"Sicherheitszone"
Wie der deutsche Imperialismus bei der Besetzung Nordostsyriens mitmischen will
Gestern ging Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit ihrem Vorschlag einer „international kontrollierten Sicherheitszone" in Nordostsyrien an die Öffentlichkeit.
Die CDU-Vorsitzende betonte, dass ihr Vorschlag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt ist. Außenminister Heiko Maas (SPD) sei "informiert". Was sie als "politische Initiative" Deutschlands mit dem "Ziel, die Lage dort zu deeskalieren" bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur eine andere Variante der imperialistischen Neuaufteilung der Region und der Liquidierung der fortschrittlichen "Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien".
Eine Variante, bei der auch die imperialistische BRD und die EU zum Zuge kämen. Denn anders als es die Türkei mit ihrem militärischen Überfall plant, soll ihre "Sicherheitszone" dann nicht nur von türkischem Militär, sondern auch von Soldaten anderer Nato-Länder kontrolliert werden. Kramp-Karrenbauer nennt das nebulös "Impuls ... für einen europäischen Vorstoß in der Nato". Nicht, ohne gleich den Einsatz der Bundeswehr ins Spiel zu bringen.
40.000 EU-Soldaten nach Syrien?
Ihr Parteifreund, der Außenpolitiker und ehemalige Generalstabsoffizier Roderich Kiesewetter, präzisierte das mittlerweile mit der Forderung nach Entsendung von 30.000 bis 40.000 Soldaten aus EU-Ländern, unter anderem aus Deutschland.
Nicht etwa die Sorge um den Weltfrieden oder um die unter dem Krieg leidende Bevölkerung in Nordostsyrien treibt Kramp-Karrenbauer und Kiesewetter um. Es sind vielmehr die "Sicherheitsinteressen Europas und Deutschlands", die durch die gegenwärtige Entwicklung massiv "beeinträchtigt" wären. Auf gut deutsch: die Profit- und Machtinteressen des in Deutschland und Europa ansässigen Finanzkapitals.
Kramp-Karrenbauer gegen "autonome Gebiete"
Kramp-Karrenbauer nennt als mittelfristiges Ziel ein "ziviles Wiederaufbauprogramm". Dabei wollen auch die herrschenden Monopole der BRD zum Zuge kommen und dazu sollen Bundeswehr und europäische Nato-Truppen einen Fuß in die Tür bekommen. Die gemeinsame "Sicherheitszone" wäre also in Wirklichkeit nichts anderes als eine gemeinsame Besatzungszone.
Wenn sie betont, dass die Kontrolle der angeblichen "Sicherheitszone" unter "Einbeziehung der Türkei und Russlands" erfolgen soll, zeigt das die Identität der imperialistischen Interessen beim Vorgehen gegen den zur Zeit fortschrittlichsten Kampf um Demokratie und Freiheit in der Region sowie die erkämpfte Autonomie.
Im Interesse von "Stabilität und Sicherheit" dürfe es keine "autonomen anderen Gebiete" in Syrien geben, so Kramp-Karrenbauer. Damit greift sie unmittelbar die Erfolge der demokratischen Revolution an, die in der "Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien" erkämpft wurden, und stellt die Wirklichkeit auf den Kopf.
"Stabilität und Sicherheit" durch die Imperialisten?
Seit wann bringen die imperialistischen Truppen den Menschen der Region "Sicherheit"? Die imperialistischen und neuimperialistischen Mächte haben mit Hilfe reaktionärer bis faschistischer Milizen den nun seit acht Jahren währenden Syrien-Krieg vom Zaun gebrochen - mit bis zu 500.000 Todesopfern und Millionen Menschen auf der Flucht. Es waren die "Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF), darunter die kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die erfolgreich den faschistischen IS zurückgedrängt haben.
Die autonome "Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien" war bis zu Erdogans Angriffskriegen das sicherste Gebiet in Syrien und hat den Menschen im ganzen Land eine Perspektive gewiesen. Erst die faschistische Aggression Erdogans hat nicht nur gewaltiges Leid in Rojava hervorgerufen, sondern auch die ganze Region destabilisiert. Unter anderem durch die Zerstörung und Öffnung von Gefängnissen, in denen Schergen des IS inhaftiert sind, die sich nun von Neuem sammeln und bewaffnen können.
