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Unfassbare Vertuschungen im Skandal um die sexuellen Gewalttäter von Lügde

Immer mehr Details einer unglaublichen Verharmlosung, Vertuschung und Verstrickung in die massenhaften Fälle sexueller Gewalt an Kindern in Lügde (Nordrhein-Westfalen) kommen derzeit ans Licht. Das betrifft Mitarbeiter des zuständigen Jugendamts, der Polizei und bürgerliche Politiker.

Von hkg
Unfassbare Vertuschungen im Skandal um die sexuellen Gewalttäter von Lügde
Foto von einem anderen Campingplatz - irgendwo in Deutschland (Foto: qwesy qwesy)

Drei Männer wurden bisher festgenommen, insgesamt gibt es sieben Verdächtige. Zudem wird gegen zwei Polizisten, acht Mitarbeiter von Jugendämtern und vier Mitarbeiter anderer Organisationen ermittelt. Der Haupttäter, Andreas V., hat gemeinsam mit anderen in seinem Wohnwagen auf dem Campingplatz seit Jahren mindestens 36 Kinder zwischen vier und 13 Jahren sexuell missbraucht und dies gefilmt.

Ausweitung zum Polizeiskandal

Dabei gab es seit langem deutliche Hinweise und Beschuldigungen gegen ihn. Schon vor 17 Jahren wurde er erstmals verdächtigt, ein Mädchen missbraucht zu haben - alles ist in den Akten vermerkt.1 Bereits in einer alten Übersicht der Polizei in Lippe von 2002 gibt es Hinweise auf Sexualdelikte des Haupttäters.

 

Mittlerweile weitet sich das Ganze immer mehr zu einem Polizeiskandal aus. Äußerst mysteriös ist das Verschwinden von 155 CD's und DVD's aus der Asservatenkammer der Polizei, die als Beweismaterial sichergestellt worden waren. Zwei hochrangige Polizisten wurden daraufhin lediglich versetzt.

 

Bei der Demontage des Wohnwagens von Andreas V. fand das Abrissunternehmen jetzt weitere CD's, die trotz der angeblich gründlichen Polizeidurchsuchung bisher nicht gefunden wurden.

"Pannen" bei den Jugendämtern?

Sicher versucht die große Mehrzahl der Beschäftigten bei Jugendämtern ihre Arbeit gut zu machen. Durch den fortschreitenden Personalabbau stehen sie oft erheblich unter Druck und können die wachsenden gesellschaftlichen Probleme individuell gar nicht auffangen. Haarsträubend sind dennoch die im konkreten Fall bekanntgewordenen "Pannen" bei den zuständigen Jugendämtern.

 

2016 informierte eine Jobcenter-Mitarbeiterin das Jugendamt Lippe über den Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Andreas V. Von dort ging die Meldung an das Jugendamt Hameln-Pyrmont. Noch am 30. Januar dieses Jahres leugnete das Jugendamt Lippe, dass es diesen Verdacht gegeben habe. Einen Tag später gab Amtsleiter Karl-Eitel John dies jedoch zu: "Wir kontrollieren nicht die Arbeit eines anderen Jugendamtes." In Hameln kam man wiederum zu dem Schluss, das "alles in Ordnung" sei.2

 

Der zuständige Landrat Tjark Bartels (SPD) aus Hameln räumte ein, dass eine Jugendamts-Mitarbeiterin kurz vor Beschlagnahmung der Akten durch die Staatsanwaltschaft einen Eintrag gelöscht hat, den die Ermittler allerdings rekonstruieren konnten. Daraus ging hervor, dass Andreas V. immer wieder "Kontakt zu jüngeren Mädchen" suchte und sie in ein "Abhängigkeitsverhältnis" zu bringen versuchte. Die Frau vom Jugendamt, die die Löschung zugab, wurde vom Dienst freigestellt.3

NRW-Minister wiegeln ab

Auffällig ist aber auch, wie von Seiten der nordrhein-westfälischen Landesregierung gemauert und verharmlost wird. Familienminister Joachim Stamp (FDP) warnt vor "Schnellschüssen".4 Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht von "individuellen Fehlern" und winkt schon mal ab, dass es möglich sei, alles aufzuklären: "Wir stehen vor Bergen von Daten, Bildern und Filmen, die da zusammenkommen. ... Und wir bekommen sie nicht ausgewertet, das ist die Wahrheit.“5

 

Stamp und Reul können aber nicht verhindern, dass die Empörung unter der Bevölkerung über die Verstrickung von Jugendamts-Mitarbeitern und Polizeibeamten wächst. Es wäre ohnehin nie so viel an die Öffentlichkeit gekommen, wenn nicht zahlreiche Menschen immer wieder ihre Beobachtungen mitgeteilt und darauf gepocht hätten, dass etwas geschieht.

 

Viele fragen sich zu Recht, ob es sich dabei nur um bodenlose Schlamperei und Blauäugigkeit handelt oder ob mehr dahinter steckt. Wie weit reicht der Kreis der Mittäter und Mitwisser der massenhaften sexuellen Gewalt an Kindern?

Zusammenhang zu faschistischer Gesinnung?

Möglicherweise geht es den Vorgesetzten und Ministern vor allem darum, Polizei und Jugendämter im Kreis Lippe von dem Verdacht der Vertuschung oder Verstrickung reinzuwaschen, weil dieser die gesamte Glaubwürdigkeit der "Ordnungs- und Jugendhüter" in Frage stellt. Das wäre genauso zu verurteilen.

 

Bekannt ist, dass sexuelle Gewalttäter gegenüber Kindern und an Kinderpornographie beteiligte Kriminelle nicht selten eine faschistische Gesinnung haben. So sind Faschisten wie Timo Brandt aus dem Umfeld der Terrorgruppe NSU oder Jörg Reger aus Marl, der Monika Gärtner-Engel (Hauptkoordinatorin der ICOR) wiederholt mit Mord bedrohte, des Besitzes von oder gar des Handels mit Kinderpornographie überführt.

Parallelen zu Belgien

Die Vorgänge wecken auch Erinnerungen an den Fall des belgischen Mörders und Sexualstraftäters Marc Dutroux und seiner Frau. Dutroux sagte im Prozess gegen ihn aus, dass er "nur" als Teil eines Netzwerks sexueller Gewalttäter gehandelt habe, die teilweise „höchste Protektion von ganz oben“ genießen würden.

 

Im Oktober 1996 beteiligten sich 300.000 Belgier am „Weißen Marsch“ durch Brüssel. Sie forderten unter anderem tiefgreifende Reformen bei der Justiz und Polizei. Geschehen ist seitdem wenig. Wie sich zeigt, wird auch in Deutschland nicht selten vertuscht und getrickst. Doch all diese Zusammenhänge müssen vollständig aufgeklärt werden!

 

Die MLPD fordert die strenge Bestrafung der Täter und Mitverantwortlichen. In ihrem Programm fordert sie: „Besonderer Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch!“ (Programm der MLPD, S.134)