Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

„Wer zurück will, muss erst mal an uns vorbei“

Die Losung „Keine einzige mehr“ oder „Ni una mas“ ist Zeichen eines weltweit erwachenden Frauenbewusstseins und vereint die kämpferische Frauenbewegung auf allen Kontinenten der Erde.

Von hb
„Wer zurück will, muss erst mal an uns vorbei“
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fahnenhiss-Aktion vor der Horster Mitte (Foto: RF)

Allein in Frankreich gingen am Samstag 150.000 Menschen - in der Mehrheit Frauen - auf die Straße, unter Losungen wie „Brecht das Schweigen, nicht die Frauen!“ und „Aggressoren, Stalker, ihr seid erledigt, die Frauen sind auf der Straße!“ Eine Vertreterin der französischen ICOR-Organisation Union Prolétarienne Marxiste-Leniniste (UPML) berichtet:

Frankreich: "Es hat sich echte Kampfeslust entwickelt"

"Die hohen Teilnehmerzahlen in diesem Jahr sind das Ergebnis einer starken Mobilisierung, die seit einiger Zeit läuft – eigentlich schon seit der #MeToo-Bewegung. Es hat sich ein Frauenbewusstsein und eine echte Kampfeslust entwickelt. Dieses richtet sich auch gegen die Macron-Regierung. Schließlich gibt es auch bei den Gelbwesten einen nicht geringen Frauenanteil.

 

 

Es kommen also verschiedene Proteste gegen die Regierung zusammen. Die Mobilisierung zum heutigen Kampftag gegen Gewalt an Frauen erhielt in diesem Jahr nun einen Aufschwung, weil die Gewalt gegen Frauen in Frankreich im vergangenen Jahr zugenommen hat." (Hier der ganze Bericht)

 

Am Samstag, 23. November, legten zehntausende in Rom das Zentrum der italienischen Hauptstadt lahm. Ihre Losung war: „Gegen eure Gewalt, wir sind die Revolution!“

Fahnenhiss-Aktion in Gelsenkirchen

In vielen Ländern insbesondere Lateinamerikas und Asiens, aber auch in Deutschland, fanden bzw. finden die Aktionen erst heute statt. Bei der schon traditionellen Fahnenhiss-Aktion1 an der Horster Mitte in Gelsenkirchen gingen die Rednerinnen auf die ganze Bandbreite der Gewalt an Frauen ein, würdigten aber auch ausdrücklich den Mut der Frauen, dieser Gewalt entgegenzutreten, und sprachen sich für das Ziel der gesellschaftlichen Befreiung der Frau aus.

 

Die Bundesregierung will den Eindruck erwecken, bei ihr seien Frauenfragen in den richtigen Händen. Frauenministerin Franziska Giffey stellte Ende 2018 das Programm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ vor, nachdem der Dachverband der Frauenhäuser schon 2017 massiv Alarm geschlagen hatte. Jede vierte Frau erfährt mindestens einmal im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt.

14.600 Plätze in Frauenhäusern fehlen

Jeden Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Mann oder Ex-Mann ermordet oder in Mordabsicht attackiert. 2018 wurden 141 Frauen getötet - mehr sogar als in Frankreich, wo die Zunahme auf 137 Morde an Frauen seit Jahresanfang mit zu den breiten Protesten beigetragen hat.

 

Nach der Istanbuler Konvention bräuchte es 21.400 Plätze in Frauenhäusern (2,5 pro 10.000 Einwohner), doch in Deutschland gibt es gerade einmal 6.800. Es ist ein Skandal, dass bundesweit 14.600 Plätze fehlen, die akut bedrohten und traumatisierten Frauen Schutz und Zuflucht bieten sollen. Für 2019 und 2020 stellt die Bundesregierung insgesamt 35 Millionen Euro für den Ausbau von Frauenhäusern bereit - nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Solange der laufende Betrieb von Frauenhäusern über Tagessätze finanziert wird, die die Frauen selbst bezahlen müssen, sind die Einrichtungen gezwungen, mittellose Frauen abzuweisen. So notwendig Frauenhäuser heute sind, so notwendig ist es, den Kampf vor allem gegen die Gewalt an Frauen selbst und ihre gesellschaftlichen Ursachen zu führen. Das betonten die Mitgliedsfrauen des Frauenverbands Courage aus Gelsenkirchen in ihrem heutigen Beitrag.

Was die Weltfrauenkonferenz bereits bewegt hat ...

Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD, rief in Erinnerung, dass die heutige weltweite Beachtung des 25. November als Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen maßgeblich auf den Beschluss der 1. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen 2011 in Venezuela zurückgeht. Dieser Kampftag wurde von der lateinamerikanischen Frauenbewegung ausgehend vom selbstlosen Einsatz revolutionärer Frauen vorgeschlagen. Die Schwestern Mirabal waren Mitglieder der „Movimiento Revolucionario 14 de Junio“ in der Dominikanischen Republik. Sie wurden 1960, nach mehreren vorangegangenen Verhaftungen durch Militärangehörige des damaligen Diktators Rafael Trujillo verschleppt, gefoltert und schließlich ermordet.



Gewalt an Frauen ist in dieser Gesellschaft kein Einzelproblem, sondern strukturell verwurzelt und in Ländern wie Deutschland eine Widerspiegelung der besonderen Unterdrückung von Frauen im Kapitalismus. Gabi Fechtner wies eindrücklich nach, wie die sozialistische Oktoberrevolution in Russland 1917 in kürzester Zeit den Weg freimachte für umfassende Frauenrechte und frauenpolitische Errungenschaften.

Zusammenhang zur Rechtsentwicklung der Regierungen

Mehrere Rednerinnen stellten heraus, dass die Rechtsentwicklung der Regierungen und bürgerlichen Parteien eine Hauptursache für die wachsende Gewalt an Frauen ist. Nicht nur in Italien hatte die ultrareaktionäre Regierung die „Idee“, Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch ins Gefängnis zu stecken, oder aber, wenn sie willig sind, ihnen Land, günstige Immobilienkredite oder Gebärprämien zu geben.

 

Faschist Jair Bolsonaro in Brasilien will, dass Frauen deutlich weniger verdienen, damit sie endlich wieder die Hausfrauenrolle einnehmen. Auch die AfD in Deutschland will, dass die Frauen wieder an den Herd zurückkehren wie vor 150 Jahren. Das soll mit finanziellen Lockmitteln "versüßt" werden. Wer heiratet, soll günstige Ehestart-Kredite bekommen - je mehr Kinder in der Familie geboren werden, desto weniger soll vom Kredit zurückbezahlt werden.

Aufruf des Frauenpolitischen Ratschlags

Anna Vöhringer, auf dem 12. Frauenpolitischen Ratschlag in den Kämpferischen Frauenrat gewählt, stellte den Aufruf „Es ist der kleinste, aber ein dringend notwendiger gemeinsamer Nenner“ vor. Er wendet sich an alle demokratischen und fortschrittlichen Kräfte, insbesondere an Frauen. „Das propagierte rechte Gedankengut zielt auf ein Rollback gegen die bereits erkämpften Fortschritte für die Frauen in unserer Gesellschaft. Lasst uns jetzt ein Zeichen setzen – und zwar ein deutliches! … Wer zurück will, muss erst mal an uns vorbei!“ (Vollständiger Text des Aufrufs)

 

Mutig meldete sich Seda, eine junge Mutter aus Gelsenkirchen-Horst, zu Wort. Sie hatte nur knapp einen Mordanschlag durch einen Stalker überlebt, unter anderem weil sie sich mit aller Kraft gegen ihn wehrte. Seda prangerte unter anderem an, dass die Polizei trotz elf Anzeigen gegen ihn nichts unternommen hatte. Sie bedankte sich für die Solidarität und den gemeinsamen Kampf dagegen.

Grußbotschaft vom "Dach der Welt"

Es sprachen auch eine Vertreterin des Jugendverbands REBELL, eine Aktivistin des überparteilichen Kommunalwahlbündnisses AUF Gelsenkirchen und Frauen aus dem Stadtteil. Ein Highlight war die vorgetragene Grußbotschaft einer Reisedelegation aus Nepal.

 

Umrahmt waren die Redebeiträge von gemeinsam gesungenen Liedern der kämpferischen Frauenbewegung. Stolz versammelten sich alle Teilnehmerinen und Teilnehmer zum Abschluss noch zum Fototermin vor der an der Hauswand gehissten Flagge.

Den revolutionären Weg beschreiten

Wer Gewalt an Frauen wirklich beseitigen will, der muss ihre gesellschaftlichen Ursachen zusammen mit dem Kapitalismus auf revolutionärem Weg überwinden. Ein Kampf, den Frauen und Männer gemeinsam führen müssen - entgegen der von kleinbürgerlichen Feministinnen ausgehenden Spaltung. Das war eine der wichtigen Botschaften dieses Tages.

 

Zu Redaktionsschluss lagen erst wenige Berichte von weiteren Aktionen am heutigen Tag vor. Rote Fahne News wird deshalb morgen weiter darüber berichten. Zur Vertiefung des Themas sei das Buch "Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau - Eine Streitschrift" empfohlen. Dieses Buch und weitere Ausgaben des theoretischen Organs der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG, kann man hier bestellen.