Berlin - Ruhrgebiet

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Nahles geht, GroKo wackelt - MLPD fordert Neuwahlen

Im politischen Berlin überschlagen sich heute die Ereignisse. Nach offenen politischen Krisen in Griechenland, Österreich und Großbritannien vertieft sich in Deutschland die latente politische Krise. In der SPD eskaliert eine offene Parteienkrise. Gleichzeitig werden im Ruhrgebiet offene Massenentlassungen angekündigt. Die MLPD fordert in dieser Situation: Rücktritt der Bundesregierung und Neuwahlen.

Von Jörg Weidemann / Landesleitung NRW der MLPD
Nahles geht, GroKo wackelt - MLPD fordert Neuwahlen
Gabi Fechtner (MLPD) prognostizierte 2018 treffend, dass die Widersprüche innerhalb der Bundesregierung nicht gelöst seien (rf-foto)

Am heutigen Sonntagmorgen erklärte die Vorsitzende der SPD und Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Andrea Nahles ihren Rücktritt von beiden Ämtern. Es ist die dritte Kehrtwende in dieser Woche und für Andrea Nahles, die auch ihr Bundestagsmandat niederlegen will, die letzte.

 

Seit dem Verlust der Groko-Mehrheit mit desaströsen Einbrüchen bei den Europawahlen am vergangenen Sonntag befinden sich CDU und SPD in offenen Parteienkrisen. Zumindest in der SPD eskaliert sie heute zunächst unkontrollierbar. Diese Krisen sind Ergebnis der sich vertiefenden Vertrauenskrise in die bürgerliche Politik und besonders die Bundesregierung, die die MLPD schon seit den Bundestagswahlen 2017 analysiert. Mit der Europawahl ist sie offen ausgebrochen. Gestern wurden die Grünen bei der wöchentlichen Sonntagsumfrage erstmals stärkste Partei – noch vor der CDU. SPD und CDU verloren diese Woche weitere Prozentpunkte. Damit fehlt der großen Koalition jede Legitimation.

MLPD fordert Neuwahlen

Als vor nicht einmal einem Jahr - im Juli 2018 – die politische Krise in Berlin zuletzt offen ausbrach, forderte die MLPD bereits Neuwahlen. Der ultrareaktionäre Innenminister Horst Seehofer (CSU) erpresste damals Zugeständnisse zu seinem Rechtskurs mit Rücktrittsdrohungen. Die MLPD verteilte mehrere Hunderttausend Flugblätter mit der Forderung, nicht nur Seehofer, sondern die ganze Regierung müsse zurücktreten. Das wurde seinerzeit zur Massendiskussion. Dennoch konnte die Regierung den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen.

 

Aber Gabi Fechtner, die Vorsitzende der MLPD, prognostizierte damals, dass die Widersprüche nicht gelöst seien und über kurz oder lang wieder offen zu Tage treten werden. Das erleben wir in dieser Woche.

 

Nur Minuten nach dem Nahles-Rücktritt setzte eine Welle seichter Kommentare aus allen Berliner Parteien ein. Der SPD-Fraktions-Vize Karl Lauterbach sprach von "Frauenfeindlichkeit" gegenüber Nahles. Dietmar Bartsch (Linkspartei) jammert über die Brutalität der Politik und Sigmar Gabriel verordnet der SPD eine "Entgiftung". Man kann nur ahnen, was in der SPD diese Woche los war, wenn die nicht als zimperlich bekannte Nahles sich jetzt aus der Politik zurückzieht. Es handelt sich um eine neue Kulmination in der langanhaltenden Krise der Sozialdemokratie. Eine Krise die durchaus europaweiten Charakter hat.

 

Aber selbst wenn die SPD im Monatsrhythmus den Vorsitz wechselt, wird das ihr Problem nicht lösen. Es ist ihre Politik als Monopolpartei, die auf Ablehnung stößt, ihre pragmatische Weltanschauung, ihr Opfern der Zukunft der Jugend für die Unternehmensgewinne, was die Menschen nicht mehr wollen. Wenn heute führende SPD-Spitzen wie Olaf Scholz, Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Natascha Kohnen, Thorsten Schäfer-Gümbel und Ralf Stegner erklären: „Wir sind die Partei der Solidarität“ nimmt ihnen die überwiegende Mehrheit das einfach nicht mehr ab.

 

In schmallippigen, getrennten Statements äußerten sich heute die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Merkel vor der Presse. Sie beschwören den Erhalt der großen Koalition. Rückfragen waren nicht erwünscht. Denn auch die CDU-Vorsitzende wackelt nach der Europawahl. Nichts fürchten sie derzeit mehr als Neuwahlen.

