Arbeitszeit
30 Jahre nach dem Mauerfall - Gesamtmetall will Ost-West-Spaltung zementieren
In der Nacht von Montag auf Dienstag, 30. September auf 1. Oktober, wurden die Verhandlungen in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie über eine Angleichung der Arbeitszeit erneut ergebnislos abgebrochen.
In der Tarifrunde 2018 für die ostdeutsche Metall- und Elektroindustrie beteiligten sich Zehntausende Kolleginnen und Kollegen in Ost und West an Warnstreiks, Kundgebungen und Solidaritätsaktionen für die überfällige Angleichung. Das war auch eine Schlussfolgerung aus dem Abwürgen des großen Streiks 2003 durch die rechte IG-Metall-Führung. Die Metaller wollten damit ein Signal ihrer Entschlossenheit zur Durchsetzung gleicher Arbeitsbedingungen in Ost und West setzen.
Die MLPD und ihre Betriebsgruppen beteiligen sich an diesem Kampf seit Jahrzehnten aktiv. Das war bereits beim ersten gewerkschaftlichen Streik für die Angleichung der Arbeitszeit 1993 so sowie erneut 2003 und 2018.
Voller Lohnausgleich ist nötig
Um einen harten Kampf für die Angleichung der Arbeitszeit zu vermeiden, unterzeichneten die Unternehmerverbände in verschiedenen Ost-Bezirken als Bestandteil des Verhandlungsergebnisses 2018 eine sogenannte Gesprächsverpflichtung mit der IG-Metall-Führung. Seit über einem Jahr laufen nun die Verhandlungen bei geltender "Friedenspflicht" außerhalb einer Tarifrunde. Die IG-Metall-Führung bot sogar – ohne Verhandlungsmandat der Metaller – einen „Stufenplan“ zur Einführung der 35-Stunden-Woche bis 2030 an.
In ihrem Verhandlungsangebot war auch eine mögliche „Kostenkompensation“ für die Verkürzung der Arbeitszeit enthalten. Das geht überhaupt nicht! Schließlich werden die Lebenshaltungskosten der Arbeiterinnen und Arbeiter auch bei kürzerer Arbeitszeit um keinen Cent billiger. Und Mitleid mit den Metall-, Automobil- und Elektrokonzernen brauchen sie auch nicht zu haben. Die haben ihre Maximalprofite auf Kosten der Belegschaften auf Rekordhöhen gesteigert.
"In ganz Deutschland mobilisieren"
Trotz der "Kompensations"-Angebote war der Kapitalistenverband Gesamtmetall - der die regionalen Verhandlungsführer dirigierte - zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Gesamtmetall will angesichts der sich verstärkenden weltweiten Krisenerscheinungen die Spaltung der Arbeiterinnen und Arbeiter in Ost und West um jeden Preis aufrechterhalten.
Die IG-Metall-Führung orientiert nun auf betriebliche Verhandlungen. Das würde aber die Einheit der Metallarbeiterinnen und Metallarbeiter zersplittern. Die Metallerinnen und Metaller in den ostdeutschen Betrieben haben die Behandlung als „Arbeiter zweiter Klasse“ satt. Dazu ein Arbeiter aus einem ostdeutschen Metallbetrieb:
"Meine Kollegen und ich sind stinksauer, dass wir dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch nicht die gleichen Löhne und Arbeitszeiten haben. Da werden morgen wieder Sonntagsreden geschwungen, davon haben wir nichts. Vom 'Häuserkampf', wie ihn jetzt die IG Metall vorschlägt, halte ich nichts. Die IG Metall müsste jetzt in ganz Deutschland die Metaller mobilisieren!"
Dazu muss am besten der geltende Tarifvertrag aufgekündigt und die "Friedenspflicht" beendet werden. Notwendig ist gleichzeitig ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht in ganz Deutschland.
MLPD für deutschlandweit einheitliche Tarifverträge
Tassilo Timm, einer der Spitzenkandidaten der Internationalistischen Liste / MLPD zur Landtagswahl in Thüringen, erklärt: "Die MLPD ist die einzige Partei, die konsequent für die Arbeiterinteressen in Ost und West eintritt. Schon 1984 war sie mit vorne dabei, als die Metaller in Westdeutschland einen Stufenplan zur Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erkämpften. Ihre Vorläuferorganisation KABD hat diese Forderung schon in den 1970er-Jahren als erste politische Kraft aufgestellt und in den Gewerkschaften dafür eine systematische Überzeungsarbeit geleistet.
Es ist ein Skandal, dass 35 Jahre später die 35-Stunden-Woche immer noch nicht in ganz Deutschland gilt. Die MLPD fordert deutschlandweit einheitliche Tarifverträge gegen die Spaltung in Ost und West. Wir treten ein für die Entfaltung der vollen gewerkschaftlichen Kampfkraft. Die Internationalistische Liste / MLPD wird das in ihrem Wahlkampf in Thüringen überall zum Thema machen."
Es geht um die Interessen der gesamten Arbeiterklasse
Die Auseinandersetzung hat Bedeutung für die Arbeiter in ganz Deutschland und für alle Gewerkschaften. Geht es doch darum, ob es den Monopolen gelingt, sich mit ihrem Kurs einer verschärften Abwälzung der Krisenlasten gegenüber der Arbeiterklasse durchzusetzen. Das, was Gesamtmetall jetzt in Ostdeutschland durchexerzieren will, reiht sich in zunehmende und weitreichende Angriffe auf die Belegschaften ein.
Dafür stehen Pläne zur massenhaften Arbeitsplatzvernichtung in der Automobilindustrie, in der nordrhein-westfälischen und saarländischen Stahlindustrie, bei den Banken oder jetzt auch bei den von Insolvenz betroffenen Tourismuskonzernen wie Neckermann. Der RAG-Konzern ging gegenüber den Bergleuten bereits zu offenen Massenentlassungen über. Ähnliche Pläne gibt es bei Thyssenkrupp, BASF, Opel und Ford.
Das lässt jahrelang gehegte Illusionen in "sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau" platzen und die Auseinandersetzungen unter den Belegschaften über notwendige Kampfmaßnahmen kulminieren. Dabei geht es auch darum, den Kampf für soziale Forderungen nicht gegen das Eintreten für Sofortmaßnahmen zum Umweltschutz ausspielen zu lassen - wie für die Umrüstung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe in Verbindung mit der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen.
30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich auf der Tagesordnung
Dafür spielt auch die Auseinandersetzung um die offensive Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich eine zentrale Rolle. In ihrer Flugblattreihe „Klartext: Die MLPD nimmt Stellung“ schreibt die MLPD dazu unter anderem:
„Der Beweis, dass Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze erhält oder sogar neue schafft, wurde nach Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009 erbracht: durch massenhafte Kurzarbeit wurden rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze erhalten. Allerdings wurde diese Arbeitszeitverkürzung auf Kosten der Masse der Beschäftigten durch Lohnabzüge und auf dem Umweg über die Sozialkassen beglichen. Die Konzerne dagegen sparten Lohnkosten, Gelder für Sozialpläne und Kosten für Wiedereinstellungen. ... Mit dem Kampf für Arbeitszeitverkürzung muss auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit eingeschränkt und die Wochenend- und Schichtarbeit verringert werden, die in vielen Familien zu enormen Belastungen führt.“
Die Solidarität mit dem Kampf der ostdeutschen Metaller für gleiche Arbeitszeit und höhere Löhne wird ein wichtiges Thema auch auf der Bundesweiten Herbstdemonstration morgen in Erfurt sein (alle Infos zur Herbstdemonstration).