Düsseldorf
NRW-Polizeigesetz von CDU, SPD und FDP gegen breiten Protest verabschiedet
Am Mittwoch, dem 12. Dezember 2018, beschloss der Landtag von Nordrhein-Westfalen das neue Polizeigesetz mehrheitlich mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU und FDP sowie der größten Oppositionspartei SPD und zwei Fraktionslosen. Die Grünen stimmte dagegen und wollen vor dem Verfassungsgericht dagegen klagen.
Kosmetische Abrüstung
CDU-Innenminister Herbert Reul verteidigte seinen „entschärften“ Gesetzesentwurf, den er inzwischen als „Sicherheitspaket 1“ anpreist, mit der Behauptung: „Die Polizei kann nicht warten, bis die Bombe hochgeht. Das gilt nicht nur für terroristische Gefährder, sondern auch für andere Verbrechen.“ Mit seiner martialischen Bombe will Reul erst mal Angst erzeugen, um im Kleingedruckten die Anwendung auch auf andere – nicht weiter ausgeführte - Verbrechen zu lenken. Damit bestätigt er, dass die gestrichenen Begriffe „Gefährder“ und „drohende Gefahr“ aus dem Gesetzentwurf lediglich eine kosmetische „Entschärfung“ des Textes ist.
In Kürze
- Das neue Polizeigesetz NRW ist im Kern reaktionär geblieben. Aber: Auf Druck der Massen mussten Zugeständnisse gemacht werden
- Liquidatoren gehen aggressiv bis gewalttätig gegen das Internationalistische Bündnis
- Weiterer Widerstand gegen das Gesetz ist angesagt
Denn: Was genau sind „andere Verbrechen?“ Darunter kann schon eine nicht angemeldete Spontandemonstration fallen, wenn der Polizeieinsatzleiter vor Ort das so entscheidet. Was ist ein „terroristischer Gefährder“? Zu diesem kann jeder ernannt werden, wenn eine Polizeibehörde vor Ort das entscheiden will. Bestes Beispiel: Die Ernennung von Stefan Engel, langjähriger Vorsitzender der MLPD, zum „Gefährder“ anlässlich seiner Schirmherrschaft für das Rebellische Musikfestival in Truckenthal. Terroristischer Hintergrund: 0,0! (siehe Rote Fahne News)
Anwalt und Richter erforderlich
Im Gegensatz zum Ursprungsentwurf soll jetzt im Falle des Unterbindungsgewahrsams dem Betroffenen ein anwaltlicher Beistand verpflichtend beigeordnet werden. Ein Gewahrsam setzt zudem immer eine richterliche Entscheidung voraus.
Den Autoren des Gesetzes ist kein Sinneswandel zu unterstellen. Aber diese Zugeständnisse sind ohne Zweifel eine Reaktion auf die umfassende Ablehnung in der Öffentlichkeit, breiten Protest und den wachsenden Einfluss revolutionärer Kräfte und der MLPD. Solche Zugeständnisse ändern allerdings nichts an der Tatsache des so genannten vorbeugenden Unterbindungsgewahrsam.
Die Grünen erklärten zu Recht, dass sie dem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden, da sich auch durch die Entschärfung nichts am substanziellen Charakter des Gesetzes geändert hat. Das gleiche gilt auch für die elektronische Fußfessel. Außerdem sei der Einsatz der „Staatstrojaner“ nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, da unberechtigt auf Daten zugegriffen werden kann, die nicht für die Strafverfolgung erforderlich sind.
Gesetz der Superlative?
Vollständig eingeknickt sind die ehemaligen Kritiker aus den Reihen der FDP. Namentlich Burkhard Hirsch und Gerhard Baum attestiertem dem Gesetz, das „freiheitsschonendste aller Ländergesetze zu sein“. Damit geben sie der massiven Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten noch ihren Stempel.
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty erging sich in Superlativen. So sei das neue Gesetz das „sozialdemokratischste“ Polizeigesetz. Es ist also „sozialdemokratisch“, wenn weiter nur auf Verdacht hin, ohne eine strafbare Handlung, Menschen bis zu 28 Tage in Sicherheitsgewahrsam genommen werden können. Die Gründerväter der SPD und Tausende sozialdemokratische Schutzhäftlinge im Faschismus drehen sich im Grab herum!
Mit den im Polizeigesetz vorgesehenen Maßnahmen wird die Trennung von Polizei und Geheimdienst weitgehend aufgelöst. Spitzeldateien über jeden, der sich antikapitalistisch oder gar marxistisch-leninistisch betätigt, werden angelegt. Der so genannte Unterbindungsgewahrsam dauert zuerst bis zu 14 Tage und kann dann nochmal um weitere 14 Tage verlängert werden. Die Polizei darf in Wohnungen einbrechen, Wanzen in Computer und Telefone legen, Gespräche ausspionieren etc.
Ursprünglich geplante Verabschiedung scheiterte am Massenprotest
Ursprünglich hatte die Landesregierung die Verabschiedung des Gesetzes bereits für Juli 2018 geplant. Das scheiterte am Massenprotest: am 7. Juli dieses Jahres gingen 20.000 Menschen in Düsseldorf auf die Straße. Organisiert worden war diese Demonstration vom NRW-Bündnis NoPA. Es umfasste ein breites Spektrum „von Religion bis Revolution“.
