Geplanter Tarifvertrag

Geplanter Tarifvertrag

Höhere Löhne in der Altenpflege dringend nötig

In Deutschland arbeiten 1,1 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege. Mehr als 730.000 bei den über 13.000 stationären Einrichtungen, weitere 370.000 bei 13.000 ambulanten Pflegediensten.

Von jg
Höhere Löhne in der Altenpflege dringend nötig
Protest von Pflege-Beschäftigten am 17.10.2015 in Berlin (Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes fühlen sich hunderttausende Kolleginnen und Kollegen überlastet, im beruflichen Dauerstress und mit geringer Bezahlung ausgezehrt. Dies verwundert wenig angesichts der Realität, dass mindestens 19.000 Vollzeitarbeitskäfte in der Altenpflege fehlen.

 

Fast drei Viertel der Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, 85 Prozent sind Frauen. Bis zum Jahr 2030 werden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit - die derzeitige Entwicklung hochgerechnet - fast eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen. 10,3 Patientinnen und Patienten muss eine Pflegekraft in deutschen Krankenhäusern versorgen. Damit ist Deutschland europäisches Schlusslicht.

Häufig nur Mindestlohn

Viele Pflegekräfte erhalten nur den gesetzlichen Pflege-Mindestlohn, der ab dem 1. Januar 2019 im Westen 11,05 Euro, im Osten 10,55 Euro beträgt. Für Privathaushalte gilt sogar nur der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie für Nachtarbeit werden oftmals nicht bezahlt.

 

Bisher nutzen private, soziale und kirchliche Träger in der Altenpflege die Tatsache aus, dass nur etwa 10 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert sind. In vielen Pflegediensten und Altenheimen gibt es keine Betriebs- oder Personalräte. 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten in nicht tarifgebundenen Betrieben. Wenn, dann gibt es vor allem Haustarifverträge oder regionale Abschlüsse. 

Groko reagiert auf wachsende Kritik

Gegenüber dieser für die Beschäftigten genauso wie für die in Altenheimen lebenden Menschen und ihre Familien katastrophalen Situation wächst seit Jahren die Kritik und Empörung. Die Gewerkschaft ver.di fordert schon seit längerer Zeit einen bundesweit gültigen Tarifvertrag für die Altenpflege.

 

Die CDU/CSU/SPD-Regierung musste darauf bereits im Koalitionsvertrag reagieren, indem sie "größere Wertschätzung", "angemessene Löhne" und "flächendeckende Tarifverträge" versprach. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) startete ganz „vertrauensbildend" letztes Jahr die "Konzertierte Aktion Pflege". Dort wird in fünf Arbeitsgruppen über Themen der Altenpflege, wie die Ausbildung, die Lohn- und Gehaltsbedingungen und die Arbeitszeiten verhandelt. All das soll in einem Tarifvertrag gipfeln. Doch Spahn beschwichtigt schon mal: "Aber was über Jahre sich in die falsche Richtung gedreht hat, kriegen wir auch nicht in ein paar Wochen umgedreht."

Spahn sorgt für Empörung

Für diese Richtung tragen aber seine Partei genauso wie er selbst als jahrelanger Gesundheitsexperte der CDU maßgebliche Verantwortung. Und gab es da nicht einen Gesundheitsminister Spahn, der im letzten September die Pflegekräfte dazu aufforderte, als Beitrag zur Entlastung der abgespannten Personalsituation "3,4 Stunden mehr pro Woche" zu arbeiten? Dafür erntete er einen Sturm der Empörung.

 

Das ist auch Ausdruck der wachsenden Bewegung für "mehr Wertschätzung" und höhere Eingruppierung von Berufen, in denen bisher hauptsächlich Frauen arbeiten - wie der Erzieherinnen, Verkäuferinnen, Krankenpflegerinnen usw.

 

"Ich habe genug davon", rief eine mutige Krankenschwester bei einer Kundgebung während der Tarifauseinandersetzung an den Unikliniken Anfang 2018, dem anwesenden Gesundheitsminister zu, "unter diesen Bedingungen weiter meinen Beruf zu machen. Wir sind heute hier und versprechen, dass wir Tag für Tag mehr werden und lauter werden, bis Sie Ihren leeren Versprechungen endlich Taten folgen lassen!"

