Europa
Herbstwetter in der EU - Frühling der Massenbewegungen
Die letzten Wochen sind in Europa durch einen fortschrittlichen Stimmungsumschwung in der imperialistischen EU geprägt. An der Spitze die "Gelbwesten"-Bewegung in Frankreich.
Anschwellende Massenproteste und starke gewerkschaftliche Proteste, verschiedene Regierungen im Krisenmodus, allgemeine Krisenhaftigkeit und verschärfte gesellschaftliche Polarisierung prägen das Bild.
In Belgien ist gerade die Regierung zerbrochen, weil der ultrareaktionäre Koalitionspartner noch krasser gegen Migration und Flüchtlinge vorgehen wollte und nun wegen des EU-Migrationspaktes die Regierung verlässt.
Herausragend sind derzeit die Proteste der "Gelbwesten"-Bewegung in Frankreich gegen die Regierung und speziell gegen Präsident Emmanuel Macron. Sie haben Massencharakter erreicht. Am Samstag, 8. Dezember, sind in ganz Frankreich weit über 100.000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße gegangen. Unübersehbar ist die Forderung der Massen, der Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellten, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Kleinbäuerinnen, Kleinbauern sowie Kleinhändlerinnen und Kleinhändlern nach einer entscheidenden Verbesserung ihrer sozialen Lebenslage.
Die Auseinandersetzungen um den Brexit Englands und dessen Abwicklung zeigen die offene Krise der Brexit-Verhandlungen. So sagte Premierministerin Theresa May die für gestern vorgesehene Parlamentsabstimmung kurzfristig ab und ist heute bei Angela Merkel, um für Nachverhandlungen zu werben.
Zehntausende haben europaweit am Wochenende gegen die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen demonstriert, davon zirka 2.000 bis 3.000 in Katowice/Polen anlässlich der dort tagenden UN-Umweltkonferenz (siehe Rote Fahne News). Mit dabei ein starker Block der ICOR - und auf der anderen Seite ein martialisches Polizeiaufgebot.
In Italien demonstrierten am Samstag, dem 8. Dezember, rund 70.000 Menschen in Turin gegen den Bau einer neuen Trasse für die Hochgeschwindigkeitszüge TAV durch das norditalienische Susatal. In Portugal leisteten Hafenarbeiter in Lissabon im November heftigen Widerstand gegen ihre rechtlose Lage als faktische Tagelöhner und streikten.
Eisenbahner-Streik in Deutschland
In Deutschland haben am Montagfrüh tausende Eisenbahner in ihrer Tarifrunde für höhere Löhne, Verbesserung der Arbeitsbedingungen usw. einen sehr wirksamen Warnstreik organisiert. Er hatte eine unerwartete Wucht und ließ bundesweit den Bahnverkehr kollabieren.
„Die MLPD unterstützt den Kampf der Eisenbahner aus grundsätzlichen Erwägungen", so Peter Weispfenning, Pressesprecher der MLPD. "Die Bahn ist sehr wichtig für einen sicheren, bequemen und umweltfreundlichen Verkehr für die Menschen. So ist ein umfassender öffentlicher Nahverkehr auf höchstem technischen Stand und zum Nulltarif für die Massen notwendig und möglich. Er verbessert ihre soziale Lage und schützt die natürliche Umwelt.“
Er weist darauf hin: „Der Warnstreik zeigte auch auf, dass wir in Deutschland nur ein kastriertes Streikrecht haben. Den GdL-Kolleginnen und -Kollegen (Gewerkschaft der Lokomotivführer, Anm. d. Red.) wurde unter Verweis auf eine 'Friedenspflicht' die Teilnahme untersagt. Die MLPD ist für den gemeinsamen Kampf im Sinne der Einheitsgewerkschaft und fordert ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht.“
In Kürze
- Fortschrittlicher Stimmungsumschwung unter den Massen in der EU zeigt sich in Massenaktionen und Regierungskrisen
- Länderübergreifende Solidarität ist das Gebot der Stunde
- Gelbwesten-Bewegung: Wie man erfolgreich gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen kämpfen kann
Alleine am heutigen 11. Dezember demonstrierten in französischen Städten wieder Massen von Schülerinnen und Schülern. Am Montagabend, 10. Dezember, musste Marcon zusagen, dass die Massen künftig auf Überstunden weder Steuern noch Sozialabgaben zahlen müssen. Der Mindestlohn soll um 100 Euro erhöht werden. Zudem kündigte Macron eine Entlastung für Rentnerinnen und Rentner an, die über weniger als 2.000 Euro monatlich verfügen. Für sie soll 2019 die Erhöhung der Sozialabgaben ausgesetzt werden.