Kramp-Karrenbauers Plan würde nun auch Deutschland und die Bundeswehr unmittelbar in eine explosive Lage hineinziehen, bei der jederzeit die Gefahr des unmittelbaren Aufeinandertreffens von Militär verfeindeter imperialistischer Blöcke besteht.
Zankapfel Syrien
Dass Syrien ein hauptsächlicher Zankapfel im Kampf um die Neuaufteilung der imperialistischen Einflussgebiete ist, liegt vor allem an seiner geostrategischen Bedeutung im Zentrum des rohstoffreichen Nahen und Mittleren Ostens. Auch auf dem Gebiet der "Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien" gibt es bedeutende Ölvorkommen.
Der Vorstoß der CDU-Vorsitzenden zielt deshalb auch auf die Durchsetzung der konkurrierenden Interessen des BRD- und EU-Imperialismus gegenüber der Türkei, der USA und Russland, die bereits bisher am "Deal" zur Durchsetzung eines imperialistischen "Friedens"-Diktats (siehe Rote Fahne News) beteiligt sind.
SPD-Sorgen um Kapazität der Bundeswehr
Es ist bezeichnend, wie die SPD auf den Vorstoß der Verteidigungsministerin reagiert. Das Außenministerium meldete "Diskussionsbedarf" an. Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Hans-Peter Bartels (SPD), macht sich vor allem Sorgen um die Kapazität der Bundeswehr. „Schon jetzt sind 17.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in internationale Einsätze eingebunden, von Afghanistan bis zur Nato Response Force.“ An der Notwendigkeit einer Truppenentsendung oder gar der Bundeswehr nach Syrien scheint er nicht zu zweifeln.
Was hat denn die Bundeswehr überhaupt in all diesen Ländern zu suchen? Die Rechtfertigung, dass es dabei um die Interessen der dort lebenden Bevölkerung gehe, ist erstunken und erlogen. Alles, was die Bundeswehr und die anderen imperialistischen Besatzer in Ländern wie Afghanistan, Irak oder Mali hinterlassen, sind Chaos und Zerrüttung.
Kramp-Karrenbauers Vorstoß liegt ganz auf der Linie der Rechtsentwicklung der Bundesregierung und bürgerlichen Parteien auch in der Außenpolitik. Sie selbst fordert immer wieder eine "größere Rolle" Deutschlands und Europas in der Weltpolitik. Die aktuelle Diskussion macht auch deutlich, was die Kritik der Bundesregierung an dem „völkerrechtswidrigen“ Angriff und die Krokodilstränen über eine "humanitäre Katastrophe" wert sind.
Besatzungspläne zurückweisen!
Es war pure Heuchelei, um die wachsenden Proteste und die Solidarität mit der "Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien" in die Irre zu führen. Im Gegenzug hat die Bundesregierung alle wirksamen Maßnahmen gegen das faschistische Erdogan-Regime ausgebremst. Selbst die von einzelnen EU-Staaten geforderten Sanktionen der EU hat sie hintertrieben.
Kramp-Karrenbauer weiß auch genau, dass eine gemeinsam kontrollierte Besatzungszone in Nordostsyrien nicht minder völkerrechtswidrig wäre als Erdogans militärischer Überfall. Sie legitimiert damit vielmehr Erdogans Vorgehen. Daran ändert auch ihr Einwand nichts, dass eine solche Besatzung nur "zeitweilig" sein dürfe. So "zeitweilig" wahrscheinlich, wie die in Afghanistan!
Die imperialistischen Besatzungspläne von Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel müssen entschieden zurückgewiesen werden. Auch gegen eine internationale imperialistische Besetzung muss die internationale Solidarität entwickelt und verstärkt werden. Abzug aller imperialistischen Truppen aus Syrien! Für die völkerrechtliche Anerkennung der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien! Abbruch aller wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zum faschistischen Erdogan-Regime!