Die Kampfkraft erhöhen

Die kämpferischen Tarifrunden 2018 und 2019 sowie die Belebung - zum Teil selbständiger - kämpferischer Initiativen gegen die Arbeitsplatzvernichtung in der Automobilindustrie zeigen den Weg, auf dem auch eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu erkämpfen ist. Ein bundesweit gültiger Tarifvertrag, der zur deutlichen Erhöhung der Löhne und Gehälter führt, zu gleichen Löhnen in Ost und West, entsprechenden Schichtzulagen usw., kann nur im gemeinsamen Kampf durchgesetzt werden. Die Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads ist dazu unabdingbar.

 

Die MLPD hat viele Erfahrungen in gewerkschaftlichen und selbständigen Kämpfen und hilft, den Zusammenschluss der Kolleginnen und Kollegen zu fördern. Dazu muss auch die MLPD dringend weiter gestärkt werden.

Profitorientierung Hauptgrund für die Pflegemisere

Sie fördert zugleich die notwendige grundsätzliche Kritik am heutigen System der Altenpflege. Es wird mehr und mehr den Profitinteressen internationaler Konzerne - wie Alloheim oder Korian - untergeordnet. Sie beherrschen bereits 41 Prozent des "Pflegemarktes". Auch Finanzinvestoren wie Carlyle oder Nordic Capital haben den Pflegebereich als lukratives Geschäftsfeld entdeckt.

 

Dadurch verschärft sich der Konkurrenzdruck zwischen privaten Betreibern, kommunalen Einrichtungen, kirchlichen Trägern wie Caritas oder Diakonie sowie Institutionen wie der Arbeiterwohlfahrt und dem Deutschen Rote Kreuz. Damit die Rendite stimmt, wird vor allem am Personal und seinen Löhnen "gespart".

Wachsende Belastung für Frauen und Familien

Dazu kommt, dass Pflegeheime und ambulante Pflegebetriebe - so sehr sich die Beschäftigten für die Pflegebedürftigen einsetzen - heute oft nur eine "familienergänzende" Funktion haben. Insbesondere Frauen leisten in den Familien heute diese Arbeit. Aus Sorge und Liebe für die pflegebedürftigen Familienangehörigen, meist aber verbunden mit hoher psychischer Belastung, Rückzug aus gesellschaftlicher Betätigung und Verschleiß der eigenen Gesundheit. Vor allem für berufstätige Frauen führt dies zur massenhaften Zerreißprobe.

 

Der hauptsächlich private Charakter der Altenpflege wird durch die öffentlichen Pflegeeinrichtungen nicht grundsätzlich angetastet. Während die Lebensmittelproduktion im Kapitalismus vergesellschaftet ist, bleibt dies wie überhaupt die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens weitgehend private Angelegenheit der Einzelfamilie.

Monopole und Staat sollen Kosten voll übernehmen

Deshalb fordert die MLPD heute schon heute in ihrem Parteiprogramm:

  • Gründliche und kostenlose Gesundheitsvorsorge, Betreuung und Behandlung für alle dauerhaft in Deutschland Lebenden!
  • Einbeziehung der alten, kranken und behinderten Menschen in das gesellschaftliche Leben und volle Übernahme aller Kosten für ein menschenwürdiges Leben durch Monopole und Staat!
  • Volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch eine umsatzbezogene Unternehmenssteuer!

 

In einer sozialistischen Gesellschaft werden die Gesundheits- und Pflegekosten solidarisch vom neuen, proletarischen Staat getragen und nicht mehr dem Einzelnen aufgebürdet. Der Mensch und nicht der Profit steht dann im Mittelpunkt. Wenn das Gesundheits- und Pflegewesen von den Fesseln des kapitalistischen Profitstrebens befreit ist, werden der heute schon vorhandene gewaltige medizinische Fortschritt und das Engagement der gut ausgebildeten Pflegekräfte vollauf den Bedürfnissen der Menschen zugute kommen.