Produktionsrückgang

Produktionsrückgang

Autoindustrie: Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise

Die weltweite Pkw-Produktion ist 2018 um 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, von 73,5 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2017 auf nur noch 70,5 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2018.

Von dg
Autoindustrie: Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise
Ein Arbeiter im Oakville-Produktionswerk von Ford in den Kanada (Foto: Ford Motor Company / Flickr)

Das ist ein Minus von drei Millionen Fahrzeugen, mehr als Daimler oder BMW im Jahr überhaupt herstellen. Die weltweite Produktion von Nutzfahrzeugen ist dagegen 2018 um 5,4 Prozent gestiegen.


In China, dem größten Autoproduzenten und Absatzmarkt der Welt, sank die Pkw-Produktion 2018 um 5,2 Prozent auf 23,5 Millionen Fahrzeuge, ein Minus von 1,3 Millionen Fahrzeugen.1 Dieser Rückgang setzt sich 2019 fort. In China wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 15,2 Prozent weniger Pkw neu zugelassen als in den gleichen Vorjahresmonaten, in Indien 8,9 Prozent weniger.2 In der Türkei brach die Pkw-Produktion in den Monaten Januar bis April 2019 sogar um 14 Prozent ein.3

Konkurrenzkampf verschärft sich

In Deutschland ging die Pkw-Produktion 2018 um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück, das waren 525.175 Fahrzeuge oder die Produktion von zwei Automobilwerken weniger. In den Monaten Januar bis Mai wurden 10 Prozent weniger Pkw produziert als im Vorjahr, die Exporte sanken um 12 Prozent.
Diese Einbrüche insbesondere in China, Indien und Deutschland sind Vorboten des Ausbruchs einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise und verschärfen zugleich den internationalen Konkurrenzkampf um einen enger werdenden Weltmarkt.

 

In den Automobilbetrieben hat das schon jetzt weitgehende Auswirkungen. So will Ford in Europa 12.000 seiner 50.000 Arbeitsplätze vernichten. Sechs europäische Werke sollen geschlossen oder verkauft werden. Angeblich machte der Konzern in Europa im letzten Jahr 400 Millionen US-Dollar Verlust.4 2017 hatte Ford in Europa noch einen Gewinn von 367 Millionen US-Dollar ausgewiesen. Woher dieser plötzliche Umschlag?

Arbeiter verantwortlich für "Verluste"?

Ford begründet das mit „höheren Kosten“ und „schlechteren Wechselkursen“ im Jahr 2018. Wenn Ford in dem einen Jahr wegen der Schwankungen der Wechselkurse umgerechnet mehr und in dem anderen Jahr weniger US-Dollar für einen Euro erhält, sind dafür aber nicht die Arbeiter verantwortlich. Schon gar nicht produzieren sie „Verluste“.

 

Denn sie sind es einzig und allein, die mit ihrer Arbeit auf der Grundlage der Naturstoffe Mehrwert schaffen und den internationalen Übermonopolen zu einem immer größeren Reichtum verhelfen.

Arbeitsplätze "sicherer" durch Stellenabbau?

Auf der Betriebsversammlung bei Ford in Köln am 25. Juni versuchte die Geschäftsleitung den Anwesenden weiszumachen, dass die Vernichtung von 20 Prozent aller Arbeitsplätze notwendig sei, um die restlichen 80 Prozent zu "sichern". In ihren Redebeiträgen gingen mehrere Kolleginnen und Kollegen auf die Verlogenheit dieser Versprechungen ein, die schon vor allen vorangegangenen Arbeitsplatzvernichtungsprogrammen gemacht wurden.

 

Die Arbeiter müssen von ihren Forderungen im Interesse des Erhalts der Arbeitsplätze und des Umweltschutzes ausgehen und von den Zukunftsinteressen der Jugend, die beides dringend braucht.

"Ausgewogen" oder "alles nur für den Profit"?

VW hatte mit dem Betriebsrat schon 2016 einen „Zukunftspakt“ verabschiedet. Er sieht vor, weltweit 30.000 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 zu vernichten, davon 23.000 in Deutschland. Mit dem Programm sollen die Profite um 3,7 Milliarden Euro im Jahr gesteigert werden, um sich für den „härteren Wettbewerb“ zu rüsten. Noch ist es nicht zu Ende, da sollen in den nächsten fünf Jahren weitere 5.000 bis 7.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Unter anderem durch die Verbesserung von „Routineaufgaben“ soll der Gewinn um 5,9 Milliarden Euro jährlich gesteigert werden.5

 

Im Werk Wolfsburg hat der Betriebsrat dazu einer Produktivitätssteigerung von 25 Prozent bis 2023 zugestimmt. Kein Wunder, dass der VW-Vorstand das vereinbarte Paket als „ausgewogenes Programm“ lobt. „Ausgewogen“ für VW, zur Sicherung seiner Position als Weltmarktführer und zur Dämpfung der Klassenwidersprüche. „Das bedeutet eine Steigerung der Ausbeutung um 25 Prozent. Wir gehen heute schon auf dem Zahnfleisch. Und alles nur für den Profit von VW", so eine Kollegin vom Band.

