Russland
„Die Proteststimmung in der Gesellschaft wächst“
Am 8. September fanden in vielen Städten und Regionen Russlands Wahlen teil.
Das Ansehen der Regierungspartei „Einheitliches Russland“ war bei den Wahlen am 8. September so in den Keller gerutscht, dass die meisten ihrer Kandidaten sich als „unabhänig ausgaben. So auch in Moskau, wo es zum Stadtparlament offiziell keinen einzigen Kandidaten dieser Partei gab. Trotzdem erhielt sie mit diesem Trick 25 der 45 Sitze. Im Durchschnitt nahmen an den Wahlen offiziell nur 41 Prozent der Wahlberechtigten teil.
Hier ein Bericht von einem Genossen der MLP (Marxistisch-Leninistische Plattform, Mitgliedsorganisation der ICOR¹)
Die Wahlen zur Moskauer Stadtduma endeten mit einem wichtigen Ergebnis. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung im Jahr 1993 (bis dahin wurde die Moskauer Stadtverordnetenversammlung Sowjet genannt) verlor die regierende Partei ihre bisher unbestrittene Zweidrittelmehrheit. In allen Jahren vorher konnte der Präsident, das Wahlgesetz, der Name der Regierungspartei und der Bürgermeister von Moskau ausgewechselt werden, aber unverändert hatte die Regierungspartei in der Moskauer Duma mehr als 90 Prozent der Sitze, die Opposition nicht mehr als 3 bis 5 Prozent.
In der neuen 45-sitzigen Moskauer Stadtduma hat Putins Partei „Einheitliches Russland“ nur 25 Sitze, während der Rest von der sogenannten System-Opposition gewonnen wurde, die im Föderationsparlament vertreten ist. Die KPRF (Kommunistische Partei der Russischen Föderation – aus der früheren KPdSU hervorgegangene revisionistische Partei – die Redaktion) gewann 13 Sitze, die Mitglieder der Liberalen Partei „Jabloko“ weitere drei Sitze, ebenfalls drei Sitze erhielten Vertreter der linkszentralistischen Partei „Gerechtes Russland“. Das Wahlergebnis wurde durch zwei Faktoren bestimmt. Das ungewöhnlich brutale Auseinanderjagen der Protestdemonstrationen, die in der zweiten Sommerhälfte sonntags in Moskau stattfanden.
Deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer protestierten gegen die Nichtzulassung vieler Kandidaten der liberalen Opposition zur Wahl, was formal begründet wurde. Der zweite Faktor, der das Ergebnis der Moskauer Wahlen beeinflusste, war die Kampagne "Kluge Wahl", die von Anhängern des Führers der außerparlamentarischen liberalen Opposition, Alexej Navalny, organisiert wurde. Er rief dazu auf, den Kandidaten zu wählen, der nicht mit der Macht verbunden ist und der die größte Erfolgschance hat. In den meisten Fällen waren das die KPRF-Kandidaten.
Dabei ist anzumerken, dass nur 21 Prozent der Wahlberechtigten an den Moskauer Wahlen teilgenommen haben. Die Mehrheit der Bürger der Stadt sieht in diesen Wahlen keinen Sinn, und Moskauer mittleren Alters bevorzugen, ein warmes Wochenende in einer Datscha zu verbringen. Das Wahlergebnis wurde von Jugendlichen sowie Rentnerinnen und Rentnern bestimmt, von der modischen Jugend, die Nawalny unterstützt, und von alten Menschen, die traditionell Gennadi Sjuganow (Vorsitzender der KPRF) und seine Partei wählen.
Es muss gesagt werden, dass der erste Sonntag im September und der erste Sonntag im März nach russischem Wahlrecht einheitliche Wahltage sind, und alle Wahlen im Land an diesen beiden Tagen stattfinden. Am 8. September fanden neben Moskau auch Wahlen in 85 weiteren Regionen Russlands statt. Die KPRF hat praktisch an keinem Ort den Moskauer Erfolg wiederholen können. Darüber hinaus wurden in der Region Chabarowsk im Fernen Osten 56 Prozent der Stimmen bei den Regionalwahlen von Wladimir Schirinowskis LDPR (Liberale Demokratische Partei Russlands), die mit der AfD in Deutschland vergleichbar ist, gewonnen.
Die KPRF belegte mit 17 Prozent den zweiten Platz und „Einiges Russland“ erhielt nur 12 Prozent. Dies war das Ergebnis der aggressiven antimigrantischen und antichinesischen Kampagne des LDPR. Wir haben keine genauere Information über die Situation dort. Wir kennen in Chabarowsk niemand, die meisten linken Gruppen haben dort keine Gruppe. Nur Gruppen der KPRF gibt es dort.
Dennoch zeigen die Ergebnisse insgesamt eines: die Proteststimmung in der russischen Gesellschaft wächst. Die Menschen sind unzufrieden mit Putins volksfeindlicher Rentenreform, Autoritarismus, Korruption und aggressiver Außenpolitik. Und selbst Manipulationen und Fälschungen bei Wahlen können diese Stimmung nicht verbergen.