Vor der Verabschiedung am 12. Dezember demonstrierten am 8. Dezember erneut 3.000 bis 5.000 Menschen in Düsseldorf. Auch hier waren Fußballfans, Umweltschützerinnen und Umweltschützer, Gewerkschaften, antifaschistische Gruppen und verschiedene politische Parteien vertreten. Diese Demo wurde von Kräften um Attac, Grüne, Jusos und Linkspartei in NRW organisiert. Sie wollten zunächst keine neue Demonstration und hatten sich vom NRW-Bündnis gegen die Polizeigesetze abgespalten - nachdem mehrfache Anläufe, die MLPD bzw. auch das Internationalistische Bündnis auszuschließen, gescheitert waren. Es zeigte sich, dass die Spaltung des erfolgreich arbeitenden Bündnisses durch Liquidatoren und ihre antikommunistischen Attacken zu einer deutlichen Schwächung in der Mobilisierung führte: von 20.000 auf 3.000 bis 5.000 ging die Beteiligung zurück!
MLPD, Jugendverband REBELL und Internationalistisches Bündnis beteiligten sich selbstverständlich
Die Teilnahme von MLPD, Jugendverband REBELL und Internationalistischem Bündnis war für die Masse aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbstverständlich, erstrebenswert und wurde begrüßt.
Nicht so jedoch für einen führenden Kern der Veranstalter mit Vertretern der Führung der „Linken“, von Attac, sowie der Grünen sowie der Jusos. Sie schaffen das No-Go: auf einer Demo gegen Polizeigesetze mit Polizeimethoden gegen Revolutionärinnen, Revolutionäre, Kritikerinnen und Kritiker ihres Kurses vorzugehen: Eine Truppe mit Ordnerbinden baute sich in Absprache mit Gabriele Lenkenhoff (Landesfunktionärin der Partei „Die Linke“, NRW) mit dem Gehabe einer Polizeikette vor dem Block des Internationalistischen Bündnisses bzw. der MLPD, auf, um deren Teilnahme an der Demonstration zu verhindern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Internationalistischen Blocks ließen sich weder provozieren noch aufhalten und gingen konsequent weiter. Einige der zusammengestellten „Ordner“-Sondertruppe gaben daraufhin beschämt, andere resigniert, auf. Einige wenige, so ein „Timo“ und ein weiterer Ordner mit einer ver.di-Jacke (wer hatte ihn dazu legitimiert?) wurden dagegen handgreiflich - schubsten und rempelten Leute aus dem Bündnis. Sie weigerten sich aber, ihre Namen zu sagen.
Das geht gar nicht
Mit Durchsagen am offenen Mikrophon wurde das repressive Vorgehen öffentlich gemacht, so dass jeder wusste, um was es hier geht. Teilnehmer fanden deutliche Worte: Ob sie sich nicht zu schade seien, den Büttel für Innenminister Horst Seehofer und Co. zu machen? Viele Umstehende, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo schüttelten ungläubig und entsetzt den Kopf, dass so was auf einer Demo gegen die Polizeigesetze möglich ist. „Die brauchen keine Polizeigewalt mehr, das machen sie selber,“ empörte sich einer.
Wir protestieren entschieden gegen dieses Vorgehen und fordern Euch auf, Euch hierzu zu erklären
Internationalistisches Bündnis
In einer Protesterklärung von Organisationen aus dem Internationalistischen Bündnis heißt es: „Wir protestieren entschieden gegen dieses Vorgehen und fordern Euch auf, Euch hierzu zu erklären und Position gegen diese Abkehr von allen Prinzipien linker und fortschrittlicher Demonstrationskultur, die selbst dem Versammlungsgesetz in §1 widerspricht, zu beziehen.
Es ist grotesk, dass es bei einer Demonstration gegen das neue Polizeigesetz NRW zu so einem Übergriff kam, der sich direkt gegen elementare demokratische Rechte richtete …“ (Mehr dazu hier!)
Wie viel Kritik es offenbar an diesem provokanten, liquidatorischen Verhalten gibt, lässt die Herausgabe eines „Krisenwordings“ erahnen. Es ist eine Art Argumentationshilfe („FAQ“), wie man unbequeme Kritiker und Frager abwimmelt. So wird empfohlen: „Wenn eine Frage explizit auf MLPD/Internationalistisches Bündnis Bezug nimmt“ zu sagen: „Dazu möchten wir keine Stellung beziehen - denn zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gehört für uns, keine Internas nach außen zu tragen. Stattdessen möchten wir nach vorne schauen ...“
Verständlich, dass ihnen die Internas peinlich sind – heuchlerisch ist es dagegen, das hochnotpeinliche Vertuschen der Vorgänge als Ausdruck einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zu bezeichnen.
Kampf gegen das Polizeigesetz geht in die nächste Runde
Am Tag der Beschlussfassung des Gesetzes hat das Bündnis „Nein! Zum neuen Polizeigesetz in NRW“ eine Mahnwache vor dem Landtag organisiert. Sie leistete Überzeugungsarbeit gegenüber den vor allem jungen Besucherinnen und Besuchern der Landtagssitzung, und brachte zum Ausdruck, dass der Widerstand gegen das Polizeigesetz und andere Bestandteile der Rechtsentwicklung weitergeführt wird.