Rechtsentwicklung

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Bundestag peitscht das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ durch

Am vergangenen Freitag wurde im Schnellverfahren ein sogenanntes Migrationspaket mit insgesamt acht Gesetzen durch den Bundestag gejagt. Darunter auch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz aus dem Seehofer'schen Innenministerium. 359 Abgeordnete vor allem aus der großen Koalition stimmten dafür, 159 dagegen und 111 enthielten sich.

Von ba und jw
Bundestag peitscht das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ durch
Flüchtlingscamp in Afghanistan (Foto: ResoluteSupportMedia unter CC BY 2.0)

CDU/CSU stimmten komplett zu, ebenso die überwiegende Mehrheit der SPD und Teile der FDP. Der Antrag der Grünen und der Linkspartei, den Beschluss über das höchst umstrittene "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" noch einmal von der Tagesordnung zu nehmen, wurde von CDU, CSU und SPD abgeschmettert. Mit dem Beschluss über dieses Gesetzespaket dokumentiert die krisengeschüttelte Regierungskoalition vor allem eins: Sie will unbeirrt an der von den verschiedenen Monopolverbänden vehement geforderten Rechtsentwicklung festhalten und sie sogar verschärfen.

 

Seit Monaten sind die MLPD und ihr Jugendverband REBELL gemeinsam mit dem Internationalistischen Bündnis aktiv gegen dieses Gesetzesvorhaben. Die MLPD forderte mit der Internationalistischen Liste / MLPD bei der Europa-Wahl: "Schluss mit den Dublin-Abkommen! Asylrecht auf antifaschistischer Grundlage. Stoppt Frontex und andere militärische Abwehrmaßnahmen gegen Flüchtlinge. Rückbau von Grenzzäunen wie in Ceuta, Melilla und Bulgarien. Seenotrettung ist Menschenrecht und -pflicht. Keine EU-Auffanglager in Nord- und Zentralafrika". Der Freundeskreis Alassa Mfouapon unterstützt die Flüchtlinge der LEA in Ellwangen, die Opfer eines brutalen Polizeiüberfalls wurden.

 

Auch ein Bündnis von 22 Organisationen, darunter Anwalts- und Richtervereinigungen, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen, die Diakonie und die Caritas, Amnesty International, Pro Asyl und das Kinderhilfswerk, hatte bereits vor einigen Wochen in einem offenen Brief die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufgefordert, dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ die Zustimmung zu verweigern. Das Gesetz würde viele Flüchtlinge "dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, sie unverhältnismäßigen Sanktionen und einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe aussetzen", heißt es in dem Schreiben. Das hätte dramatische Auswirkungen für die Betroffenen, warnen die 22 Organisationen. Dass diese Warnungen nicht aus der Luft gegriffen sind, dokumentiert ein Vorfall vom vergangenen Freitag.

 
Das neue Gesetz war noch keine 24 Stunden alt, da wurde es offenbar bereits exemplarisch angewandt: gegen das 19. Internationale Pfingstjugendtreffen. Auf einer Autobahnraststätte in Bayern (dem Heimatland von Horst Lorenz Seehofer) wurde ein anreisender Bus gestoppt. Willkürlich und unter rassistischen Gesichtspunkten wurden die Mitfahrenden kontrolliert. Ein irakischer Kurde, Widerstandskämpfer gegen den faschistischen IS, wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen. Obwohl er kriegsverwundet ist, noch eine Kugel im Bein hat und dringend Asyl braucht, wurde seine Ausreise aus der EU (!) für den kommenden Montag angewiesen.

 

Vielleicht war dieses Vorgehen auch eine Antwort auf die Vorladung Seehofers zum Tribunal „Angeklagt – Gegen Fluchtursachen und reaktionäre Flüchtlingspolitik! Für das Recht auf Flucht und das Recht, die Welt zu verändern“. Es fand auf dem 19. Internationalen Pfingstjugendtreffen - wegen Seehofer penetranter Ignoranz - dann eben ohne seine Anwesenheit statt. Allerdings wurden seine Standpunkte in einem Videozusammenschnitt ausreichend dargestellt. Das Urteil war eindeutig. Die 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verurteilten - nach ausführlicher Befragung von rund 30 Zeugen und intensiver Beratung - die Bundesregierung, andere europäische Regierungen und die Verantwortlichen für die Fluchtursachen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Höchststrafe: Sie verpflichteten sich, sich in der einen oder anderen Weise gegen diese Rechtsentwicklung zusammenzuschließen und aktiv zu werden.

