Literaturtipp
„Die Lüge“ von Herbert Otto
Die Zeit der Kontaktbeschränkungen verbringt manch einer verstärkt vor dem Fernseher. Dass die "ARD" just in dieser Situation die antikommunistische TV-Serie „Der Überläufer“ nach dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz ins Programm nahm, war wahrscheinlich Zufall. Für die Herrschenden aber sicher ein willkommener.
Wen die historischen Zusammenhänge, in denen die Serie angesiedelt ist, interessieren, dem bietet der Roman „Die Lüge“ von Herbert Otto eine weitaus spannendere Abendunterhaltung.
Hauptfigur ist auch hier ein junger Wehrmachtssoldat. Gerade ein Jahr bei der Armee, findet sich Alfred Haferkorn an der Ostfront wieder. Ohnehin nicht begeistert vom Soldatenleben, erlebt er hier, im Kampf gegen sowjetische Partisanen, die Grausamkeit der faschistischen Kriegsführung.
Eine Entscheidung, die alles verändern wird
Der Gedanke, zur Roten Armee überzulaufen, ist ein ständiger Begleiter. Genau wie die Zweifel, ob die Russen ihn nicht doch erschießen, wenn er sich ergibt. Die Wirkung der antikommunistischen Verhetzung sitzt tief – trotz aller Widersprüche zu den Faschisten. Als eines Nachts sein Kamerad, der Kommunist Wilhelms Weiß, überläuft, muss sich Alfred Haferkorn entscheiden – eine Entscheidung, die alles verändern wird.
Herbert Otto gelingt es sehr gut, den Kampf um die Denkweise des Soldaten Alfred Haferkorn zu beschreiben. Hin- und hergerissen zwischen den tiefen Zweifeln und Ängsten, die die faschistische Demagogie gesät hat, und den persönlichen Erfahrungen, muss er einen Weg finden, sich der eigenen Vergangenheit und Verantwortung zu stellen.
Spannend geschriebener Roman
Ein ausgesprochen spannend geschriebener Roman über Krieg, Gefangenschaft und den schwierigen, aber lohnenswerten Kampf um die eigene Selbstveränderung.
Der Autor geriet selbst als Wehrmachtssoldat in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung 1948 und einem anschließenden Besuch der Antifa-Zentralschule in Moskau begann er in der DDR seine schriftstellerische Laufbahn. „Die Lüge“ war sein erster Roman und erschien bereits 1956. Das Buch ist antiquarisch auf Internet-Plattformen wie booklooker.de erhältlich.