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Ausnahmezustand soll "neue Normalität" sein?

Finanzminister Scholz äußerte in der vergangenen Woche den denkwürdigen Satz, dass die Gesellschaften in eine "neue Normalität" übergehen: "Wir bewegen uns in eine neue Normalität, eine Normalität, die nicht kurz sein wird, sondern die länger andauern wird."¹

Von dw
Ausnahmezustand soll "neue Normalität" sein?
Willkommen in der "neuen Normalität" - Ein Bild mit Symbolwert (foto: Times (CC BY SA-3.0))

"Neu-normal" ist nach der Definition von Scholz:

  • Dass Billionen Hilfsgelder auf Kommando ausgezahlt werden und gleichzeitig Arbeiter mit 60 Prozent ihres Lohnes (nicht) zum Sozialamt gehen können, Minijobber und viele andere ohne jeden Cent dastehen, wenn "ihre" Jobs stillgelegt sind;

 

  • dass selbst die äußerst dünne parlamentarische Behandlung der Gesetze und Verordnungen der krisenmanagenden Regierung mehr oder weniger ausgesetzt ist, und dass die Regierungen auf aller Ebene "durchregieren" können, wie es so schön heißt;

 

  • dass mit dem "Ausnahmezustand" einer gesundheitlichen Krise die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten in seit dem II. Weltkrieg unbekanntem Maße ausgesetzt werden.

 

Das ist keine neue "neue Normalität", sondern der penetrante Versuch, das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft und des bürgerlichen Staats unter den Bedingungen der Corona-Pandemie aufrechtzuerhalten.

Sinnvolle Maßnahmen werden nicht durchgeführt

Tatsächlich gesundheitspolitisch sinnvolle und notwendige Maßnahmen werden gleichzeitig nicht durchgeführt.

 

  • Aus Profitgründen, wenn Produktionen ohne Not weiterlaufen.
  • Aus Unfähigkeitsgründen, wenn Schutzmasken und -ausrüstungen nicht bereitstehen.
  • Aus Menschenverachtung, wenn für Alte und Kranke, für Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und in Sammelunterkünften real ganz andere Regeln gelten als die offiziell verkündeten.

 

Im "Heute-Journal" am 19. April erklärte Wolfgang Schäuble, der als Präsident des Deutschen Bundestags nach offizieller Lesart insbesondere für die Rechte des Parlaments zuständig wäre, recht offenherzig zur Regierungsarbeit der letzten Wochen: „Die Entscheidungen sind im Wesentlichen ... auf Grundlage des Grundgesetzes und der Gesetze. Aber natürlich, in so einer Situation der Bedrohungslage können wir nicht monatelang prüfen und debattieren und alle Gesichtspunkte beachten."

Bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten verteidigen

Im Wesentlichen? Ein Eingeständnis, das für ihn "im Unwesentlichen" gesetzes- und gar grundgesetzwidrig agiert wird. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige Justizministerin und eine der letzten Liberalen in der FDP, wies bei "Anne Will" völlig zu Recht darauf hin, dass Ausnahmezustand und Normalität einander ausschließende Begriffe sind.

 

Der 1. Mai - oder auch der kommende Freitag mit bundesweit angekündigten Fridays-for-Future-Aktivitäten - ist ein unbedingt nötiger Punkt, um - unter Beachtung gesundheitlicher Schutzmaßnahmen - die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten gegen die Notstandsmentalität der "neuen Normalität" zu verteidigen.