Flüchtlingspolitik

Flüchtlingspolitik

Der unselige "Geist von Seeon"

Bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im bayerischen Kloster Seeon machen CDU- und CSU-Funktionäre auf Friede, Freude, Eierkuchen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sitzen gemeinsam auf dem Podium, sprechen von Aufbruchstimmung und Vorwärtsdiskussion, proklamieren Geschlossenheit, wollen Herausforderungen gemeinsam meistern - das sei der "Geist von Seeon".

Von gis
Der unselige "Geist von Seeon"
Demokraten und fortschrittliche Menschen positionieren sich gegen reaktionäre Flüchtlingspolitik (rf-foto)

Die "Menschen wollen nicht mehr die Verdichtung auf das Thema Flüchtlinge“, meinte Müller, und reagiert damit auf das schwindende Vertrauen in die bürgerlichen Parteien und die Kritik an der Rechtsentwicklung der Regierungen. Während er so vortäuscht, auf die Stimmung unter den Massen Rücksicht zu nehmen, wird gleichzeitig die Verschärfung der reaktionären Politik vorbereitet.

Seehofer: Noch im Januar neuer Gesetzesvorschlag

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte an, noch im Januar einen Gesetzesvorschlag für schnellere Abschiebungen vorzulegen. Der Spiegel berichtet über einen 73-seitigen Entwurf. Dessen zentrale Bestandteile sind Verschärfungen von Abschiebehaft und "Ausreisegewahrsam". So soll eine "erweiterte Vorbereitungshaft" eingeführt werden – etwa für Personen, die das Abschiebungsverfahren "umgehen oder behindern", zum Beispiel indem sie ihre Identität nicht offenlegen oder sich nicht um einen neuen Pass bemühen. Er will mehr Plätze in Abschiebegefängnissen einrichten und bis dahin Asylbewerberinnen und -bewerber auch in Gefängnissen unterbringen.

 

"Wir sind keine Kriminellen, wir sind Flüchtlinge" - so haben sich im Mai 2018 die kämpferischen und selbstbewussten Flüchtlinge, darunter Alassa, in Ellwangen nach dem gesetzeswidrigen Polizeieinsatz positioniert. So werden die Menschen, die zum Teil unter Todesgefahr vor Folter, Gefängnis und Unterdrückung fliehen, in Deutschland inhaftiert und unterdrückt.

 

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) kritisiert Seehofers Scharfmacherei und wendet sich gegen neue Gesetze. Sie vertritt jedoch keine fortschrittliche Flüchtlingspolitik, sondern will mit den bisherigen Gesetzen Flüchtlinge kriminalisieren und abschieben: "In der vergangenen Legislaturperiode haben wir bestehende Regelungen, etwa im Asylrecht, in entscheidenden Punkten verbessert und verschärft", sagte Barley heute früh der Welt am Sonntag.

 

Mutige Demonstration für Alassa im August 2018 in Stuttgart (rf-foto)
Mutige Demonstration für Alassa im August 2018 in Stuttgart (rf-foto)

In Kürze

  • Nur ein Teil der bürgerlichen Medien macht sich die Hetze von Bild und FAZ zu eigen
  • Positionspapier der CSU-Landesgruppe will zahlreiche innen- und europapolitische Verschärfungen
  • Seehofer ist als Bundesinnenminister untragbar. Sein Rücktritt ist überfällig.

 

Auch FAZ lässt journalistischen Anstand vermissen

Nach den Hetzartikeln in der Bild-Zeitung gibt es in den sogenannten sozialen Medien unterschiedliche Reaktionen. Etlichen reaktionären Kommentaren stehen eine Vielzahl kritischer Tweets auf Twitter entgegen, die u. a. die Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Meister und Partner teilen. Auch in den bürgerlichen Medien spiegelt sich die gesellschaftliche Polarisierung wider. Nur ein Teil macht sich die Hetze von Bild und FAZ zu eigen. Im Neuen Deutschland wird dagegen die Bild trefflich attackiert: "Rassismus in der Bild - Unfassbar".

 

Der ehemalige Chefredakteur der Bild am Sonntag, Michael Spreng, ist kein Verfechter fortschrittlichen Gedankenguts. Aber selbst er kritisiert in einem Interview mit dem Tagesspiegel im September 2018 die zunehmend stramm reaktionäre Ausrichtung der Bild-Redaktion und nennt sie eine „Vorfeldorganisation der AfD". "Fast jede Gewalttat eines Flüchtlings gegen einen Deutschen wird in 'Bild' zur schreienden Schlagzeile. Wenn aber ein Deutscher einen Syrer ersticht, wird dies mit ein paar Zeilen auf Seite 5 abgetan“, schreibt er. Dann würden Aufmacher konstruiert, „gegen die angeblich zu lasche Justiz, gegen den angeblich untätigen Staat und die angeblich unfähigen Politiker".