Minderwertiger Duldungsstatus

Das treffender als „Hau-Ab-Gesetz“ denn als "Geordnete Rückkehr" bezeichnete Gesetz sieht unter anderem einen minderwertigeren Duldungstatus vor. Geduldete Flüchtlinge, deren Abschiebung nicht vollzogen wird, müssen (falls ihre Identität unklar ist) künftig mit erheblichen Nachteilen rechnen. Sie dürfen ihren Wohnsitz nicht mehr frei wählen und erhalten keine Arbeitserlaubnis. Letzteres ist sonst nach sechs Monaten der Fall. Sie können sehr schnell in Haft kommen. „Dann könnte künftig jede [davon betroffene] Person im Ausreisegewahrsam landen“, erklärte Frank Gockel für die bundesweite Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“. Fluchtgründe, das Recht auf gerichtliche Überprüfung, gesundheitliche und weitere humanitäre Gründe sollen künftig keine Berücksichtigung mehr finden.

 

Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen und „als Gefahr gelten“, können künftig leichter in Haft genommen werden. Auch andere abgelehnte Asylbewerber können jetzt schnell in Haft genommen werden, wenn das Ausreisedatum um 30 Tage überschritten ist. Weil es angeblich dafür zu wenig Abschiebehaftplätze gibt, können sie vorübergehend auch in den normalen Strafvollzug gesperrt werden. Die Unterbringung mit normalen Strafgefangenen – ein Lieblingsprojekt von Innenminister Horst Seehofer - scheiterte allerdings. Die Flüchtlingen müssen in diesen Gefängnissen getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden. Damit wurde das europäische Rechte ausgetrickst, das die gemeinsame Unterbringung untersagt. Offenbar wollen sie eine große Zahl von Menschen in Abschiebehaft nehmen, wenn sie jetzt schon wissen, dass die Plätze dafür nicht reichen.

 

Statt bisher sechs müssen Flüchtlinge aus den angeblich sicheren Herkunftsländern bis zu 18 Monate in den "Ankerzentren" verweilen. Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land einen Status haben, haben künftig keinen Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland. Damit wird erneut das Menschenrecht einer Mindestsicherung zum Überleben mit Füßen getreten. Selbst anerkannten Asylbewerbern kann weiterhin eine Wohnsitzauflage erteilt werden. Das entsprechende Gesetz war befristet. Seit Freitag gilt es unbefristet.

Gesetz schafft italienische Zustände

Adelheid Gruber, eine Aktivistin aus dem Freundeskreis Alassa, hält das Gesetz für einen einzigen Skandal. "Hier wird jetzt Gesetz, was bisher schon praktiziert wurde. Zum Beispiel verliert die Wohnung von Geflüchteten den grundgesetzlichen Schutz, den Wohnungen normal haben", erklärt die Aktivistin gegenüber der Roten Fahne. "Schon bisher wurden Wohnungen durchsucht, aber das wird mit diesem Gesetz legalisiert. Es widerspricht der Menschenwürde, wenn Geflüchteten die Mittel zum Leben gestrichen werden. Viele kritisieren die Zustände für Flüchtlinge in Italien. Mit diesem Gesetz werden sie jetzt auch in Deutschland eingeführt. Der Fall von Alassa Mfouapon wurde von der CDU/CSU gezielt benutzt, um Stimmung für ihr Gesetz zu machen."

 

Tatsächlich ist das Gesetz die jetzt gesetzliche Fassung des bereits praktizierten rigorosen Vorgehens der Staatsmacht. So mit dem brutalen Polizeiüberfall vor gut einem Jahr auf die LEA in Ellwangen. Er war rechtswidrig, weil die Polizei keine Erlaubnis hatte, die Wohnungen zu betreten. Künftig braucht sie diese nicht mehr.

