Arbeiterkämpfe
Streiks in Ungarn weiten sich aus
In den ost- und südosteuropäischen Ländern Serbien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Rumänien und Ungarn entwickeln sich in den letzten Monaten breite Volkskämpfe.
Die Menschen kämpfen gegen die meist ultrareaktionären, faschistoiden Regierungen, gegen Korruption, massenfeindliche Gesetze, Zensur der Medien und der Justiz und vieles mehr. Nicht selten ist das noch mit erheblicher Konfusion verbunden. So beteiligen sich daran teilweise auch ultrareaktionäre Kräfte oder Anhänger der EU, allerdings auch fortschrittliche und revolutionäre Organisationen.
Umso bedeutender ist, dass in Ungarn nun die Arbeiterklasse mit Macht auf den Plan tritt. Ausgangspunkt war der Streik der Audi-Arbeiterinnen und -Arbeiter in Györ (mehr dazu). Jetzt breiten sich die Streiks im ganzen Land aus und erfassen immer mehr gesellschaftliche Bereiche (mehr dazu).
Streik bei Reifenhersteller
Die ungarische Tageszeitung "Népszawa" berichtete am 19. März, dass 80 Prozent der Belegschaft beim Reifenhersteller Hankook in Dunaijváros mit 3.100 Beschäftigten seit neun Tagen streikt (mehr dazu).
Die Geschäftsführung ist nicht bereit, unter Streikbedingungen zu verhandeln und setzt den Werksschutz ein, damit Streikbrecher ins Werk kommen. Sogar aus Weißrussland wird versucht, Streikbrecher anzuheuern. Ihnen werden hohe Prämien zugesagt.
Staat als Dienstleister der Monopole
Der ungarische Staat unterstützt den Streikbruch, indem Regelungen außer Kraft gesetzt werden, wonach ausländische Arbeitskräfte ein Visum und Arbeitsgenehmigungen benötigen. Während der Auseinandersetzung ist der Anteil der gewerkschaftlich Organisierten an der Belegschaft von 20 auf über 50 Prozent gestiegen. Beim Autozulieferer Conti in Veszprém mit 1.200 Beschäftigten hat die Gewerkschaft einen Streik angemeldet, um die Forderung nach 12 Prozent Lohnerhöhung durchzusetzen.
Das deutsche Monopol Conti besitzt bereits sechs Werke in Ungarn und baut zurzeit ein siebtes im Ort Debrcen. Es wird vom ungarischen Staat mit 320 Millionen Euro großzügig subventioniert, während Conti lediglich 100 Millionen investiert. Auch BMW hat für ein neues Werk in Debrcen bereits staatliche Gelder genehmigt bekommen.
Drohungen gegen Streikvorbereitung
Beim Einzelhandelskonzern Metro in Budapest hat die Belegschaft Anfang der Woche ein gewerkschaftliches Streikkomitee zur Vorbereitung eines Streiks in Kalenderwoche 13 gegründet. Das hat die Konzernzentrale aufgeschreckt, und man berief auf Früh- und Mittagsschicht eiligst zwei Betriebsversammlungen ein, zu der ein Vertreter der Geschäftsleitung aus Deutschland eingeflogen wurde. Er drohte damit, alle, die sich dem Streik anschließen, zu entlassen, und dass man, je nach Ausmaß der Streikbeteiligung, auch an eine Schließung der Filiale in Budapest denkt.
Auch beim öffentlichen Nahverkehr in Budapest stehen die Zeichen auf Streik. Die Bus- und Straßenbahnfahrer treffen entsprechende Vorbereitungen und wollen einen Plan aufstellen: wie sie trotz einer gesetzlichen Beschränkung des Streikpotenzials auf maximal 33 Prozent der Beschäftigten die Kräfte so konzentrieren und einsetzen können, dass ein wichtiger Teil des Budapester öffentlichen Nahverkehrs für einige Stunden lahmgelegt wird.
Opernsänger streiken
In den Krankenhäusern herrscht ein Notstand, wo Ärzte, Krankenschwestern und Pflegekräfte fehlen, weil viele wegen besserer Verdienstmöglichkeiten ins europäische Ausland abgewandert sind. Die Tageszeitung Népszawa berichtet, dass das Personal eines ganzen Budapester Krankenhauses gekündigt hat, nachdem sie gezwungen wurden, in den 28 Tagen des Februars 310 Stunden zu arbeiten, was durchschnittlich elf Stunden pro Tag bedeutet.
In Ungarn greift inzwischen eine Aufbruchstimmung für Proteste und Streiks um sich: sogar die Sängerinnen und Sänger am Opernhaus in Budapest haben gestreikt, weil sie über sieben Jahre hinweg keine Lohn- bzw. Gehaltserhöhung mehr bezogen haben.
Gegenkraft im Kampf gegen Rechtsentwicklung der Regierung
In den Streiks und Protesten verbinden sich ökonomische und mehr und mehr auch politische Forderungen. Der Streik bei Audi in Györ verband sich mit landesweiten Protesten der Gewerkschaften gegen das "Sklavengesetz" der faschistoiden Orbán-Regierung, das die Ausweitung der Überstunden von bisher 250 auf 400 im Jahr ermöglicht (mehr dazu). Jetzt entwickelt sich Protest unter anderem gegen die staatliche Unterstützung des Streikbrechereinsatzes.
Während auch in Deutschland in den bürgerlichen Medien viel über die Orbán-Regierung und ihren Streit mit der Europäischen Volkspartei (EVP) berichtet wird, hört man wenig über die Arbeiterkämpfe, die sich als wichtige Gegenkraft im Kampf gegen die gesamte Rechtsentwicklung der Regierung herausbilden.
Die MLPD begrüßt und unterstützt diese Entwicklung, bei der sich unter komplizierten Bedingungen antikommunistischer Unterdrückung und Stimmungsmache die Arbeiterinnen und Arbeiter mutig zusammenschließen. Sie wünscht der ICOR-Organisation MIKSZ viel Erfolg beim weiteren Aufbau der revolutionären Partei in Ungarn.