Berlin
"Mietendeckel" beschlossen - Zugeständnis an Mieterproteste
Am Donnerstag, den 30. Januar, beschloss der Berliner Senat mit seiner „rot-rot-grünen“ Mehrheit ein für Deutschland erstmaliges Gesetz zur Deckelung der Mieten für die nächsten fünf Jahre.
Über 140 Mieterinitiativen sind in den letzten Jahren allein in Berlin entstanden, um sich gegen Wohnungsnot, horrende Mietpreissteigerungen und Gentrifizierung1 zu wehren.
Allein im letzten Jahr gingen über 50.000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße. Die MLPD war aktiv dabei. Der Berliner Senat war gezwungen, darauf zu reagieren.
Bisher weitestgehender Mieterschutz
Kernelemente des neuen Gesetzes sind ein Mietenstopp, bei dem alle Bestandsmieten von Wohnungen, die vor 2014 gebaut wurden, für fünf Jahre eingefroren werden. Davon ausgenommen sind der „Neubau“ (dazu zählen unter anderem auch Sanierungen bisher unbewohnter Altbauten) sowie Sozialwohnungen.
Der Mietenstopp soll rückwirkend ab 18. Juni 2019 gelten - was bereits im Vorfeld dazu führte, dass Vermieter bis zu diesem Datum ihre Mieten nochmal kräftig anhoben.
Zweiter Baustein des Gesetzes ist die Einführung von Mietobergrenzen, die auch bei Neuvermietungen gelten. Neun Monate nach Einführung des Gesetzes soll darüber hinaus die Möglichkeit bestehen, überhöhte Mieten absenken zu lassen. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.2
Immobilienhaie wittern "Planwirtschaft"
Schon seit Monaten laufen Immobilienkonzerne und -verbände, aber auch die Berliner CDU und FDP dagegen Sturm. Ihre Senatsfraktionen kündigten umgehend eine Verfassungsklage an. Die großen deutschen Konzerne, allen voran Deutsche Wohnen und Vonovia, mussten bereits Kursrückgänge an der Börse hinnehmen. Der Deutsche Immobilienverband warnte vor einer Rückkehr "zur sozialistischen Wohnungspolitik" und davor, dass dies den Berliner Wohnungsbau "lahmlegen" werde.3
Jede Beschneidung ihrer Maximalprofite lässt diese Leute schon das Schreckgespenst des Sozialismus/Kommunismus wittern und ruft reflexartig antikommunistische Attacken hervor. Sie werden sich das Geschäft mit jährlich rund 20.000 neu zu bauenden Wohnungen und weiter bestehenden Rekordmieten in der Hauptstadt sicher nicht entgehen lassen.
Desaster wie bei "Mietpreisbremse" droht
Dabei hatte die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linkspartei noch in der vorausgangenen Woche den Gesetzentwurf geändert. Auf ihrer Homepage erklärte die zuständige Senatsverwaltung: „Bislang war vorgesehen, dass auf Antrag der Mieter*innen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Miete abgesenkt hätte. Jetzt ist kein Antrag mehr nötig, sondern der Gesetzentwurf legt fest, dass eine überhöhte Miete verboten ist."
Damit droht ein ähnliches Desaster wie bei der „Mietpreisbremse“: Die Mieter müssen darauf hoffen, dass die Vermieter von selbst das Gesetz befolgen. Tun sie das nicht, müssen die Mieter zivilrechtlich gegen sie vorgehen.
Soziale Schieflage
Die Betreiber der Online-Plattform Immobilienscout24 haben errechnet, dass zuletzt vor allem das Angebot an Eigentumswohnungen „rasant angestiegen“ sei. 40 Prozent mehr unvermietete Immobilien als im Juni 2019 würden inseriert und 25 Prozent mehr vermietete Objekte bei gestiegenen Preisen.
Klaus Freudigmann, Aktivist in der Berliner Mieterbewegung erklärt: „Dieser Deckel hat eine soziale Schieflage: Er begünstigt Mieter von teuren Wohnungen mit einem hohen Einkommen. Er besagt, dass ein Vermieter jedoch gleichzeitig die Mieten, die bisher unter 5,01 Euro pro Quadratmeter lagen, um einen Euro erhöhen kann. Betroffen sind davon besonders Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener und mittellose Studentinnen und Studenten, die bisher noch in Wohnungen mit geringer Miete wohnen. Der Deckel bekämpft auch nicht die vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen von vermieteten Eigentumswohnungen.“
Der kapitalistische Markt braucht Wohnungsnot
Friedrich Engels
Jörg Irion, MLPD und Aktivist in der Berliner Mieterbewegung, führt zu den gesellschaftlichen Ursachen aus: „Immobilien sind in neuer Weise zum besonderen Spekulationsobjekt geworden. Mit der begonnenen Wirtschaftskrise wird sich das weiter zuspitzen, was Erhöhungen der Miete sowie Wohnnebenkosten und Kündigungen betrifft. Schon Friedrich Engels sagte: ‚Der kapitalistische Markt braucht Wohnungsnot‘.
Es ist eine revisionistische Illusion, den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten mit Gesetzesinitiativen beikommen zu wollen. Die Menschen müssen sich von der Illusion befreien, dass im Kapitalismus ein Menschenrecht auf Wohnen durchsetzbar wäre. Dazu braucht es den echten Sozialismus, in dem das Recht auf günstigen und umweltfreundlichen Wohnraum mit an vorderster Stelle stehen wird.“
Weitere Demonstrationen geplant
Dazu Klaus Freudigmann: „Es hat sich eine Bewegung entwickelt, die sich nicht mehr vom rot-rot-grünen Senat und der Bundesregierung beschwichtigen lässt. Für den 28. März 2020 sind weitere bundes- und europaweite Demonstrationen mit den Slogans ‚Wohnen für Menschen statt für Profite‘ und ‚Gegen Mietenwahnsinn‘ angesagt, und die Leser sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen."