Tag X
Hundertausendfach: Hände weg von Rojava!
Gestern demonstrierten Hundertausende Menschen gegen den faschistischen Überfall der neuimperialistischen Türkei auf Nordost-Syrien (Rojava). Dort verteidigen sich die Syrisch-demokratischen Kräfte heldenhaft gegen die militärisch überlegene türkische Armee. Eine richtige Kulmination im Widerstand gegen den Imperialismus.
Der Tag X markiert ein sprunghaftes Wiedererstarken der weltweiten Solidaritätsbewegung mit dem kurdischen Befreiungskampf. Die kurdische Bewegung und die revolutionäre Weltorganisation ICOR hatten schon länger die Initiative zum Tag X ergriffen und ihre Mitgliedsorganisationen auf allen Kontinenten darauf vorbereitet, gemeinsam mit vielen anderen. In Rekordzeit wurde eine ICOR-Resolution gegen den Überfall verabschiedet. (Hände weg von Rojava!).
In Kürze
- In mindestens 6o deutschen Städten Aktionen - weltweit Hunderttausende auf den Straßen
- Die revolutionäre Weltorganisation ICOR rief zu weltweiten Protesten zum Tag X gemeinsam mit den kurdischen Organisationen
- Die türkische Invasion ist international isoliert und die Imperialisten tief zerstritten
In vielen europäischen Ländern gab es Proteste: So in der Schweiz, wo sich in vielen Städten Hunderte von Menschen solidarisierten. Im italienischen Neapel und im spanischen Barcelona blockierten Aktivisten am Flughafen den Check-in der türkischen Staats-Airline. Bis in die Kaukasusrepublik Adygeja gab es Proteste, auch in der Türkei selbst. Dort kam es daraufhin umgehend zu Verhaftungen.
Neue Qualität der internationalistischen Bewegung
In Deutschland ergriff der kurdischen Dachverband Kon-Med mit anderen die Initiative. Die ICOR-Partei MLPD gehörte gemeinsam mit dem Internationalistischen Bündnis am Tag X an vielen Orten zu den Hauptinitiatoren.
In mindestens 60 Städten gab es in Deutschland Proteste, an vielen hatten die MLPD und das Internationalistische Bündnis dazu aufgerufen. Sie prägten oft den Stil mit, dass man sich an die breite Masse der Bevölkerung in Deutschland wendet usw. Allein in Berlin 4000 bis 5000 oder 2000 in Essen¹. In den vielen Städten waren die Kundgebungen mit Demonstrationen verbunden.
Insgesamt mehrere Zehntausend Menschen waren solidarisch mit den gerechtfertigten Anliegen der Selbstverteidigung der SDF. Sie unterstützen den demokratischen, fortschrittlichen Aufbau in Rojava und es gibt lebhafte Diskussionen über pazifistische Illusionen. Die Bewegung richtet sich zunehmend gegen alle imperialistischen Mächte.
So waren gestern Friedensinitiativen, an verschiedenen Orten auch Teile der Linkspartei, anarchistische Kräfte, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, das Internationalistisches Bündnis, die MLPD, Jugendverbände wie der REBELL, Studierenden-Organisationen und natürlich die kurdische Bewegung gemeinsam auf der Straße. Das Vertrauensverhältnis untereinander und die gleichberechtigte Arbeit haben sich gefestigt und es wurde mit einem Fahnenmeer demonstriert. Insgesamt herrschte eine kämpferische, aufgewühlte und tiefgehende, entschlossene Stimmung unter den Protestierenden.
An vielen Orten wurde auch der Opfer des faschistischen Anschlages in Halle gedacht. Egal ob türkische, deutsche oder andere Faschisten, wir leisten ihnen Widerstand überall, so der einhellige Tenor. In Gelsenkirchen zogen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der Aktion noch zur jüdischen Synagoge um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Korrespondenten berichten
„Die Stimmung war kämpferisch und wütend. Einmütig wurde auch die windelweiche Rolle der Bundesregierung angegriffen, deren Kritik leisetreterisch und scheinheilig ist, weil sie in Wirklichkeit Erdogans Politik sogar unterstützt, indem sie ihn aufrüstet.“ (Essen).
„Angespannte Stille als Namen ermordeter Zivilisten vorgelesen und eine Schweigeminute eingelegt wurde. Eine Stille, die sich dann in wütenden Parolen gegen Erdogan, den völkerrechtswidrigen Einmarsch in Rojava und gegen die Unterstützung Erdogans durch die Bundesregierung entlud.“ (Dortmund)
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich sicher, dass der weltweite Protest weiter wächst, dass er Wirkung zeigen wird und wir einen langen Atem brauchen. Klarheit, Mut, Entschlossenheit, eindeutige Positionierung werden uns in diesem Widerstand weiter verbinden.“ (Gelsenkirchen)
Nur in zwei Städten wurde versucht, gegen die Fahnen der kurdischen Volksverteidigungskräfte YPG vorzugehen, die Teil der SDF sind. Aber sowohl in Essen wie in Köln wurde das Mitführen der Fahnen durchgekämpft, auf der Grundlage eines in Gelsenkirchen erstrittenen Urteils.
