EU / Großbritannien

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Geschachere um Brexit-Abkommen

Nachdem das totale Chaos im britischen Parlament mit dem knapp gescheiterten Misstrauensantrag gegen die britische Premierministerin Theresa May gerade noch einmal vermieden wurde, musste die angeschlagene Regierungschefin gestern als Bittstellerin bei der EU antreten.

Von ba

Vorigen Dienstag, am 11. Dezember 2018, hatte sie die geplante Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus verschieben müssen, weil eine Mehrheit vor allem den sogenannten Backstop ablehnt. Er sieht vor, dass Großbritannien so lange in der Zollunion bleibt, bis die Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen abgeschlossen sind. Im britischen Landesteil Nordirland würden außerdem in dieser Zeit noch einige Binnenmarktregeln der EU gelten, damit die Grenze zum EU-Mitglied Irland offen bleiben kann.

Begrenzter Backstopp gefordert

Um das Abkommen doch noch durch das britische Parlament zu bringen, hatte May von der EU nun "rechtliche und politische Zusicherungen" über eine begrenzte Geltungsdauer des „Backstop“ verlangt.

 

Am 29. März 2019 läuft die Frist ab, bis zu der Großbritannien und die EU das Austrittsabkommen annehmen müssen. Danach ist eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 geplant, in der in Großbritannien weiter EU-Recht gilt und das Land zum europäischen Binnenmarkt gehört. Wenn Briten und Europäer sich während der Übergangsperiode nicht auf ein neues „Partnerschaftsabkommen“ einigen können, soll dieser „Backstop“ in Kraft treten.

 

Ein britischer Austritt aus der Zollunion ohne vergleichbare Vereinbarungen zöge unweigerlich Kontrollen zwischen Irland und Nordirland, aber auch zwischen Großbritannien und Europa nach sich. Das wollen weder die europäischen noch die britischen international agierenden Monopole. Verzögerungen durch Zollprüfungen würden ihre Just-in-Time-Produktion sowie die Komponentenfertigung in den unterschiedlichen Ländern behindern und zusammen mit der Einschränkung des Binnenmarktes das Erzielen von Maximalprofiten einschränken.

 

Andere Teile des britischen Finanzkapitals, der kleineren Monopole und der nichtmonopolisierten Bourgeoisie, erhoffen sich dagegen von einem „harten Brexit“ Vorteile in Konkurrenzkampf durch die Möglichkeit bilateraler (zwischen zwei Staaten vereinbarten) Handelsabkommen. Solange aber der „Backstop“ gilt, kann Großbritannien keine Handelsabkommen mit Drittländern wie den USA oder China abschließen, weil es sich an den gemeinsamen Außenzoll der EU halten muss.

EU-Regierungschefs ließen May abblitzen

Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wollte der britischen Premierministerin Theresa May deshalb zwar Rückendeckung im Ringen um die Verabschiedung des „weichen“ Brexit-Vertrags geben. Zu dem Abkommen selbst könne es aber keine "Neuverhandlungen" geben, erklärten sie. Zwar solle die umstrittene Notlösung zur nordirischen Grenze möglichst "nur für einen kurzen Zeitraum" gelten. Notwendig bleibe aber eine unbefristete Backstop-Regelung.

 

Rechtlich verbindlich sind die durch den Gipfel gemachten Versicherungen nicht. Damit könnte es passieren, dass Mays Deal im britischen Parlament endgültig abgelehnt wird und es zu einem „ungeregelten Brexit“ kommt. Dann drohen chaotische Zustände in den Waren- und Finanzbeziehungen.

Faktoren für Ausbruch einer Wirtschaftskrise würden erheblich verstärkt

Bestenfalls läuft der Handel der EU mit Großbritannien dann gemäß den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Zölle und mengenmäßige Beschränkungen müssten eingeführt und deren Einhaltung an den Grenzen kontrolliert werden. Das würde den Handel massiv einschränken. Die britische Notenbank ließ verlauten, „ein solches Szenario könnte die heftigste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg auslösen“. Tatsächlich würden sich die Faktoren für den Ausbruch einer Wirtschaftskrise vor allem in Großbritannien, aber auch in Europa, erheblich verstärken, und möglicherweise die Weltwirtschaft insgesamt mit in den Strudel reißen.