Prosper Haniel

Prosper Haniel

Letzte Schicht: „Steinmeier hat nicht das letzte Stück Kohle gekriegt“

Am Freitag, den 21. Dezember, wurde offiziell die letzte Kohlenzeche des Ruhrgebiets geschlossen.

Von hbk / Korrespondenz aus Gelsenkirchen
Letzte Schicht: „Steinmeier hat nicht das letzte Stück Kohle gekriegt“
Protest gegen Zechenschließung und -flutung sowie gegen den Deputatklau am 20. Dezember in der Essener Innenstadt (rf-foto)

Auf Zeche Prosper Haniel in Bottrop fand die von viel "Prominenz" begleitete „Abschiedsvorstellung“ statt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhielt das - angeblich - letzte abgebaute Kohlestück von Reviersteiger Jürgen Jakubeit überreicht.

 

Alle Anwesenden, von Steinmeier über den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, die ehemalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bis zum derzeitigen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) verloren große Worte, betonten ihre Wehmut und große Wertschätzung für die Tradition des Bergbaus. Peter Schrimpf, Vorstandschef der RAG1, legte medienwirksam immer wieder seinen Arm um Jakubeit. 

Nur Alibi-Bergleute anwesend

Es gehört mittlerweile zum "guten Ton", die Leistungen der Kumpels schulterklopfend zu würdigen genauso wie ihren Zusammenhalt untereinander, ob Deutscher, Pole, Türke oder von einer anderen Nationalität. Eine Eigenschaft, die die Bergarbeiter bis heute prägt, weil sich bei ihrer harten und gefährlichen Arbeit jeder auf den anderen verlassen können muss.

 

Kein Wort darüber, dass hier genau diejenigen versammelt waren, die zusammen mit der RAG und der Führung der IG Bergbau-Chemie-Energie (IGBCE) das Ende des deutschen Steinkohleabbaus maßgeblich vorangetrieben haben – die massive Vernichtung von zahlreichen weiteren bergbauverbundenen Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet eingeschlossen. Von den Kumpels war nur eine Handvoll Alibi-Bergleute anwesend.

Im Gegensatz zum offiziellen Festakt standen bei der Großveranstaltung
Im Gegensatz zum offiziellen Festakt standen bei der Großveranstaltung "Der große Bergarbeiterstreik von 1997" die Kumpels im Mittelpunkt (rf-foto)

In Kürze

  • Beim Festakt vergossen die für die Zechenschließungen verantwortlichen Politiker Krokodilstränen
  • Die Bergarbeiter waren nicht eingeladen - ihre Kämpfe spielten keine Rolle
  • Die MLPD kämpft mit den Kumpels und ihren Familien - sie wird die Fackel ihres Kampfs weitertragen

"Gesülze" stößt viele Kumpel ab

Doch ihre Reden werden von vielen Kumpels als heuchlerisch empfunden. Da gab es Kommentare wie „Gesülze“ oder ähnliches. Wenn Steinmeier - der mit dem Leben, der Kultur und der Arbeit der Kumpels und ihrer Familien aber auch gar nichts zu tun hat - verkündet, dass er sich bei dem Zusammenhalt der Kumpel untertage auch für die Zukunft keine Sorgen mache, dann ist das pure Heuchelei.

 

Mit "Zusammenhalt" meint er allenfalls die Akzeptanz der Angriffe der Monopole und der Rechtsentwicklung der Regierung. Die Monopolpolitiker hat das Schicksal der Kumpel und ihrer Familien nie gekümmert und es kümmert sie auch in Zukunft nur insofern, als dass aus der Wut der Menschen im Revier keine Gefahr für ihre Herrschaft entstehen soll.

 

Die RAG hat für die Kohleförderung 130 Milliarden Euro an Subventionen aus Steuergeldern eingestrichen2, angeblich um die Kumpel zu beschäftigen. Ständig versicherte sie: „Keiner fällt ins Bergfreie.“ Doch der RAG ging es nie um die Beschäftigung der Kumpels, sondern allein um ihren Maximalprofit. So wurden systematisch Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet.

Zahlreiche Gründe, gegen die Zechenschließungen zu sein

Wenn jetzt der Steinkohlebergbau in Deutschland, der modernste und sicherste der Welt, stillgelegt wird, dann nur, weil die RAG mit ihm keinen Maximalprofit mehr erreichen kann. Steinkohle wird weiter in den Kraftwerken verfeuert. Sie kommt aus dem umweltzerstörenden Tagebau in Ländern wie Kolumbien, Australien oder Südafrika. Steinkohle zuerst Tausende Kilometer übers Meer zu transportieren, um sie dann zu verbrennen, ist eine extrem umweltschädliche Methode der Energieerzeugung. Mit der Kohle könnte in der modernen Materialproduktion viel Besseres angefangen werden.