 

Auch die Automobilzulieferer planen weitgehende Einschnitte. Schaeffler will bis zu 21.000 Stellen streichen. Dagegen hatten am 28. Juni Tausende von Beschäftigten an allen 26 Schaeffler-Standorten protestiert.6

Mehrere Krisen wirken gleichzeitig

Die Folgen des Absatzrückgangs auf wichtigen Märkten durchdringen sich mit den Folgen verschiedener Strukturkrisen: einer schon länger wirkenden Strukturkrise auf der Grundlage der Neuorganisation der internationalen Produktion, einer neuen Strukturkrise aufgrund der Digitalisierung von Produktion, Handel, Kommunikation und Gesellschaft und einer sich ebenfalls erst abzeichnenden Strukturkrise aufgrund der Umstellung auf die Elektromobilität.

 

Für die Digitalisierung der Automobilproduktion und die Einführung der E-Mobilität benötigen die Autokonzerne große Mengen an Kapital. Dieses wollen sie aus den Belegschaften herauspressen. Die Konzerne planen dazu umfassende Änderungen ihrer Strukturen und haben Tausende von Arbeitsplätzen auf die Abschussliste gesetzt. Eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen, die erst am Anfang steht.

Folgen des kriminellen Abgasbetrugs

Die Leiharbeiter trifft es aufgrund ihrer eingeschränkten Rechte besonders hart. Daimler hat in Untertürkheim in den letzten fünf Monaten fast 700 Leiharbeiter entlassen. Allerdings musste der Konzern 9.000 Leiharbeiter seit 2005 fest übernehmen.7 Das ist eine Folge des wachsenden Zusammenhalts von Leih- und Stammarbeitern und ihres gemeinsamen Kampfes.

 

Nicht zuletzt werden die Folgen des kriminellen Abgasbetrugs immer weiter auf die Belegschaften abgewälzt. Weiterhin werden neue empörende Details über die Dimension und Kaltschnäuzigkeit dieses Betrugs bekannt. So hat Audi das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch mehr als zwei Jahre nach der Aufdeckung des Abgasbetrugs in den USA betrogen und das wahre Ausmaß der Abgasmanipulation in Europa verschleiert. Der Konzern hat nicht nur eigene Erkenntnisse über verbotene Software in den Fahrzeugen zurückgehalten, sondern auch Dokumente manipuliert und Messergebnisse kritischer Fahrzeuge vertuscht.

 

Der massive Belegschaftsabbau von VW dient auch der Abwälzung der Lasten für den verbrecherischen Diesel-Betrug auf die Beschäftigten. Der „Spiegel“ bezifferte die damaligen Strafzahlungen für VW in den USA auf 21 Milliarden US-Dollar – eine Ende ist bisher nicht erreicht.8

Für Arbeitsplätze und Umweltschutz

Die massenhafte Beteiligung von Automobilarbeitern an der IG-Metall-Kundgebung mit insgesamt 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 29. Juni in Berlin war nicht nur Ausdruck ihrer großen Sorge um die Zukunft, sondern auch der zunehmenden Verarbeitung der Spaltungsmethode, Arbeitsplätze gegen Umweltschutz auszuspielen.

 

Große Einheit herrschte unter den Beteiligten, dass es Zeit ist, sowohl für die Arbeitsplätze als auch für den Schutz der Umwelt zu kämpfen. Allerdings unterschätzen viele Kolleginnen und Kollegen noch die Dimension der Folgen der verschiedenen Strukturkrisen und die mit den offenen Handelskriegen sich verschärfende imperialistische Kriegsgefahr (mehr zu der Kundgebung in Berlin).

MLPD "zu klein"? Das kann geändert werden?

In der letzten Ausgabe des "Vorwärtsgang", einer Zeitung von Kollegen für Kollegen in den deutschen VW-, Audi-, Porsche- und MAN-Werken, wird die Schlussfolgerung gezogen: "Wie viel vom 'Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen' zu halten ist, sehen wir gerade im Bergbau. ... Die Altersteilzeit gibt es nur noch, wenn dafür 'Personal-, Finanz- und Produktivitätsziele erreicht werden'. ... Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen und stehen zu unseren erkämpften Rechten. Leiharbeiter und 'Stammer' sind eine Belegschaft. ...

 

Der Vorstand und das Top-Management sind allerdings sehr nervös, sobald kritische Meinungen öffentlich werden und wir kämpfen. Wir brauchen mehr internationale Vernetzung und Austausch, wofür die 2. Internationale Automobilarbeiterkonferenz in Südafrika ein Höhepunkt sein wird. ... Viele kennen das Internationalistische Bündnis und die MLPD ... durch persönliche Kontakte im Betrieb und viele Gespräche und Flugblätter vor dem Tor. Öfter war zu hören: 'Was ihr macht, ist gut für die Arbeiter und Umwelt, aber ihr seid noch zu klein.' Doch das kann geändert werden. Bereits beim Wahlkampf wurden viele neue Interessenten und Mitglieder gewonnen."