Berlin
Balkon-Musik in Krisenzeiten
Der Berliner Liedermacher Karl Nümmes berichtet über Balkon-Solidaritätsaktionen in seiner Nachbarschaft:
Eine Nachbarin verbreitete über den Telegram-Messenger den Aufruf: Abends um 21 Uhr zum Klatschen aus Solidarität mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen. Außerdem versandte sie den Link zu einer Telegram-Gruppe für unseren Bezirk mit 160 Angemeldeten, die die Nachbarschaftshilfe selbst organisieren. Angeregt von einem youtube-Video, das mein Enkelkind mir zugesandt hatte - „I cant´t get no Disinfection“ -, machte ich „I want get no that infection!“
Kurz vor 9 Uhr stand ein Nachbar am offenen Fenster mit Handy in der Hand. Da entdeckte ich eine Nachbarin neben uns auf dem Balkon. Ich fasste Mut, mit Kuhglocke und Ansprache: „Wer macht mit? Öffnet die Fenster und Balkone ...“ . Zaghaft öffneten sich weitere Fenster. „Warte, ich hole meinen Mann!“ rief die Nachbarin nebenan. Beim zweiten Mal waren mehr dabei. Wir verlegten das Ganze vor auf 19 Uhr, damit Kinder mitmachen und anschließend ins Bett können.
Beim dritten „Konzert“ war der Schwerpunkt: Trommeln, begleitet von Samba-Flöten-Rhythmus aus Solidarität mit Brasilianern, die unter dem Slogan „Weg mit Bolsonaro“ „Panelaços“ mit Kochtöpfen und Pfannen trommeln. Es gab auch vereinzelte Stimmen, die das zu politisch fanden. Beim vierten Mal ergriffen zwei Frauen die Initiative, klebten Text-Zettel an die Haustüren und sangen, begleitet von Querflöten die „Ode an die Freude“.
Es folgte nun eine Pause, und wir machen einen neuen Anlauf für ein weiteres Concerto Balcono in Verbindung mit Protest, solidarischer Nachbarschaftshilfe und Unterstützung des Kampfs für wirksame Maßnahmen gegen Corona.