27. Januar 1945
Gedanken zur Befreiung des KZ Auschwitz/Birkenau durch die Rote Armee
"Rote Fahne News" veröffentlicht - leicht gekürzt - einen Gastbeitrag von Klaus Dimler zum Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz/Birkenau. Klaus Dimler ist der Sohn eines Buchenwald-Häftlings (1), Mitglied der Lagerarbeitsgemeinschaft (LAG) Buchenwald-Mittelbau-Dora und der VVN-BdA.
Zunächst ein Hinweis, dass das Konzentrationslager (KZ) Majdanek/Lublin Ende Juli 1944 das erste von der Roten Armee befreite Vernichtungslager war. Die Bilder, die damals an die Weltöffentlichkeit gelangten, wurden aber besonders in der westlichen Welt noch angezweifelt. Es ging ja auch "nur" um 70.000 Opfer.
Die volle Wahrheit über das Grauen in den KZ und ihren Vernichtungslagern konnte aber mit der Befreiung des Massenvernichtungslagers Auschwitz/Birkenau am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Ermordung von mehr als 1,3 Millionen Menschen in weniger als vier Jahren war durch unzählige Dokumente, Bilder und Filme belegt und nicht mehr zu leugnen.
Die Geschichte von Auschwitz begann - wie für viele größere KZ im faschistischen Machtbereich - auf persönlichen Befehl Himmlers (Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei) im Sommer 1940 in einer ehemals polnischen Kaserne. Zuerst wurden die politischen Erzfeinde des Faschismus, Vertreter des von den Faschisten so genannten „jüdischen Bolschewismus“, also Kommunisten, Sozialdemokraten, demokratische Politiker, Geistliche, Sportler, Wissenschaftler, Künstler und andere nach Auschwitz gebracht. Die meisten von ihnen waren jüdischer, tschechischer, aber auch deutscher Herkunft.
Darunter waren: Hermann Axen, Kommunist (nach 1949 im SED-Politbüro); Isydor Gasienica-Luszczek, ein polnischer olympischer Skisportler; Esther Bejarano, Musikerin und letzte Überlebende des KZ-Mädchenorchesters; Fritz Löhner-Beda, Textautor des Buchenwaldliedes; Angela Autsch, Nonne des Klosters Mötz/Tirol; Jacques Feldbau, französischer Mathematiker; Anne Frank, Schülerin.
Mit dem "Russlandfeldzug" ab Juni 1941, dem Besuch Himmlers in Auschwitz und dem Beschluss der NS-Führung von 1941 zur Ausrottung der Juden und anderer von ihnen so bezeichneter "minderwertiger Rassen", wurde Auschwitz/Birkenau zum größten Massenvernichtungslager. 250 der bis Oktober 1941 eingelieferten 10.000 Rotarmisten mussten für die ersten Versuche mit dem Giftgas Zyklon B herhalten.
Die ersten großen Judentransporte kamen 1942 aus der Slowakei, Frankreich und später aus allen von den Faschisten besetzten Ländern. Die Firma Topf & Söhne lieferten die neuen, perfektionierten Vergasungskammern, wie schon zuvor die Verbrennungsöfen von Buchenwald. Auch in Auschwitz oder Majdanek gab es Verzweiflungsaktionen und Ausbruchsversuche der Häftlinge, die scheitern mussten.
Immer und immer wieder versuche ich, mich in diese Zeit hineinzudenken. Was haben die Meschen gefühlt, als sie in Gaskammern getrieben wurden? Als sie aus den Viehwaggons heraus selektiert wurden. Die einen sofort ins Gas oder andere als kostenlose Arbeitssklaven in die Außenlager Buchenwalds, um dort zu verrecken. Skrupellos haben sich SS und Industrie daran bereichert. Heute kommt kein Vertreter der IG Farben, von Buna/Leuna, der Deutschen Hydrierwerke oder der Gustloffwerke zu Gedenkveranstaltungen.
Mich erschüttert immer wieder das Schicksal der Unschuldigsten. Der Kinder! Ich werde die Bilder der zerschmetterten Babys auf der Rampe, die Bilder der unglaublich aufgerissenen, hilfesuchenden Augen der kleinen Kinder nicht los. Ihren Müttern aus den Armen gerissen. Ich denke an Jerzy Zweig und "Nackt unter Wölfen". Er war Mitglied der LAG Buchenwald und ist nicht mit seinen Schicksal fertiggeworden.
Ich sehe aber auch die 900 geretteten Buchenwaldkinder nach der Selbstbefreiung. Warum ist die Selbstbefreiung in Buchenwald gelungen und gelang das in anderen KZ nicht?
Was ging in den Köpfen der deutschen Mörder vor sich, die aus allen Schichten der Bevölkerung kamen und selbst Familien hatten? ... Um so mehr verneige ich mich vor der Minderheit der Aufrichtigen, die den Kampf gegen den Faschismus aufgenommen hatten. Der Schwur von Buchenwald zeigt uns heute den Weg. Heute stehen uns 15.000 gewaltbereite Faschisten mit Komplizen in Polizei, Armee und Kommandos gegenüber, die den Tag X vorbereiten. Es geht schon lange nicht mehr nur um Gedenken und die Mahnung von Auschwitz, Buchenwald und die Opfer des Hitler-Faschismus.
Nur eine geschlossene antifaschistische Masseneinheitsfront gegen die Wurzeln des Faschismus kann diesen noch aufhalten und beseitigen. ... Der Feind der Menschheit sind die imperialistischen Systeme dieser Welt in ihrer alles vernichtenden Profit- und Machtgier.