Kanzleramtstreffen
Neue konzertierte Aktion zur Verhinderung von Massenkämpfen der Automobilarbeiter
Unter Leitung von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) trafen sich am 15. Januar Personalvorstände der Autoindustrie, Gewerkschaftsspitzen, Betriebsräte und Fachminister zu einer neuen konzertierten Aktion.
Sie verabredeten einen Maßnahmenkatalog zur Abwälzung und zugleich zur Abdämpfung der verschiedensten Krisenfolgen vor allem in der Automobilindustrie. Das böse Wort "Krise" wurde dabei möglichst vermieden. Stattdessen war viel vom "Strukturwandel" die Rede, den es zu "begleiten" gelte.
Ausgeblendet wird damit, dass sich verschiedenste tiefgreifende Strukturkrisen - unter anderem aufgrund der Digitalisierung und der Umstellung auf Elektroantriebe - mit einer erneuten periodisch auftretenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise durchdringen. Eine von der Bundesregierung eingerichtete Arbeitsgruppe „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ rechnet damit, dass diesem Krisenchaos allein in der Autoindustrie bis zu 410.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen.
Die Sorgen der Krisenmanager
Sind den Spitzenvertretern der Konzerne und der Regierung nun plötzlich die Interessen der Millionen Betroffenen eingefallen? Keineswegs - sie treiben ganz andere Sorgen um. Nachdem immer mehr Autokonzerne zur Entlassung von Leiharbeitern, zu Kurzarbeit und zur Vernichtung Tausender Arbeitsplätze übergehen, wächst unter den Belegschaften die Unruhe. Selbständige, konzern- und branchenweite Streiks sind herausgefordert, und die Betriebsgruppen der MLPD helfen den Belegschaften, solche Kämpfe vorzubereiten, durchzuführen und höherzuentwickeln.
Die im Kanzleramt verabredeten Maßnahmen sollen den Übergang zur Arbeiteroffensive auf breiter Front verhindern. Wirklich Neues fiel den Krisenmanagern allerdings nicht ein. Fast alle Vereinbarungen gehen auf Forderungen zurück, die die Unternehmerverbände seit Monaten erheben.
Lob für die Brandstifter
Im Zentrum stehen die Senkung der Hürden für Kurzarbeit und die Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld bis zu zwei Jahren. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versprach eine entsprechende Verordnung bis Ende des Monats. Die massive Ausweitung von Kurzarbeit soll Massenentlassungen verhindern oder aufschieben. Die Autokonzerne wollen ihre gut ausgebildeten Arbeitskräfte möglichst halten. Vor allem scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser die Konfrontation mit den Belegschaften.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann gibt sich erleichtert. Nun könne man verhindern, "dass Beschäftigte unter die Räder kommen", und dass es zu "industriellen Wüsten" in Regionen kommt, die vom Verbrennungsmotor abhängen. Ausgerechnet die Verursacher der Krisenbrände lobt Hofmann dafür, dass sie diese nun zu löschen versuchen. Kein Wunder, fürchtet doch auch er das Feuer des Klassenkampfs.
Kurzarbeit kann Krisen nicht beheben
"Es sind doch wir, die für die Kurzarbeit bezahlen. Wie soll man denn die Lohneinbußen einfach so wegstecken, wenn man Familie hat?" So ein betroffener Ford-Kollege zu einem Rote Fahne-Verkäufer am Tor. Denn das von der Arbeitsagentur für die Ausfallzeit gezahlte Kurzarbeitergeld beträgt nur 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern und 60 Prozent für Beschäftigte ohne Kinder. Und auch das Kurzarbeitergeld finanzieren die Arbeiter und Angestellten über ihre Arbeitslosenbeiträge mit.
Vieles spricht zudem dafür, dass die begonnene Weltwirtschafts- und Finanzkrise nicht von kurzer Dauer sein wird. Früher oder später werden die Konzerne von Kurzarbeit und Arbeitsplatzvernichtung ohne betriebsbedingte Kündigungen zu Massenentlassungen übergehen, wie es die RAG im Bergbau und Opel im Rüsselsheimer Entwicklungsbereich bereits vorexerzieren.
Kürzere Arbeitszeit ja - aber nicht auf Kosten der Belegschaften
Mit der geplanten Ausweitung von Kurzarbeit geben Monopole und Regierung aber indirekt zu, dass Arbeitszeitverkürzung dem Abbau von Arbeitsplätzen entgegenwirkt. Sie wollen diese Arbeitszeitverkürzung jedoch auf Kosten der Beschäftigten statt auf Kosten der Monopolprofite, wie es bei der Durchsetzung der 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich der Fall wäre. Der Kampf darum aufzunehmen, ist deshalb die richtige Antwort auf diese Pläne.
Es ist auch nicht einzusehen, dass die Arbeiter in der Tarifrunde für die Krisen bezahlen, die sie nicht verursacht haben. Stefan Wolf, Vorstandsmitglied des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), will statt einer prozentualen Tariferhöhung nur eine Einmalzahlung zugestehen. Und auch das nur im Fall einer "Erholung der Konjunktur". Solche Unverschämtheiten werden bei den bevorstehenden Tarifkampfaktionen die gebührende Antwort erhalten.
Massenkämpfe vorbereiten
In der aktuellen Ausgabe des Rote Fahne Magazins werden weitergehende Schlussfolgerungen gezogen: "Es kommt jetzt vor allem darauf an, die Bewusstheit und Organisiertheit zu erhöhen, den Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz zu führen, sich auf offensiv geführte Tarifrunden einzustellen sowie Arbeiter- und Massenkämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten vorzubereiten." (mehr dazu)
Das Magazin zieht darüber hinaus Schlussfolgerungen für eine sozialistische Zukunft, in der Wirtschaftskrisen der Vergangenheit angehören.