Lateinamerika

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Wenn der Zynismus auf die Spitze getrieben wird - Deutschland zieht Pflegekräfte ab

Die Corona-Seuche ist in Lateinamerika später als in Europa und den USA angekommen und breitet sich rasend schnell aus.

Von Anna Bartholomé
Wenn der Zynismus auf die Spitze getrieben wird - Deutschland zieht Pflegekräfte ab
Protest und Straßensperre in Chile

Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation gab am 31. März 2020 bekannt, dass es bis dahin 188.949 bestätigte Infektionen gab und mehr als 3.500 Personen an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben sind. Insbesondere Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Chile und Ecuador meldeten am Dienstag einen dramatischen Anstieg von Neuinfizierten und Todesopfern. Die meisten Fälle verzeichnete nach Angaben der Johns Hopkins University am Dienstagmittag Brasilien mit mehr als 5.800, gefolgt von Chile mit mehr als 2.700 und Ecuador mit 2.300 Infizierten. Die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen. Nach Aussage von Carissa Etienne, der Direktorin der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, lag sie am 3. April bei gut 25.000.

 

Um so zynischer ist es, dass die Bundesregierung auch noch nach Beginn der weltweiten Corona-Krise medizinische Fachkräfte aus anderen Ländern abzieht. Wie der zur ARD gehörende Auslandssender Deutsche Welle berichtet, wurden bis kurz vor der Schließung der deutschen Grenzen noch Pflegekräfte aus Argentinien und Brasilien eingeflogen, die nun Sprachunterricht erhalten und möglichst bald in Krankenhäusern eingesetzt werden sollen. Statt selber für die Ausbildung – und Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Bezahlung – von Fachkräften in Deutschland zu sorgen, setzt Deutschland auf die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte, zunächst vorwiegend aus osteuropäischen Ländern und von den den Philippinen.

 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fuhr noch im September letzten Jahres in den Kosovo und nach Mexiko, um ausgebildete Pflegekräfte anzuwerben. Insbesondere Mexiko, Brasilien und Argentinien stehen aufgrund ihrer guten pflegerischen Ausbildung im Fokus der zahlreichen privaten Agenturen, die an der Rekrutierung und Vermittlung von Pflegekräften verdienen.

 

Überall protestieren die Massen gegen die Verharmlosung, wie sie der Faschist Jair Bolsonaro in Brasilien verkündete, der die Seuche zu einem „Grippchen“ erklärte – bevor er gestern umsteuerte – ohne jede Vorkehrungen. Keine Fernsehansprache Bolsonaros, ohne dass im ganzen Land "Casserolazos" an den Fenstern und auf den Balkonen lautstark ertönen. Jedem ist klar, dass besonders in den engen Gassen der Armenviertel – oft ohne Kanalisation und Wasseranschlüsse - und beim Zusammeneben auf engstem Raum die Todeszifferen sprunghaft in die Höhe schnellen werden.

 

Die Zeitung der argentinischen marxistisch-leninistischen Partei PCR, Hoy, berichtet von massiver Kritik an der Regierung, die Ausgangssperren verhängt, aber nicht dafür sorgt, dass Lebensmittel in die abgesperrten Viertel gebracht werden. Voller Stolz aber berichtet sie auch von dem großen Engagement der Selbsthilfeorganisationen, an denen sich die PCR und der Jugendverband aktiv beteiligten.

 

In Ecuador titelt En Marcha, die Zeitung der marxistisch-leninistischen Partei PCMLE: „Wir kämpfen nicht allein gegen die Pandemie, sondern für eine neue und bessere Zukunft“. Es wird erklärt, dass das Virus zwar keine Klassenunterschiede macht, wen er infiziert – wohl aber, dass die Armen schlechter versorgt und deutlich stärker bedroht werden. Scharf kritisiert wird die Regierung, weil sie Gelder für die Rückzahlung von Ausandsschulden locker macht, statt diese in dringend nötige Gesundheitsmaßnahmen zu investieren.