SPD hat allem zugestimmt

Anders als von der SPD behauptet, wurde das Gesetz in der Diskussion im Innenausschuss sogar noch verschärft. So erhalten Polizisten jetzt auch das Recht, Wohnungen von ausreisepflichtigen Asylbewerbern zu betreten und zu durchsuchen. Vor der Verabschiedung des Gesetzes in der Bundesregierung am 17. April spielte sich die SPD mit parlamentarischem Theaterdonner so auf, als hätte sie dem Entwurf der bösen CDU/CSU die Zähne gezogen. Doch die Änderungen waren nur Makulatur. „Das ist kein Verhandlungserfolg“, so Frank Gockel.


Heuchlerisch stellt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl das Gesetz nun so dar, als ob es nur um formale Veränderungen ginge: „Wir gestalten die Regeln zur Rückführung jetzt praktikabler.“ Und die SPD-Führung rechtfertigt ihre Zustimmung zu dem inhumanen Gesetz mit Erleichterungen, die man im Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe durchsetzen können. Als ob das gegeneinander ausgespielt werden könnte!

Umsetzung der Vorgaben der Monopolverbände

Tatsächlich bedeutet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz die willfährige Umsetzung von Forderungen aus den Unternehmerverbänden. Diese können künftig noch einfacher auf ausländische Fachkräfte zugreifen, Ausbildungskosten sparen und die Konkurrenz unter den Arbeitern erhöhen. So entfällt künftig der Nachweis, dass es für den Arbeitsplatz keine EU-Bewerber/innen gibt. Braindrain nennt man diese imperialistische Methode, anderen, meist neokolonial abhängigen Ländern die dort dringend benötigten Fachkräfte zu rauben.


Scheinbar gegen gravierende Verschlechterungen für die Massen aufzutreten, sie dann verharmlosen, und sie schließlich schönzureden und durchzusetzen – das ist genau die verlogene Politik, die von der große Masse der Menschen verachtet wird, und die die Krise der SPD und ihren schwindenden Masseneinfluss mitverursacht haben.

 

Aber: Zur Selbstkritik sind sie weder bereit noch fähig. Das Gesetzespaket belegt erneut ihre Eigenschaft als Dienstleister und Geschäftsführer der Monopole.


Dass die SPD-Fraktion diese weitere Entwicklung der Bundesregierung nach rechts mitträgt, wird die Krise der SPD weiter vertiefen. Ihre Zustimmung zu dem Gesetz stößt auch an der Basis der SPD auf wachsenden Widerstand. Noch am Montag hatten mehr als 100 SPD-Mitglieder an ihre Minister appelliert, das Gesetz abzulehnen. Aziz Bozkurt, der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt, erklärte im Vorwärts: „Das ist verfassungsrechtlich höchstbedenklich und menschenunwürdig“.


Auch von Serpil Midyatli, SPD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, dem Vorsitzenden der SPD in Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, der stellvertretenden Juso-Bundesvorsitzenden Katharina Andres, und den Jusos in Berlin, Göttingen oder der Oberpfalz kommt harsche Kritik. Der Entwurf trage „nach wie vor die menschenverachtende Handschrift von Heimatminister Seehofer“, sagt unter anderem die Berliner Juso-Landesvorsitzenden Annika Klose. Aber seit Freitag trägt es ebenfalls den Stempel der SPD-Fraktion.


Auch der CDU/CSU weht bei diesem Gesetz der Wind ins Gesicht. Neben Caritas und Diakonie gibt es viele christlich eingestellte Menschen und Organisationen, die dieses Gesetz ausgesprochen unchristlich finden. Die Widersprüche zu diesem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ vertiefen die Parteienkrisen bei der CDU und insbesondere bei der SPD.

Für eine konsequent internationalistische Flüchtlingspolitik steht die MLPD

Die demokratische Flüchtlingsbewegung braucht keine demokratischen Feigenblätter in den Monopolparteien, sondern eine konsequente und unbeirrbare Kraft, die den Kampf organisiert.

 

Nicht nur das Recht auf Flucht, sondern auch der Schutz von demokratischen Rechten geflüchteter Menschen, wie beispielsweise die freie Wahl des Wohnortes, ist der MLPD eine Herzensangelegenheit. Sie führt den Kampf darum als Teil des Kampfes gegen die gesamte Rechtsentwicklung der Bundesregierung und mit der Perspektive einer lebenswerten Zukunft in vereinigten sozialistischen Staaten der Welt.