Berlin
Lebensmittelgipfel schützt Diktatur der Monopole über unser Essen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte gestern ins Kanzleramt zum Lebensmittelgipfel geladen. Neben Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) unter anderem die Vertreter der vier größten Einzelhandelsmonopole Lidl, Aldi, Edeka und Rewe.
Der Gipfel war eine Reaktion auf Massenproteste von kleinen Landwirten. Aber auch der Umweltbewegung, die berechtigt Massentierhaltung, Umweltzerstörung durch Pestizideinsatz sowie Nitratbelastung von Grundwasser anprangert. Ein Beispiel, wie die Regierung auf den fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen reagieren muss. Doch die Vertreter der Klein- und Mittelbauern, Verbraucherverbände und die Umweltbewegung waren nicht geladen. Typisch!
Was der Gipfel versprach ...
Julia Klöckner kündigte großspurig an, man wolle nun im Interesse der Klein- und Mittelbauern hart durchgreifen und die EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken und Dumping-Methoden in deutsches Recht umsetzen. Dazu soll auch eine "Meldestelle" eingerichtet werden.
Was angeblich die Klein- und Mittelbauern schützen soll, schützt in Wirklichkeit die Agrar-, Lebensmittel- und Handelskonzerne. Statt die Konzerne zu Erzeugerpreisen zu verpflichten, von denen die Bauern existieren können, wird diesen die Verantwortung zugeschoben, sich über Dumping-Methoden zu beschweren.
Wie verlogen das ist, gibt Klöckner selbst zu, wenn sie das Verhältnis zwischen den Klein- und Mittelbauern sowie den Konzernen mit dem von "David und Goliath" gleichsetzt. Wer unter dem Druck der Monopolmacht der Konzerne immer niedrigere Erzeugerpreise hinnehmen muss, wird sich nicht mal eben so darüber "beschweren". Und es ist die Bundesregierung selbst, die mit ihren bürokratischen Umweltschutzauflagen mit dafür sorgt, dass die Kosten für Klein- und Mittelbetriebe drastisch steigen (mehr dazu).
… und was der Gipfel nicht versprach
Was in Berlin auf jeden Fall Tabu war, bestimmte vorab der Präsident des Monopolverbands des deutschen Einzelhandels HDE1, Josef Sanktjohanser: "Wir werden nicht über Preise reden."2 Hände weg von unserem Monopolprofit! - so könnte man das in Klartext übersetzen. Soviel zur Lebenslüge einer „sich selbst regulierenden Marktwirtschaft“ oder gar zum Mythos einer "Demokratie" für das Volk.
Nicht das Volk bestimmt die Niedrigstpreise an die Landwirte: Von einem Euro, den Verbraucher für Lebensmittel ausgeben, kommen nur 0,21 Euro beim Bauern an (2018). 20 Jahre zuvor waren es immerhin noch 0,25 Euro.3 Die Differenz von 0,75 Euro bzw. inzwischen 0,79 Euro heimsen sich die dazwischengeschalteten Molkereien, Lebensmittelkonzerne usw. ein.
Rewe-Chef sorgt sich um "gesunde Ernährung"?
Demagogisch gab sich Klöckner zugleich als Vorkämpferin gegen Niedrigpreise für Lebensmittel im Handel. Sie will dazu unter anderem den Verkauf unterhalb der Produktionskosten verbieten sowie unlautere Nahrungsmittelauktionen. Das wird angesichts der Diktatur der Monopole Dumpingpreise allenfalls eindämmen, aber nicht verhindern. Zumal sie ohnehin meist vorübergehend sind, bis höhere Marktanteile erobert sind.
Wenn Rewe-Chef Lionel Souque solche Preise mit der Sorge um "eine gesunde und sichere Ernährung" der "rund 13 Millionen Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze" rechtfertigt, treibt das die Demagogie auf die Spitze. Leute wie Souque sind maßgeblich für die Fehlernährung einer wachsenden Zahl von Menschen durch minderwertige Lebensmittel, Massentierhaltung und massenhaften Einsatz schädlicher Tiermedikamente verantwortlich.
Dabei wären viele durchaus bereit, für qualitativ bessere Lebensmittel mehr zu zahlen. Und es sind oft Klein- oder Biobauern, die auf qualitativ hochwertige Produktion achten, während für die kapitalistische Massentierhaltung in erster Linie Großagrarier verantwortlich sind.
Erzeugerpreise rauf – Verbraucherpreise runter – auf Kosten der Monopolprofite!
Verbesserungen für Erzeuger und Verbraucher können nur im Kampf gegen Regierung sowie Agrar- und Einzelhandelsmonopole durchgesetzt werden. Höhere Erzeugerpreise würden der massenhaften Vernichtung kleinbäuerlicher Existenzen entgegenwirken, die sich in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise beschleunigt.
Niedrige Verbraucherpeise auf qualitativ gute und ökologisch erzeugte Nahrungsmittel würden ärmeren Schichten der Bevölkerung ermöglichen, bessere Qualität statt Billigst-Schnäppchen zu kaufen. Die kleinen und mittleren Bauern sollten sich die Arbeiter als Vorbild nehmen, die sich mit gewerkschaftlicher Organisierung und dem Einsatz ihrer gemeinsamen Kampfkraft höhere Löhne erkämpfen. Sie müssen dazu aber auch mit reaktionären Strömungen fertigwerden, die etwa Umweltschutzauflagen gänzlich ablehnen.
Die Agrarplattform im Internationalistischen Bündnis hat Forderungen und Organisationsformen des Zusammenschlusses der Klein- und Mittelbauern mit der Arbeiter-, Frauen-, und Umweltbewegung vorgeschlagen.
Erst in einem sozialistischen Gesellschaftssystem wird ein gesamtgesellschaftlicher Paradigmenwechsel möglich sein. Planwirtschaftlich könnten dann gesunde Lebensmittel in der notwendigen Menge produziert werden, kollektiv könnte die Effektivität der Landwirtschaft verbessert und auf Augenhöhe zwischen Arbeitern und Bauern, Stadt und Land das gemeinschaftliche gesellschaftliche Leben höherentwickelt werden.