Russland
Reaktionär Putin unter Zugzwang
Am 15. Januar gab der russische Präsident Wladimir Putin weitreichende Verfassungsänderungen bekannt, worauf die gesamte Regierung umgehend zurücktrat.
Putin reagiert mit seiner Bekanntgabe auf wachsende wirtschaftliche Schwierigkeiten des neuimperialistischen Russland und auf unübersehbare Unruhe und Empörung unter der Bevölkerung über seinen Regierungskurs. Deswegen ist es auch kein "genialer Schachzug", wie manche bürgerlichen Kommentatoren vermuten. Sonst wäre dies nicht vier Jahre vor der nächsten Präsidentenwahl nötig.
Tatsachen werden vernebelt
Die Begründung, es gehe um „Zuwachs an Befugnissen des Parlaments“, soll die Tatsachen vernebeln. Die Verfassung bleibt formal in Kraft, wird aber umgeschrieben. Die Reform tut "demokratisch", tatsächlich werden neue Machtzentren, wie der Sicherheitsrat, aufgebaut. Nicht vergessen ist, wie Putins Vertrauter Dmitri Medwedew von 2008 bis 2012 im Kreml saß, um danach den Sessel für Putins Rückkehr aus der Position des Ministerpräsidenten ins Präsidentenamt freizumachen. Jetzt wird Medwedew mit dem Posten des Vize-Vorsitzenden (unter Putin) des russischen Sicherheitsrates belohnt.
Putin dominiert die Partei „Einiges Russland“, mit der er die nächsten Wahlen zum russischen Parlament (Duma) im Jahr 2021 erneut gewinnen will. Dann behielte er die politischen Fäden in der Hand, kann erneut Ministerpräsident werden und seine Position an der Spitze des Sicherheitsrates nutzen.
Putin muss reagieren
Putin musste auf die Unzufriedenheit in der russischen Bevölkerung reagieren, will aber gleichzeitig seine eigene Position stärken. Die Massen wissen nur allzu gut, woran es im täglichen Leben fehlt. Die Auswirkungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise werden auch in Russland immer spürbarer.
Auch die politische Unterdrückung jeder Opposition durch die Regierung steht in der Kritik. So berichtete die ICOR¹-Mitgliedspartei Russische Maoistische Partei (RMP) von den letzten Kommunalwahlen in Moskau: „Viele Menschen sind empört über die willkürlichen Beschränkungen der Teilnahme für oppositionelle Liberale, aber auch einige linke Kandidaten. Und über die brutalen polizeilichen und gerichtlichen Vergeltungsmaßnahmen, mit denen die Behörden auf die Proteste reagierten. Der gravierendste Fall ist eine Gefängnisstrafe gegen einen zufälligen Passanten, den ein Polizist mit dem Stock schlug und an der Schulter verletzte.“
Und dieses Verhalten der Putin-Administration und ihres „Sicherheits-Apparats“ gegenüber den Massen ist an der Tagesordnung. Gegen Medwedew richten sich seit 2017 immer wieder Proteste wegen Korruption. Putin versucht, den Unmut nun mit diesem politischen Schachzug von sich auf andere Staatsvertreter abzulenken.
Regierung der leeren Versprechungen
In seiner Rede „zur Lage der Nation“ versprach Putin, arme Familien mehr zu unterstützen, kündigte finanzielle Leistungen für Familien mit geringem Einkommen oder mit vielen Kindern an. Niedrige Einkommen seien ein Hindernis für das Bevölkerungswachstum. Junge, gut ausgebildete Menschen wandern ins Ausland ab. Welch ein Eingeständnis des eigenen Regierungsversagens.
Nach 2024 müsste Putin eigentlich von seinem Amt abtreten. Daher kündigt er jetzt strukturelle Veränderungen an, um sein „politisches Überleben“ zu sichern. Verschiedene bürgerliche Quellen sehen darin das persönliche Absichern seiner Macht im Alter. Den Herrschenden geht es aber um die politische Stabilisierung der gesamten Regierung und des russischen Imperialismus in einer Situation größter Krisenhaftigkeit. Hier hat Russland mit seiner einseitigen Abhängigkeit vom Export wichtiger Rohstoffe und sinkenden Rohstoffpreisen für eigenes Gas und andere Stoffe ein schweres Handicap.
Umgehend nach dem Regierungsrücktritt bestätigte die Duma Michail Mischustin als neuen Ministerpräsidenten. Er ist mit staatsmonopolistischen Gepflogenheiten gut vertraut. Zwei Jahre arbeitete er für die Investmentgesellschaft UFG Capital, damalige Tochter der Deutschen Bank. Er verspricht Arbeitsplätze, wie jeder bürgerliche Politiker. Damit legt er weitere Probleme der Regierung offen.
Der ganze Vorgang und die Politik des machtbesessenen nationalistischen Monopolpolitikers Putin unterstreicht, wie absurd es ist, wenn ihn Kräfte wie die DKP als objektiv antiimperialistisch ansehen. Er ist ein reaktionärer und imperialistischer Machtpolitiker vom Schlage Donald Trumps. Er wirft bisherige demokratische und diplomatische Gepflogenheiten in der Innen- und Außenpolitik über den Haufen, um seiner Rechtsentwicklung Platz zu machen.
Mehr zur Rolle Russlands als neuimperialistisches Land findet sich in der Broschüre "Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder" von Stefan Engel. Sie kann hier bezogen werden!