Kämpfe brauchen Klarheit und Organisiertheit
Es wird deutlich, wie empfindlich die Herrschenden auf solche Kämpfe reagieren. Aber es zeigt auch, dass und wie die soziale Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Werktätigen und der Massen grundlegend verbessert werden kann – nämlich durch aktiven Widerstand und den Kampf der Werktätigen. Nur auf diesem Weg kann es eine Höherentwicklung dieser Kämpfe hin zu einem Kampf kommen, der auf Kosten der Profite und gegen das weltweit allein herrschende Finanzkapital und dessen Dienstleister in den Regierungen geht.
Denn noch gibt Macron nicht auf, weigert sich zum Beispiel, die von ihm abgeschaffte Vermögenssteuer wieder einzuführen, und versucht so, seinen Kurs 2019 irgendwie weiter zu verfolgen. Aber damit geben sich die Gelbwesten bisher nicht zufrieden.
Es gilt, eine Überzeugungsarbeit zu verwirklichen gegen den Einfluss reaktionärer und faschistischer Kräfte, die versuchen, sich in die Massenbewegungen einzuschleichen: Ultrareaktionäre und faschistoide AfD-Vertreter ziehen sich demagogisch gelbe Westen über. In Frankreich „solidarisiert“ sich der Rassemblement National (der ehemalige Front National) mit der Bewegung. In Belgien führte diese Entwicklung zu einer weiteren Polarisierung.
Die Proteste in Frankreich zeigen vor allem, dass eine Rechtsentwicklung nicht hingenommen werden muss. Sie kann gestoppt werden, und es können Erfolge erzielt werden. Die Massenbewegung der Gelbwesten ist Ausdruck des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs und kann in Frankreich eine revolutionäre Gärung einleiten. Sie ermutigt die Massen, die europaweite Bewegung gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen im Kampf für Arbeit, Frieden, eine lebenswerte Umwelt weiter zu stärken. Sie trägt dazu bei, die Diskussion über eine gesellschaftliche Alternative, den Sozialismus, zu vertiefen und sich ihr zuzuwenden. Es ist die entscheidende Lehre aus der Geschichte - nicht zuletzt in Frankreich, dass dieser Widerstand eine marxistisch-leninistische Partei neuen Typs als organisierende Kraft erforderlich macht.
ICOR Europa gegen den imperialistischen EU-Block
Joachim Griesbaum, einer der Europakoordinatoren der Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR), erklärte gegenüber der Roten Fahne: „In der ICOR Europa wurde die Initiative ergriffen, gemeinsam eine Offensive gegen den imperialistischen EU-Block anlässlich der Europawahlen zu organisieren. Es bedarf einer linken, sozialistischen Alternative und einer klaren Positionierung gegen reaktionäre und faschistische Kräfte. Deren EU-Kritik dient allein den rassistischen, chauvinistischen und nationalistischen Zielen. Es wird derzeit eine gemeinsame Erklärung der über 20 ICOR-Organisationen in Europa erarbeitet. Die Losung ist: Rebellion gegen die imperialistische EU ist gerechtfertigt – Hoch die Internationale Solidarität – Stärkt die ICOR und organisiert die länderübergreifende Solidarität!"
Das folgende Video zeigt die Montagsdemo Gelsenkirchen, die sich mit dem Protest der Gelbe-Westen-Bewegung in Frankreich solidarisiert! Am Mikrofon: Die aktive Montagsdemonstrantin Lisa Gärtner (MLPD).