Madrid, Santiago, Chile ...
Ein Tag im Zeichen der kämpferischen Umweltbewegung - jetzt mit Bildreport
Bis zu einer halben Million Menschen demonstrierten gestern Abend in Madrid gegen die herrschende Umweltpolitik der Mächtigen der Welt. In Santiago (Chile) gingen Zehntausende Menschen auf die Straße. Hier sollte die UN-Klimakonferenz von Madrid ursprünglich stattfinden. Eine deutlich kleinere, aber bemerkenswerte Demonstration fand heute im Ruhrgebietsstädtchen Bottrop statt.
In Madrid dabei: die frisch gekürte Trägerin des alternativen Nobelpreises, Greta Thunberg. Aber auch eine Delegation der MLPD, die für die Rote Fahne berichtet:
Gestern Abend fand eine kämpferische Demo in Madrid statt. Aufgerufen hatte der Sozialgipfel für das Klima mit über 200 kleinen Umwelt- und Frauenorganisationen sowie Gewerkschaften.
Ab 18 Uhr sammelten sich zunächst Zehntausende Menschen. Um 19:30 Uhr ging nichts mehr. Die riesig breite Paseo de Prado war voller Menschen. Dann zog die Demo los bis 21:30 Uhr zu den neuen Ministerien, wo die Abschlusskundgebung war. Inzwischen ist die Zahl von 500.000 Demonstranten bekannt geworden.
Die Demo war in acht Blöcken aufgeteilt, geprägt von sehr vielen jungen Menschen, aber auch Älteren. Sie spiegelte die vielfältigen Anliegen zum Umweltschutz, aber auch in den sozialen Fragen wieder.
Madrid: "Das System ist das Problem"
Ein kämpferischer Block war von der Solidarität mit dem Kampf in Chile geprägt. Immer wieder wurde gerufen: "Es lebe der Kampf des chilenischen Volkes, das Volk wird siegen. Das System ist das Problem.“ Letztes prägte die Demo stark. Häufig wurden die großen Monopole und Konzerne auf Schildern und Transparent als Verantwortliche für die drohende Umweltkatastrophe angeklagt.
Wir verteilten Flugblätter der ICOR mit der Einladung zu einer Vorstellung des Buches "Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ und verkauften das Buch auch. Wir trafen auch Leute von der Umweltgewerkschaft aus Deutschland.
Die Offenheit für die Kritik am Imperialismus war groß. Dass die Übermonopole die Hauptverursacher sind, und dass dagegen eine weltweite Widerstandsfront organisiert werden muss. Auffällig war, dass es keine antikommunistischen Reaktionen gab. Das gemeinsame Transparent der MLPD und der revolutionären Weltorganisation ICOR wurde ständig fotografiert. Es trug die Aufschrift: „Rettet die Umwelt vor der Profit-Wirtschaft!“
Während der Demo provozierte die Polizei. Sie prügelte einen Block der Autonomen aus der Demonstration und verhaftete mit brutaler Gewalt einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Der Sender Radio One machte ein kurzes Interview mit uns. Heute sind wir bei schönstem Sonnenschein mit einem Bücherstand vertreten und treffen auch auf Teilnehmer, die die ICOR kennen.
Santiago (Chile): "Das Volk ist auf der Straße, verteidigt seine Würde!“
In Santiago sollte die UN-Klimakoferenz ursprünglich stattfinden, bevor sie nach Spanien verlegt wurde. Die anhaltenden Massenproteste hatten die Regierung zur Absage gezwungen. Der Gegengipfel der Völker findet trotzdem statt. Aus der chilenischen Hauptstadt Santiago berichtet auf ihrer Website die Delegation der Umweltgewerkschaft unter anderem:
"Am letzten Tag des Cumbre-de-los-Pueblos (Gipfeltreffen der Völker, Anm d. Red) gab es eine bewegende Abschlussveranstaltung im großen Zelt der Frauenbewegung.
Danach ging es mit der U-Bahn zunächst zur Gewerkschaftszentrale der CUT. Davor, auf dem Gehweg, sammelten sich mehr und mehr Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter … Los ging, es! Sofort und immer wieder kämpferische Sprechparolen, zum Beispiel: "Das Volk, das Volk, wo ist das Volk? Das Volk ist auf der Straße, verteidigt seine Würde!“.
Zu Beginn waren wir vielleicht 500 bis 1000, direkt neben uns lief der Autoverkehr gnadenlos weiter, allerdings oft mit solidarischen Gewinke und Gehupe ... Nach und nach schlossen sich immer mehr Leute an … Zehntausende kamen schließlich von allen Seiten auf die "Plaza Italia" - von der Volksrebellion umbenannt in "Platz der Würde“ ... Vor dem Polizeipräsidium wütende Proteste, als Tränengasgranaten geworfen werden ...
Hinter dem "Platz der Würde" lockern sich die Massen auf, die Tränengasschwaden vor dem Polizeipräsidium sind nur noch von weitem zu sehen. Wir können unser Transparent wieder tragen, inzwischen mit einer Fahne der Mapuche-Ureinwohnerinnen und Ureinwohner geschmückt ..."
Bottrop: "Der Erfolg gibt uns Recht - was ist der nächste Schritt?"
Trotz des kühlen und unfreundlichen Dezemberwetters kamen heute über 200 Demonstranten nach Bottrop. Mit entschlossener und optimistischer Stimmung nahmen sie die Politik der verbrannten Erde der RAG ins Visier. Die RAG will sich der Folgekosten des Steinkohlebergbaus mit wohlwollender Unterstützung der zuständigen Regierungen in Bund und Land entledigen. Die RAG greift damit völlig verantwortungslos tief die Lebensverhältnisse der Bevölkerung im Ruhrgebiet ein: Vernichtung weiterer Arbeitsplätze durch Massenentlassungen der verbliebenen nicht anpassungsberechtigten Kumpel, massive Gefährdung der Trinkwasserversorgung im Revier durch Flutung der Zechen, Vernichtung preiswerten Wohnraums, Rentenklau oder die Weigerung, gesundheitsnotwendige Maßnahmen für vergiftete Kollegen zu finanzieren. Damit darf die RAG nicht durchkommen!
Um 10:45 Uhr füllt sich langsam der Berliner Platz. Man sieht Trommeln und Fässer für die nötige Stimmung und viele Fahnen und Schilder: der Montagsdemo, der Gewerkschaften GEW und IG Metall, des Jugendverbands Rebell, des Frauenverbands Courage, des Internationalistischen Bündnisses und der MLPD. Einige Kumpel sind in ihrer Bergmannskluft gekommen. Verschiedene Kommunalwahlbündnisse, die den Kampf gegen die Politik der verbrannten Erde der RAG seit Längerem unterstützen sind dabei. Mit dabei auch die jüngsten Umweltkämpfer - die Kinderorganisation ROTFÜCHSE.
Hunderte Fenster gingen auf
In Fünferreihen zog die Demonstration durch die Bottroper Bergbauwohngebiete. Immer wieder wandte sie sich dabei an die Passanten und die Bevölkerung, um sie über Schweinereien der RAG AG zu informieren.
Nirgends erfährt man alle diese Vorgänge und ihren Zusammenhänge. „Ich hatte schon einiges gehört, dass hier nicht alles sauber läuft«, so ein Passant gegenüber der Roten Fahne. „Aber, dass aktuell geflutet und verfüllt wird, habe ich erst jetzt hier erfahren.“ Ein anderer lebt seit zwei Jahren in Bottrop und bedankte sich ausdrücklich für die Informationen, die er so noch nirgends gehört hatte. Es war bemerkenswert, wie breit und kompetent das Spektrum der Rednerinnen und Redner war!
Hunderte Fenster gingen auf, während die bis zu 200 Demonstranten vorbei zogen. Unterbrochen wurden die Redebeiträge immer wieder durch Lieder. Der Evergreen der Arbeiterkämpfe im Ruhrgebiet, Keiner schiebt uns weg, erhielt heute einige neue, auf die Situationen Bergbau geschriebene Strophen dazu.
Bei jeder der inzwischen acht Demonstrationen gegen die RAG, werden neue Schandtaten aufgedeckt. Heute wurde berichtet, dass die RAG bzw. ihre Vorläufer während dem Krieg auch Zwangsarbeiter beschäftigten. Dafür haben sie nie auch nur einen Funken Verantwortung übernommen oder gar Betroffene entschädigt.
Nach 90 Minuten kam die Demonstration wieder auf den Berliner Platz an. Die kulturvoll mit Bergarbeiterliedern umrahmte Abschlusskundgebung beleuchtete weitere Gesichtspunkte, warum „für uns Resignation keine Option“ ist, so die Moderatoren.
Streik wäre weiter das wirksamste Mittel
Stefan Engel, öffentlicher Sprecher der Bergarbeiterzeitung Vortrieb zog eine ermutigende Zwischenbilanz: "Zu Beginn des Kampfs wurden wir manchmal belächelt. Inzwischen - nach acht kämpferischen Demonstrationen - sind die Themen breite Diskussion in den Bergbaustädten oder auf Gewerkschaftsversammlungen. Wir haben die Meinungsführerschaft erobert. Der Zusammenhang zwischen den ausgesprochenen Massenentlassungen und der geplanten Aufgabe der Wasserhaltung ist inzwischen offen zu Tage getreten. Die RAG will alle Lasten hinter sich lassen und hat alle ihre Versprechungen gebrochen, um ihren Profit zu maximieren. Das kann so nicht stehen bleiben."
Unter Beifall führte er aus, dass die aktuell wirksamste Waffe der Arbeiter nach wie vor ein Streik ist. Er würde die RAG ökonomisch treffen, die noch bis mindestens 2022 auf die Arbeit der Bergleute angewiesen ist. Vor allem wäre er aber politisch wirksam, weil er unterstreichen würde, dass die RAG und ihre Regierungen so nicht mit den Leuten umspringen können. Er hätte die Solidarität der Menschen im Revier. Gestützt auf die Kraft der Klassensolidarität kann die Arbeiter keiner aufhalten. Dazu bedarf es eines langen Atems.
Beendet wurde die Kundgebung mit der Einladung zur Gründung einer Bürgerinitiative gegen die Verfüllung der Schächte IX und X der Zeche in Bottrop. Über 80 Interessierte trugen sich dafür heute ein. Der Kampf geht in die nächste Runde. Glück Auf!
Hier geht es zu einem ausführlicheren Bericht aus Bottrop