Nobelpreis für Literatur

Nobelpreis für Literatur

Handke und der Imperialismus

"Rote Fahne News" erreichte die folgende Leserzuschrift:

Leserbrief

Aufmerksamkeit hat sich die Schwedische Akademie schon gewünscht, als sie den Nobelpreis für Literatur an Peter Handke vergab. Aber mit diesem Proteststurm in den Medien hat sie sicherlich nicht gerechnet. Und in der Tat ist es schon erstaunlich, warum dem österreichischen Autor derart geballte Ablehnung entgegenschlägt.

 

Handke repräsentiert eigentlich den Idealtypus des bürgerlichen Schriftstellers, den Dichter im Elfenbeinturm, der sich politisch nicht engagiert. Sein Aufstieg in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfolgte im Gegenzug zur 68er-Studentenbewegung, von der er sich ausdrücklich abgegrenzt hat.

 

Mit großer sprachlicher Kraft hat er die eingeschränkte Welt des bürgerlichen Individuums erkundet und dabei an die Tradition des poetischen Realismus eines Wilhelm Raabe oder - bei Österreich näherliegend - eines Adalbert Stifter angeknüpft. Er entging der damit drohenden Epigonalität, indem er vor allem in seinem Frühwerk den Mikrokosmos seiner kleinbürgerlichen Herkunft als inhaltliche Grundlage nutzte und damit auch neue Stoffe für die bürgerliche Literatur erschloss.

 

Von seinem künstlerischen Rang hat Handke den Nobelpreis durchaus verdient. Aber er hat einen großen Fehler begangen. Er ist gegen die Vormachtpolitik der Europäischen Union und des deutschen Imperialismus aufgetreten. Es ist eine gerade unter der Intelligenz tief verankerte Illusion, daß die Erweiterung der EU (damals noch EG) ein Voranschreiten zu mehr Demokratie, Freiheit und Wohlstand ist. Handke hat darauf verwiesen, dass das Vordringen der EU eine gewaltsame und auch den Bürgerkrieg und faschistische Exzesse nicht scheuende Zurichtung Ost- und Südosteuropas auf die Gravitationszentren des europäischen Imperialismus ist.

 

Handke ist weder ein progressiver Denker noch hat er Kontakt zu fortschrittlichen Kräften. Daher ist er an die Seite erzreaktionärer serbischer Chauvinisten geraten, ohne deren Positionen zu übernehmen, aber auch ohne eine wirkliche Alternative vorstellen zu können. Aber dass er, eine der wenigen wirklichen zeitgenössischen Größen, über die die Bourgeoisie verfügt, sich in dieser einen Grundfrage gegen sie gestellt hat (und noch immer keine Reue zeigt), das wird sie ihm nie verzeihen.