Bergbau
Abschied mit viel Heuchelei
Mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst ging gestern der Veranstaltungsmarathon zum Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau in Deutschland weiter. Protest war unerwünscht.
Auch bei dieser Aktion in Essen, mit viel Prominenz waren die Bergleute nicht wirklich eingeladen. Vor allem diejenigen nicht, die um ihre Rechte kämpfen. So die über 140.000 vom sogenannten Deputatklau betroffenen Bergleute und ihre Familienangehörigen.
RAG hinterlässt verbrannte Erde
Deputatkohle, oder wie man sagt Hausbrand, ist Teil der Rente der Bergleute. Aber die rechte Führung „ihrer“ Gewerkschaft IGBCE hat diesen Anspruch dem Zechenbetreiber RAG überlassen - sozusagen als Abschiedsgeschenk des Co-Management. Mit einer schmalen Abfindung soll der lebenslange Anspruch abgegolten werden. Dagegen protestieren die Kumpel und Hunderte klagen auch.
In Kürze
- „Von oben“ wird Protest der Bergleute unterdrückt
- Bergleute setzen sich durch: Protestplakate bei der Prozession dabei
- Große Solidarität aus der Bevölkerung - über 60 unterschreiben gegen die RAG
Anlässlich des Gottesdienstes machten einige Aktivistinnen und Aktivisten, organisiert von der überparteilichen Initiative Kumpel für AUF, vor der Kirche darauf aufmerksam, dass die Bergleute, ihre Familien und viele Menschen im Ruhrgebiet die Schließung nie akzeptiert haben. Und auch nicht, dass die RAG verbrannte Erde hinterlässt: PCB und Giftmüll in den Zechen, die jetzt teilweise geflutet werden; geschlossene Lehrwerkstätten, trotz bejammerten Facharbeitermangel usw.
Unterstützung aus der Bevölkerung
Trotz Schmuddelwetter, Weihnachtsmarkt und Einkaufstrubel stieß die Aktion auf riesige Solidarität. Teilweise musste man sich anstellen, um auf einer der Protestlisten unterschreiben zu können.
Wir haben nichts zu feiern, deswegen gehen wir auch nicht hin
Bergmann der Zeche Prosper zur Abschiedsfeier mit Bundespräsident Steinmeier
Polizei behindert Kumpel
Als die Bergleute und ihre Unterstützer sich mit ihren Protestschildern der Prozession vom Dom zur evangelischen Kirche anschließen wollen, schritt die Polizei ein. „Von oben“ gab es die Anweisung: keinerlei Protest, mitlaufen nur ohne Schilder. Der leitende Beamte beschimpfte, weil auch Genossen der MLPD beim Protest dabei waren, das Ganze als „antidemokratisch“ und „antifreiheitlich“.
Was für eine Glosse: der Beamte schränkt das demokratische Demonstrationsrecht ein und die Freiheit der Kumpel am Tag vor der Schließung ihrer Zeche ihre Meinung kund zu tun. Die Menschen, die den Mehrheitswillen der Bevölkerung zum Ausdruck bringen, sind in seinen Augen undemokratisch.
Zeitweise wurden Beamte handgreiflich, um die Kumpel aufzuhalten, bevor schließlich doch der Weg frei gegeben wurde. Allerdings wurden Personalien aufgenommen und Strafanzeigen angedroht. Die Demonstranten sprachen auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck an. Er meinte, man könne ihn gerne ansprechen, falls es dazu kommt.