Igor Levit
„Ich widme meinen Preis denen, die …"
Dem honorigen Publikum im Berliner Konzertsaal bei der diesjährigen Verleihung des „Opus Klassik“, dem Nachfolger des Echo-Preises, stockte spürbar der Atem: Igor Levit, der weltberühmte soeben geehrte 32-jährige Pianist, zog nach der innigen Darbietung des ruhigen ersten Satzes von Beethovens Mondscheinsonate (offensichtlich wollte er bewusst nicht brillieren, sondern ein relativ einfaches populäres Stück spielen) einen zusammengefalteten Zettel aus der Jackentasche.
Statt der üblichen „Dankesworte" überraschte Igor Levit das Publikum mit einer leidenschaftlichen politischen Erklärung gegen die Rechtsentwicklung der Politik: "... Ich widme meinen Preis denen, die seit Jahren still oder laut gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus, gegen Islamophobie und gegen Antifeminismus kämpfen."
Auch der Sänger Christian Gerhaher sagte vor dem Vortrag eines Schumann-Liedes sinngemäß: Man kann diese Lieder nicht singen ohne Wahrhaftigkeit. Wahrhaftigkeit ist wichtig in der Kunst, aber auch in der Politik. Wer die NS-Zeit als Vogelschiss bezeichnet, ist nicht hinnehmbar. Klaus Florian Vogt, ein berühmter Wagner-Tenor, ergänzte: "Ich möchte dafür sprechen, dass wir Toleranz gegenüber dem neuen haben und mich gegen Ausgrenzung aussprechen." Nach erstem Erstaunen im 1500-köpfigen bürgerlichen Publikum gab es jeweils tosenden Beifall.
Es ist ein bemerkenswerter Vorgang im fortschrittlichen Stimmungsumschwung, dass die gesellschaftliche Polarisierung zunehmend auch Künstler der klassischen Musik zu einer fortschrittlichen Positionierung herausfordert. Und dass die bürgerliche Denkweise einer angeblichen politischen Neutralität der Künstler aufgebrochen wird. Igor Levit dazu: „Kollegen, klassische Musiker, die klassische Musik als Grund einführen, um sich aus gesellschaftlicher Verantwortung zurückzuziehen und die sagen, wir machen eben Musik und im Alltag ist zu wenig Zeit, die provozieren bei mir die Gegenfrage: Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?“.¹ Entsprechend spielte er auf Straßen und Plätzen für Flüchtlinge Beethoven, für die Fridays-for-Future-Bewegung Bach...²
Das Klimapaket der Großen Koalition bezeichnet er als „Sterbehilfe für das Weltklima“, Angela Merkels Aussagen dazu als „Heuchelei“. „Es hängt daran auch die Systemfrage. In welchem wirtschaftlichen System wollen wir leben?“, fragt er. Die Konflikte würden sich auf jeden Fall noch zuspitzen, die Auseinandersetzung werde an Radikalität zunehmen... Recht hat er...