Wahlen in Istanbul
Rückschlag für die faschistische Diktatur in der Türkei
Am Sonntag, den 23. Juni, wurde in Istanbul, der mit 16 Millionen Einwohnern größten Stadt der Türkei, die Bürgermeisterwahl wiederholt.
Als Gewinner aus der Bürgermeisterwahl in Istanbul geht der CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu mit 53,6 Prozent der Stimmen hervor. Auf den ehemaligen Regierungschef Binali Yildirim von der faschistischen AKP entfallen 45,4 Prozent – ca. 750.000 Stimmen weniger.
Das Ergebnis ist ein herber Rückschlag für den faschistischen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Bei der ersten Wahl im März hatte Imamoglu bereits einen offiziellen Vorsprung von etwa 14.000 Stimmen erreicht. Auf Geheiß Erdoğans annulierte die Wahlkommission jedoch das Ergebnis Anfang Mai wegen angeblicher "Regelwidrigkeiten".
Großer Erfolg für Erdoğan-Gegner
Erdoğan hatte darauf spekuliert, dass seine AKP bei einer erneuten Wahl mit einem deutlichen Vorsprung aus dieser hervorgeht. Diese Rechnung ging nicht auf und seine Massenbasis bröckelt weiter.
Das ist ein großer Erfolg des wachsenden Wunschs nach Beseitigung der faschistischen AKP-Diktatur. Mit der Annullierung der ersten Wahl in Istanbul zeigte diese ein weiteres Mal ihr wahres Gesicht. Das hat viele Menschen erst recht gegen Erdoğan aufgebracht. Dieser beglückwünschte Imamoglu notgedrungen nach der Wahl, was Ausdruck seiner Defensive ist.
Dass die sozialdemokratische, bürgerlich-nationalistische CHP diesmal so viele Stimmen erhielt, liegt weniger daran, dass die Menschen sie aus Überzeugung wählten. Dahinter steckt vor allem das taktische Motiv, die faschistische Allianz aus MHP und AKP abzuwählen. Die fortschrittliche HDP und andere kleinere Parteien, die bei der letzten Wahl noch Kandidaten aufstellten, verzichteten diesmal darauf.
Wahlergebnis "Neuanfang"?
Imamoglu sagte direkt nach der Wahl: "Das ist kein Sieg, sondern ein Neuanfang." Die Istanbuler hätten den "Ruf der Demokratie verteidigt“. In der Stadt werde es nun "Gerechtigkeit, Gleichheit, Liebe und Toleranz geben".¹
Hinter der CHP stehen jedoch ebenfalls Teile des Monopolkapitals in der Türkei, die im Unterschied zu den Erdoğan unterstützenden Kreisen die Rückkehr zu einer bürgerlich-demokratischen Herrschaftsform befürworten. So notwendig bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten für die Arbeiterbewegung sind, "Gerechtigkeit, Gleichheit und Toleranz" für die breiten Massen sind von einer bürgerlich-demokratischen CHP-Regierung ebenfalls nicht zu erwarten.
Faschistische Unterdrückung geht weiter
Noch setzen die maßgeblichen Kreise der Herrschenden in der Türkei auf die faschistische Diktatur. Auch während der angeblich „demokratischen“ Wahl in Istanbul wurden weiter Menschen verhaftet. Zehntausende sitzen seit Jahren in türkischen (Folter-)Gefängnissen. Viele von ihnen, ohne überhaupt den Grund ihrer Verhaftung zu erfahren, geschweige denn einen Prozess zu erhalten, wie er in einer bürgerlichen Demokratie üblich ist. Anklagegründe werden künstlich konstruiert.
So wird gegenwärtig gegen 16 Aktivisten Anklage erhoben, die die Gezi-Park-Proteste 2013 „gesteuert und finanziert“ haben sollen - mit dem Ziel, die „Regierung ganz oder teilweise zu stürzen“.³
Erdoğan behält sich repressive Schritte vor
Erdoğan sprach auch nur von "inoffiziellen Ergebnissen" der Wahl, um sich den Spielraum für weitere administrative Maßnahmen offenzuhalten. Auch hatte er im Vorfeld mit strafrechtlichen Ermittlungen gegen Imamoglu wegen angeblich beleidigender Äußerungen gedroht, die dieser jedoch bestreitet.
Um die faschistische Erdoğan-Diktatur zu beseitigen, kommt es entscheidend auf den Kampf der Arbeiterinnen, Arbeiter und breiten Massen an. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist der Aufbau einer breiten antifaschistischen Einheitsfront.
Zunehmende wirtschaftliche Probleme
Die Vorzeichen einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise mehren sich, was die zwischenimperialistischen Widersprüche erheblich verschärft und Erdoğan in Zugzwang bringt. Dazu Ibrahim Kücük, Erfurter Direktkandidat der Internationalistischen Liste/MLPD zur Landtagswahl in Thüringen: „Erdoğan wird weiter die Politik des 'starken Sultans' betreiben. Der türkische Kauf des Waffensystems S-400 aus Russland passte den USA nicht, die innerhalb der NATO Druck machten und mit Sanktionen gegen die Türkei drohen. Gleichzeitig fordert Katar seine Milliarden-Kredite an die Türkei zurück. Der Spielraum für dämpfende Reformen schwindet.“
Die türkische Wirtschaft ist im vierten Quartal 2018 um drei Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geschrumpft⁴ und die Arbeitslosenquote stieg auf 14,7 Prozent - den höchsten Stand seit zehn Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg seit 2005 mit 26,7 Prozent auf den höchsten Stand.⁵ Das fordert die Kämpfe der Arbeiterklasse und der Jugend um ihre Zukunft weiter heraus.
Revolutionäre Kräfte weiter stärken
Es ist sehr wichtig, dass in dieser Auseinandersetzung die revolutionären, antiimperialistischen und antifaschistischen Kräfte in der Türkei weiter gestärkt werden und damit die sozialistische Perspektive im antifaschistischen Kampf.
Die revolutionäre Weltorganisation ICOR⁶ wird sie dabei nach aller Kraft unterstützen - auch als ein Beitrag zum Aufbau einer internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront.