Vor drei Jahren
Terroranschlag von Anis Amri: „Gefährder“ sitzen im Staatsapparat
Heute jährt sich zum dritten Mal der faschistische Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin vom 19. Dezember 2016.
Der Jahrestag ist Anlass dafür, der Opfer zu gedenken: zwölf Getötete und rund 100 Verletzte, deren körperliche und seelische Wunden teilweise immer noch behandelt werden müssen. Er ist aber auch Anlass dafür, die Verantwortlichen anzugreifen, die zuließen, dass der islamistisch-faschistische Massenmörder Anis Amri seine Bluttat unbehelligt ausführen konnte.
Massive Barrieren gehören seitdem zu Weihnachtsmärkten und Massenveranstaltungen – Gefühle der Angst wurden geschürt. Die ultrareaktionäre, faschistoide AfD verstärkt vor diesem Hintergrund ihre rassistische Hetze von „den kriminellen Zuwanderern“. Drei Jahre lang haben aber auch engagierte Journalistinnen, Journalisten, Demokratinnen und Demokraten und nicht zuletzt auch über die Vertuschungsversuche empörte Kriminalbeamte dazu beigetragen, immer neue haarsträubende Details zur Verstrickung der Staatsorgane in den Terroranschlag ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Auch in zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen - gedacht vor allem zur Spurenverwischung über die wirklichen Hintergründe - wurden und werden brisante Widersprüche offenbar.
Warum ließ man Anis Amri gewähren?
Am 19. Dezember 2016 tötete der islamistisch-faschistische Terrorist Anis Amri einen polnischen LKW-Fahrer und kaperte dessen 40-Tonner. Dieser Vorgang wurde von einer staatlichen Überwachungskamera fast eine halbe Stunde lang gefilmt. Amri war schon lange auf dem Schirm der Polizeibehörden und des „Verfassungsschutzes“ und er war verdächtig, Terroranschläge vorzubereiten.
Zunächst wurde es als „Behördenfehler“ verharmlost, dass Amris Attentat nicht vereitelt wurde. Presserecherchen und Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des NRW-Landtags und des Bundestags fördern Anderes zutage.
Was verschweigen BKA und Innenministerium?
Ein interner E-Mail-Wechsel belegt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) 2016 zehn Monate vor dem Anschlag Hinweise auf die Gefährlichkeit von Anis Amri bekam - und diese herunterspielte. Das BKA zweifelte im Februar 2016 die Hinweise eines Informanten des Landeskriminalamts NRW an, der über Monate hinweg Informationen zu Amris Plan lieferte, einen Anschlag zu begehen.
Zu dieser Einschätzung schrieb allerdings ein BKA-Mitarbeiter am 24. Februar 2016 an vier seiner Kollegen: „Es ist wirklich insgesamt eine Frechheit und hochgradig unprofessionell, wie NRW hier agiert.“ Etwa, weil die LKA-Leute in Düsseldorf nicht begriffen hatten, dass man Amri bewusst gewähren ließ? Am 23. Februar 2016 gab es eine Besprechung beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe, an dem Staatsanwälte, die Ermittler aus NRW und Leute vom BKA teilnahmen. Die Beamten des BKA bezweifelten offen die Glaubwürdigkeit der Informationen aus NRW.
Am Rande dieser Besprechung erzählte der Verfasser der oben genannten E-Mail einem Kriminalhauptkommissar aus NRW, dass ein Vorgesetzter des BKA und das Bundesinnenministerium wollten, dass der V-Mann (Deckname „Murat“) „aus dem Spiel genommen“ wird, er „mache zu viel Arbeit“. Dies sagte der Zeuge aus dem Düsseldorfer LKA im November 2019 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages aus und erneuerte das jetzt im Dezember. Hierbei mussten ein Oberstaatsanwalt, der E-Mail-Schreiber vom BKA und der Beamte des LKA gemeinsam als Zeugen auftreten. Während zuvor der BKA-Beamte die Aussage seines LKA-Kollegen bestritten hatte, meinte er nun, er könne ein kurzes beiläufiges Gespräch nicht ausschließen.
Sollen Zeugen aus dem Staatsapparat mundtot gemacht werden?
Der Oberstaatsanwalt, dem sich der LKA-Kollege bereits im Februar 2016 empört anvertraut hatte, stützt dessen Aussage: „Ich persönlich habe keinen Zweifel daran, dass es dieses Vier-Augen-Gespräch gegeben hat.“ Nicht nur vor dem Anschlag, auch danach sollen selbst Zeugen aus dem Staatsapparat mundtot und unglaubwürdig gemacht werden, die sich gegen diese offensichtliche Instrumentalisierung eines islamistisch-faschistischen Attentäters zur Wehr setzen.
Mit seiner Erschießung in Italien war Amri als Hauptzeuge ausgeschaltet. Die Polizeibehörde Berlin schob sogar kurz nach dem Anschlag einen weiteren Zeugen, den möglichen Komplizen Amris, Ben Amar, nach Tunesien ab. Auch weigert sich zum Beispiel der Auslandsgeheimdienst BND bis heute, ein bislang unbekanntes, von Amri selbst gefilmtes Handy-Video herauszurücken, das dieser in den Wochen vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz aufgenommen hat.
Instrumentalisierung faschistischer Attentate
Die Duldung faschistischer Terroranschläge wie 2016 in Berlin durch die Staatsorgane zielt auf die Verunsicherung der Bevölkerung. Sie sollen Vorwände für den Ausbau der staatlichen Repressions- und Bespitzelungsorgane liefern. Das richtet sich gegen wachsende kämpferische Massenbewegungen und gegen linke, fortschrittliche und revolutionäre Kräfte.
Schon am 5. Januar 2017 stellte die MLPD auf Rote Fahne News fest: "Der mutmaßliche Attentäter von Berlin, Anis Amri, konnte sich in ganz Deutschland frei bewegen, obwohl er einer von 549 erfassten 'Gefährdern' war. Die Behörden hatten ein allseitiges Bild von diesem Faschisten. Er hatte mehrmals Anschläge angekündigt und andere Personen aufgefordert, mit ihm gemeinsam Attentate in Deutschland zu begehen. ... Öffentlich kündigte er an, dass er ein Blutbad anrichten werde. ... Alles deutet darauf hin, dass auch bei anderen IS-Terroristen ähnlich verfahren wird. Werden sie vom Staatsapparat 'an der langen Leine' gehalten, um solche Anschläge zu provozieren - als willkommener Vorwand für die weitere Faschisierung des Staatsapparats?"
Amris Anschlag lieferte den Vorwand für den weiteren Ausbau der Polizeibehörden und Geheimdienste, für Stimmungsmache zur Verschärfung der reaktionären Flüchtlingspolitik, der Polizeigesetze usw.
Internationalistisches Bündnis muss stärker werden
Im Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung, der bürgerlichen Parteien, der Medien und der Kultur sowie gegen die akute faschistische Tendenz kann es nicht nur darum gehen, das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda durchzusetzen - wozu auch die islamistisch-faschistischen Strukturen zählen.
Der Kampf muss sich auch gegen die zunehmende Faschisierung des Staatsapparates richten. Notwendig ist vor allem auch die Auseinandersetzung mit der Wirkung der faschistoiden bzw. faschistischen Demagogie unter Teilen der Massen.
Die MLPD unterstützt dazu besonders den weiteren Aufbau des Internationalistischen Bündnisses. Es ist an der Zeit: Stärkt die MLPD, werdet Mitglied! Stärkt das Internationalistische Bündnis!