 

Die Zechenflutung, die jetzt von der RAG begonnen wird, ist ein weiteres Umweltverbrechen. Denn wenn der in den stillgelegten Schächten eingelagerte Giftmüll vom Grubenwasser erreicht wird, ist eine ökologische Katastrophe vorhersehbar. All das sind Gründe, warum die MLPD schon lange gegen die Stilllegung der Zechen argumentiert und den Kampf dagegen führend mitorganisiert hat.

 

Der Protest gegen die Zechenschließungen wurde bei der offiziellen Feier ausgeblendet. Doch die Kumpel haben selbst die Initiative ergriffen und Transparente gemalt, mit denen sie an den Rand der Feier kamen: „Wir akzeptieren die Stilllegung der Zechen und die Zechenflutungen nicht!“

Eigene Feier der Kumpel

Kumpel von Prosper Haniel sagen: „Ach, diese Feier ist nicht wichtig. Wichtig ist unsere Feier, die wir nächste Woche machen, wo die Kumpel kommen - auf Schacht 10. Und eins können wir euch auch sagen, das letzte Stück Kohle – das hat nicht der Steinmeier gekriegt, das holen wir raus und das gehört uns.“

 

Anlässlich eines ökomenischen Gedenkgottesdienstes am 20. Dezember in Essen machten Aktivistinnen und Aktivisten, organisiert von der überparteilichen Bergarbeiterinitiative Kumpel für AUF, vor der Kirche darauf aufmerksam, dass die Bergleute, ihre Familien und viele Menschen im Ruhrgebiet die Schließung nie akzeptiert haben.

 

Trotz Schmuddelwetter, Weihnachtsmarkt und Einkaufstrubel stieß die Aktion auf riesige Solidarität. Teilweise musste man sich anstellen, um auf einer der Protestlisten unterschreiben zu können. Von massiven Behinderungen und Unterdrückungsmaßnahmen seitens der Polizei ließen sich die Menschen nicht einschüchtern. Über 60 Leute unterschrieben gegen die RAG (mehr dazu).

Wichtige Impulse für die internationale Bergarbeiterbewegung

Monika Gärtner-Engel, Stadtverordnete von AUF Gelsenkirchen und Internationalismusverantwortliche der MLPD, in einer aktuellen Pressemitteilung:

 

„Was bei den ganzen offiziellen Reden völlig verschwiegen wird, ist die kämpferische und revolutionäre Tradition der Bergarbeiter. Die deutsche Bergarbeiterbewegung hat auch wichtige Impulse für die internationale Bergarbeiterbewegung und einiges für den Aufbau einer internationalen Bergarbeiterkoordinierung geleistet. Ihre kämpferische Tradition wurde auf der Veranstaltung von Kumpel für AUF am 6. Oktober in Gelsenkirchen 'Der große Bergarbeiterstreik 1997' mit Beiträgen von 50 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und aktiver Beteiligung der Jugend lebendig.“3

 

Zu den Impulsen der deutschen Bergarbeiterbewegung für den internationalen Zusammenschluss gehört, dass Kumpel für AUF seit 2004 zunächst drei internationale Bergarbeiterseminare in Deutschland organisiert hat. Dort wurde auch der Beschluss zum Aufbau einer internationalen Bergarbeiterkonferenz gefasst, die mittlerweile bereits zweimal - in Peru und Indien - stattfand. Der gewählte Hauptkoordinator der internationalen Bergarbeiterkoordinierung, Andreas Tadysiak, hat lange Jahre im deutschen Bergbau gearbeitet.

Die Fackel wird weitergetragen

Im Vorwort der Dokumentation zur Veranstaltung "Der große Bergarbeiterstreik 1997" (mehr dazu) schreibt der langjährige Vorsitzende der MLPD, Stefan Engel, der diese Veranstaltung maßgeblich geprägt und mitdurchgeführt hat:

 

"Der Streik 1997 war die wichtigste Kampferfahrung der Bergleute in den letzten Jahrzehnten. Aber er taucht in keinem Geschichtsbuch auf. Mit der Veranstaltung wurde darüber eine Massendiskussion unter den Bergleuten entfacht. ... Auch die Fragen der Jugend wurden beantwortet. ... Sie haben gelernt, dass die Bergarbeiterbewegung immer ein wichtiger Kern der deutschen Arbeiterbewegung war. Ihre Erfahrungen werden weiterleben in dem, was die Jugend noch vor sich hat. Es war kein Abgesang auf die Bergarbeiterbewegung, sondern sorgte dafür, dass sie ihren festen Platz in der Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland erhält und so immer weiterlebt. Wir werden die Fackel der Bergleute weitertragen!"

 

Die Dokumentation zur Veranstaltung kann hier bestellt werden