und gegen die Unterstützung diktatorischer und xenophober Regime beizutreten. Umso mehr, da die ukrainischen Regierenden schon immer sehr empfindlich auf Kritik aus dem Ausland reagiert haben. In dieser schweren Situation kann die Solidarität der Werktätigen ein Lichtschein der Hoffnung im dunklen Reich der ukrainischen Politik werden.
Nieder mit dem Krieg!
Nieder mit dem Militarismus!
Es lebe die weltweite Solidarität der arbeitenden Menschen!