 

Die CSU schickte gestern noch vergiftete Liebespfeile Richtung Nahles. Wenn CSU-Landesgruppenchef und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt seine Kollegin Nahles als „absolut verlässliche Partnerin“ adelt, gehen unter den Groko-Gegnern in der SPD erst Recht die Tassen hoch. Gleichzeitig warnt Dobrindt vor „Linksruck, Enteignungsfantasien und Sozialismusromantik“. Aber genau diese gesellschaftliche Debatte über den Kapitalismus und die notwendige Alternative Sozialismus/Kommunismus müssen jetzt auf die Tagesordnung.

Für die ganze Arbeiterbewegung wichtig

Solche Krisenentwicklungen wie in Berlin sind stets Vorboten kommender weitreichender qualitativer Veränderungen. In diesem Sinne muss die gesamte Arbeiterbewegung auf die Vorgänge im Ruhrgebiet beziehungsweise im Bergbau blicken. Dort ging gestern an einer nur scheinbar anderen Stelle ein Tabubruch durch die Medien: die betriebsbedingte Kündigung von 200 Bergarbeitern durch den RAG-Konzern.

 

Bereits bevor die bürgerlichen Medien gestern berichteten, informierte der Vortrieb, die Zeitung der kämpferischen Bergarbeiterbewegung, am 29. Mai die Kumpels und ihre Familien: "Damit darf die RAG nicht durchkommen! 200 Entlassungen geplant! Flutung des Giftmülls unter Tage hat begonnen. Das ist eine offene Massenentlassung, die wir nicht hinnehmen dürfen!“ Ein offener Bruch des Versprechens „Keiner fällt ins Bergfreie“, mit dem die Bergarbeiter seit ihrem letzten großen und erfolgreichen Streik 1997 vom Kampf abgehalten wurden.

 

Hier bahnen sich ebenfalls qualitative Veränderungen an. Denn in allen großen Konzernen sind Programme zur Vernichtung von Arbeitsplätzen angelaufen. Die RAG und der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE offenbaren, wohin die Reise geht:

 

Bei den Kündigungen wird selbst vor Schwerbehinderten und Inhabern des Bergmannversorgungsscheins nicht Halt gemacht, der einen besonderen Schutz der Bergleute vor Arbeitslosigkeit darstellte. Zuerst hat der Betriebsrat, dann das Integrationsamt, einfach der Kündigung von 71 Kollegen zugestimmt.

Die Haltung der Gewerkschaftsspitze

Eine offene Provokation ist das Verhalten von Michael Vassiliadis, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft IGBCE. Vassiliadis ist auch Mitglied der SPD. Passt irgendwie! Er hat keinen Finger krumm gemacht im Kampf gegen die Zechenschließungen. Er hat immer behauptet, Entlassungen würde es nicht geben. Jetzt geht er noch einen Schritt weiter und beschimpft diejenigen, die ihre Arbeitsplätze juristisch und mit anderen Mitteln verteidigen, als „fahrlässig“ und unsolidarisch“.

 

Die Rücksichtlosigkeit der RAG richtet sich nicht nur gegen die Bergleute, sondern gegen die Umwelt und die Bevölkerung. Die Flutung der Zeche Auguste Victoria in Marl wurde vor kurzem gegen einen breiten Widerstand der Bergleute und der Bevölkerung begonnen - und gegen alle Gutachten und noch ausstehende Gerichtsurteile. Bei Prosper will die RAG das jetzt sogar heimlich durchziehen. Mit der Flutung drohen die Vergiftung des Grundwassers und der Böden und damit eine regionale Umweltkatastrophe.

 

Die von den Bergleuten für den 15. Juni angekündigte Demonstration in Bottrop ist somit auch ein Anliegen der gesamten Arbeiterklasse - im Sinne  der Konzentration der Kräfte im Kampf gegen qualitative Veränderungen in der arbeiterfeindliche Politik von Monopolen und Regierung.

Die Massen müssen entscheiden

Die gesamte Arbeiterbewegung muss diese Vorgänge studieren und ihre Schlüsse ziehen. Stellt man den Zusammenhang her zwischen der Eskalation bei der SPD und der Entwicklung an den Zechen, bekommt man eine Ahnung, warum vor allem SPD-Funktionäre in den Gewerkschaften alles tun, um den Einfluss der MLPD zu unterdrücken, wo immer sie können. Tatsächlich ist es Zeit, sich neu zu binden, wenn alte Bindungen sich als Fehler erweisen.

 

 

Neuwahlen können die Probleme des Kapitalismus nicht lösen. Aber jetzt müssen die Massen entscheiden, wie es weitergehen soll, statt dass die große Koalition einfach ein paar Köpfe austauscht. Neuwahlen sind das richtige Feld einer massenhaften Zukunftsdebatte. Die MLPD und zweifellos auch das Internationalistische Bündnis sind dafür bestens aufgestellt.

 

Hier gibt es den Aufruf von Kumpel für AUF zur Demonstration am 15. Juni in Bottrop als pdf-Datei!