Katalonien

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Massenproteste gegen drakonische Repression der Unabhängigkeitsbewegung

Der gestrige Generalstreik und Sternmarsch in Barcelona war erster Höhepunkt der sich seit Montag entwickelnden Massenproteste gegen die Unterdrückung der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung durch den spanischen Staat

Von us
Massenproteste gegen drakonische Repression der Unabhängigkeitsbewegung

Hunderttausende beteiligten sich. Hafenarbeiter, Arbeiter und Angestellte von Seat, der VW-Tochter, und der Supermarktkette Bonpreu. Schüler und Studenten beteiligten sich im großen Umfang. In fünf „Märschen für die Freiheit“ machten sich Tausende seit drei Tagen und teilweise über 100 km zu Fuß auf den Weg.

 

Konkreter Auslöser der Massenproteste waren die drakonischen Urteile des spanischen Obersten Gerichtshofs gegen prominente Repräsentanten der Unabhängigkeitsbewegung Kataloniens. Langjährige Haftstrafen bekamen die neun Regionalpolitiker und Repräsentanten der Unabhängigkeitsbewegung dafür, dass sie es gewagt hatten, ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens 2017 durchzuführen. Wenige Stunden nach Urteilsverkündung am vergangenen Montag besetzten Tausende den Flughafen in Barcelona. Alleine 150 Flüge mussten am Montag und Dienstag gestrichen werden. Seitdem demonstrierten täglich Zehntausende in Barcelona und weiteren Städten Kataloniens. Autobahnen und Zugverbindung wurden zeitweise gesperrt.

 

Die Guardia Civil – aus der Zeit des Franco-Faschismus stammende Aufstandsbekämpfungspolizei – setzte Gummigeschosse ein, die in Katalonien per Beschluss des Regionalparlaments verboten sind. Zwei Demonstranten verloren ein Auge. Aber auch die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra ging brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Immer mehr fordern den Rücktritt des katalanischen Innenministers.

 

Sicherlich gibt es auch einzelne Demonstranten aus dem anarchistischen Spektrum, die randalierten. Doch vor allem sind hier offensichtlich Provokateure aus dem Staatsapparat tätig, um die Massenbewegung als Randalierer zu diffamieren und kriminalisieren. Es gibt Bilder und Videos von maskierten Männern, die der Guardia Civil zugerechnet werden, mit gelben Armreifen als Erkennungszeichen an den Oberarmen, die gemeinsam aus Hotels kamen, in denen spanische Paramilitärs untergebracht sind. Videos zeigen auch uniformierte Polizisten beim Abfackeln von Müllcontainern und Bau von Barrikaden1.

 

Die Urteile bringen die Rechtsentwicklung der Regierung und staatlichen Institutionen in Spanien zum Ausdruck. Während der frühere Regierungschef Rajoy und der Ex-König trotz nachgewiesener Straftaten frei rumlaufen, brachte das Oberste Gericht den Auftstandsparagraphen gegen die Durchführung eines Referendums, also einer parlamentarischen Abstimmung zur Anwendung. Damit soll auch ein einschüchterndes Zeichen gegenüber künftigen Protesten gegen die Regierungspolitik gesetzt werden. Der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez drohte kurz vor der Urteilsverkündung damit, Katalonien erneut unter Zwangsverwaltung zu stellen. Offensichtlich, um die Massenproteste nicht noch weiter zu befeuern, hat er diese Ankündigung bisher nicht umgesetzt.

 

In den Massenprotesten entlädt sich mehr als die Empörung über die Gerichtsurteile. Der Umfang und die Entschlossenheit bringen zum Ausdruck, diese staatliche Repression nicht zu akzeptieren und die Konfrontation mit dem Staatsapparat nicht zu scheuen. Die Proteste reihen sich ein in den fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen. Am 20. September protestierten in mehreren Städten Spaniens Frauen mit kämpferischen Demonstrationen gegen Gewalt gegen Frauen. Auch in Spanien protestierten wöchentliche tausende Jugendliche im Rahmen der neuen weltweiten Jugendumweltbewegung Fridays for future. In mehreren Städten Spaniens gab es diese Woche Proteste gegen die völkerrechtswidrige Invasion der türkischen Armee in Rojava.

 

Die spanische Regierung steckt in der Krise. Am 10. November finden zum zweiten Mal in diesem Jahr Neuwahlen statt. Die Unabhängigkeitsbewegung tut gut daran, sich mit der Arbeiter- und Volksbewegung in ganz Spanien im Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung zusammen zu schließen.

 

Siehe auch Rote Fahne News-Artikel vom 4. Oktober 2017