Hier geht es zum Bildreport vom Tag X und hier zum Schwerpunkt Rojava mit allen Artikel und Korrespondenzen zum Thema
Vereinzelt: Entsolidarisierung
Liquidatoren und Spalter hatten keinen Spielraum und traten nur vereinzelt in Erscheinung, wie in Kassel wo Vertreter der Interventionistischen Linken gegen die Fahne der MLPD motzen. Sie wurden von den kurdischen Ordnern daraufhin weggeführt. In verschiedenen Städten überlegen sich die Menschen, ob jetzt nicht der konsequenteste Schritt ist, die revolutionäre Arbeiterpartei MLPD zu stärken und Mitglied zu werden.
Weiter brutalstes Vorgehen der türkischen Okkupationsarmee
Bisher dringen die türkischen Bodentruppen, der Proteste ungeachtet, in vier Säulen in Rojava vor und stoßen auf heftigen Widerstand. Ihr Ziel ist die Städte Ras al-Ain und Tall Abyad zu umzingeln und einen Keil zwischen die Kantone Kobanê und Cizîrê zu treiben. Die Luftwaffe hat 180 Ziele angegriffen - bis zu 50 km weit nach Syrien hinein. Über 100.000 Menschen sind auf der Flucht, Tal Abyad ist fast vollständig von der Zivilbevölkerung geräumt. An der türkischen Offensive ist auch die Ahrar al-Scham Miliz beteiligt, die von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung geführt wird. Der Krieg ist seitens der Türkei ein eindeutiger Verstoß gegen den Artikel 2.4 der UN-Charta.
Imperialisten zerstritten
Wie sehr die weltweiten Proteste die Imperialisten in die Defensive bringen, zeigt US-Präsident Donald Trump. Ausgerechnet er als Hauptkriegstreiber bot gestern allen Ernstes an, Verhandlungen zwischen der SDF und der Türkei zu moderieren. Der UN-Sicherheitstrat konnte sich nicht auf eine Resolution gegen den Angriff einigen, die die europäischen Mitglieder des Sicherheitsrates beantragt hatten. Die Resolution scheiterte am Veto von Russland und den USA. Alle Imperialisten sind auch wegen der eingeleiteten Weltwirtschaftskrise unter Druck.
Inzwischen ist bekannt, dass Erdogan nicht nur mit US-Präsident Trump kurz vor dem Einmarsch telefoniert hat, sondern auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Ko-Vorsitzende des syrisch-demokratischen Rates Ilham Amed, also der Selbstverwaltung von Nordost-Syrien, fordert vor der UNO Sanktionen gegen die Türkei und eine Flugverbotszone. Beides wurde nicht erfüllt.
Auch die NATO ist tief zerstritten. Das NATO-Mitglied Norwegen stoppte umgehend seine Rüstungslieferungen an die Türkei, während der NATO-Generalsekretär der Türkei-Operation "legitime Sicherheitsinteressen" einräumte. Eine gemeinsame Verurteilung des türkischen Angriffs durch die EU wurde durch Ungarn verhindert. Jean-Claude Junker, der noch amtierende Präsident der EU sagte vor dem EU-Parlament, die EU werde keinerlei Gelder für die Ansiedlung von Flüchtlingen geben. „Ansiedlung von Flüchtlingen", so nennt Erdogan seine geplanten ethnischen Säuberungen in den annektierten syrischen Gebieten.
Erfolgreicher Auftakt weiterer Proteste
Der Tag X war ein erfolgreicher Auftakt. Die Solidaritätsbewegung wird nicht ruhen, bis das türkische Militär aus Nordost-Syrien abgezogen ist und Rojava geschützt ist. Am morgigen Samstag gibt es regionale Demonstrationen und für den 19. Oktober eine bundesweite Demonstration in Köln. (Termine)
Noch ein Hinweis: Bitte möglichst alle Termine an Rote Fahne News (redaktion@rf-news.de) geben und Korrespondenzen in Kopie auch an die kurdischen Agentur ANF unter (anfdeutsch@gmail.com).
Um 20 Uhr veröffentlichen wir hier ein aktuelles Interview mit Gabi Fechtner, der Vorsitzenden der MLPD. Es wird auch das morgige Thema des Tages. Am Sonntag berichtet wir wieder ausführlich über den Widerstand gegen den türkischen Überfall.