 

Gestern abend wiederholt die großbürgerliche Frankfurter Allgemeine Zeitung die wesentlichen Lügen der Bild über Alassa, die der Freundeskreis Alassa, die von ihm beauftragte Anwaltskanzlei und Rote Fahne News ausführlich und stichhaltig widerlegt hatten. Sein Asylantrag sei abgelehnt worden: Nein, er wurde gar nie geprüft. Er sei illegal wieder nach Deutschland eingereist: Nein, die Einreisesperre ist abgelaufen. Selbst die von der Aalener Staatsanwaltschaft widerlegte Legende der "Rädelsführerschaft" Alassas entblödet sich die FAZ nicht, nochmals aufzutischen (Hier komplett widerlegt: "Die unfassbare Hetze der Bildzeitung"). 

 

Die aufgewärmten Lügengeschichten sind in der FAZ die Vorlage für den Reaktionär Thomas Strobl (CDU), Innenminister der grün-schwarzen Landesregierung Baden-Württembergs. Dieser fordert, dass es Asylbewerben noch schwerer gemacht werden soll, einen Asylantrag zu stellen, sowie eine weitere Verschärfung des Dublin-Systems. Außerdem will er das Polizeigesetz so verändern, dass die Landespolizei im Grenzgebiet zu Frankreich und zur Schweiz Identitätskontrollen auch auf Nebenstraßen machen darf. Also eine Verschärfung ganz auf der Linie Seehofer.

 

Dabei muss Strobl indirekt selbst einräumen, dass Alassa nicht gegen die bestehende Gesetzeslage verstoßen habe. Sein Fall ist vielmehr die Begründung für eine angeblich nötige Gesetzesänderung. Perfide: wer demokratische Rechte einfordert, liefert in dieser reaktionären Logik den Grund dafür, sie zu beseitigen! Diejenigen die immer am lautesten nach "Recht und Ordnung" schreien, treten beides selbst mit Füßen. Sie verfolgen Menschen wegen Gesetzen, die sie noch gar nicht beschlossen haben, führen illegale Polizeieinsätze durch, fördern wahrheitswidrige Hetze unad anderes mehr.

Verschärfte Unterdrückung keineswegs nur von Flüchtlingen

Die gleiche CSU-Landesgruppe, die vor ihrer Pressekonferenz offenbar Kreide gefressen hat, hat ein Positionspapier mit dem Titel "Staat mit Stärke - für mehr Sicherheit und geordnete Migration" beschlossen. Es beinhaltet eine ganze Reihe innen- bzw. europapolitischer Verschärfungen. So unter anderem ein europaweites Überwachungssystem für „Gefährder“ und ein - ebenfalls europaweites - Strafregister, um sogenannte "Ketten-Bewährungsstrafen" zu verhindern und die Gleichstellung von DNA-Analyse mit Fingerabdrücken (inklusive der Einrichtung einer großen DNA-Datei). Demagogisch heißt es in dem Positionspapier, man wolle "Fachkräftezuwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht aufs Arbeitsamt". Eine zentrale Prüfstelle für Ausweisdokumente und die Forderung nach verschärften Kriterien, um Menschen die Einbürgerung zu verweigern, gehören ebenso zum Katalog der Verschärfungen.

 

Dass diese ausgerechnet am Fall Alassa aufgezogen werden, zeigt, worum es wirklich geht: Er ist eben kein Messerstecher, Dealer oder sonst irgendein "Gefährder", sondern ein fortschrittlicher und demokratischer Mensch, der seine demokratischen Rechte einfordert. Offenbar sehen die Scharfmacher darin eine Gefährdung ihrer Politik.

Typische Methode

Das aktuelle Szenario erinnert an die sogenannte Kölner Silvesternacht (2015/16). Damals wurde eine ungeheure Medienkampagne wegen angeblicher oder tatsächlicher sexueller Übergriffe medial extrem übersteigert, um damit Gesetze zu begründen, die längst in der Schublade lagen. So läuft es jetzt mit der zu "Prügelorgien" aufgebauschten Schlägerei im oberpfälzischen Amberg, dessen Bürgermeister erhebliche Kritik an der Medienkampagne übt.

 

Und vor allem allem mit der Kriminalisierung von Alassa und seinen Unterstützern. In den Augen dieser Reaktionäre ist ein Asylbewerber, der es wagt, sich mit anderen Flüchtlingen und Demokraten aus der hiesigen Bevölkerung zusammenzuschließen und gemeinsam mit ihnen für Grundrechte einzustehen, ein Straftäter, ja beinah ein Ungeheuer.

 

Diese Hetz- und Lügen-Kampagne der Bild, der FAZ über Strobl und andere Scharfmacher ist inszeniert und gesteuert. Ausgangspunkt ist wieder das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU). Sein Rücktritt als Innenminister ist überfällig.