Gesundheitswesen
Es wird das gemacht, was sich rechnet - vom Scheitern der Fallpauschale
Am 19. April kam im "Deutschlandfunk" ein interessantes Interview mit dem Gesundheitsethiker Giovanni Maio.
Maio berichtet, wie Deutschland nun in der Corona-Pandemie die Rechnung dafür erhält, wie das Gesundheitssystem der letzten Jahre bewusst verändert wurde. Oft würde gesagt, man hätte eben "sparen" müssen. Die Einführung der Fallpauschale sei damit begründet worden, dass - wenn sie nicht käme - alles teurer würde.
Doch, so Maio: „Aber das war ja gar nicht richtig. Es gab keine Kostenexplosion. Die Kostenexplosion kam erst danach – durch die Fallpauschalen hat man nur noch das Teure gemacht.“ Denn eben durch die Fallpauschalen habe man zum Beispiel viele Operationen gemacht, die nicht unbedingt notwendig seien, die sogar extrem teuer seien – sich aber rechnen, weil sie viel Geld einbringen.
"Viele wollen einfach nur helfen"
Es ist mittlerweile auch so, dass in den Krankenhäusern der medizinische Direktor dem kaufmännischen Direktor unterstellt ist. Völlig ohne Not sei das Personal unter einem enormen Stress gesetzt worden. Mit der Corona-Krise ist das System der Fallpauschalen in vielerlei Hinsicht gescheitert, es zeigt sich, dass dies ein katastrophaler Fehler war. Das Vertrauen der Menschen in die Medizin wurde im Laufe der letzten Jahre zerstört.
Zum Schluss fragt die Journalistin, warum die Mediziner denn dann nicht mehr protestieren? Maio: „ … dass die Ärzte selber natürlich innerlich zerstritten sind und nicht mit einer geschlossenen Stimme sprechen. Dass es viele Ärzte gibt, die natürlich auch Gewinner dieses Systems sind, die gekapert worden sind, indem man sie gut bezahlt. … Insofern gibt es nicht nur Verlierer. Und dass die Ärzte per se nicht politisch sind, sie sind nicht politisch organisiert, sie wollen einfach nur helfen. ... Ihre Grundhaltung ist nicht politisch, und das rächt sich jetzt.“ Ganz so kann man es sicher nicht verallgemeinern.
Wie muss ein "Systemwechsel" im Gesundheitswesen aussehen?
Vielleicht ist die derzeitige globale Gesundheitskrise ein Anlass für viele Mediziner, diese Haltung zu überdenken. Die Organisierung in der Gewerkschaft ver.di, in der Medizinerplattform des Internationalistischen Bündnisses sowie in der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands sei hier jedem empfohlen!
Zugleich kranken Maios Lösungsvorschläge selbst noch an der politischen Konzeption. Berechtigt fordert er einen Systemwechsel im Gesundheitswesen - dass die Medizin nicht am Profit ausgerichtet sein darf, sondern an einer allseitigen und prophylaktischen Versorgung der Menschen. Doch hofft er, dass sich dies durch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie als Weckruf ändern ließe.
Doch wie soll ein Systemwechsel im Gesundheitswesen funktionieren, wenn es gesamtgesellschaftlich keinen revolutionär erkämpften Systemwechsel gibt? Das funktioniert ebensowenig, wie wenn man in einem krebsverseuchten Körper ein einzelnes Organ retten wolle. Gesundet nicht der ganze Körper, wird auch das einzelne Organ letztlich sterben.
Es braucht die Logik einer sozialistischen befreiten Gesellschaft
Die Profitausrichtung des Gesundheitswesens ist die Folge des gesetzmäßigen Strebens des Monopolkapitals nach immer neuen Märkten und Anlagemöglichkeiten, um maximalen Profit zu generieren. Aufgrund der chronischen Überakkumulation von Kapital musste das Finanzkapital seit Anfang der 1990er-Jahre immer neue Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erobern, wollte es im Konkurrenzkampf bestehen. So wurden Bereiche der sozialen Daseinsfürsorge, der Gesundheitsversorgung oder des Bildungswesens in den Schlund der Profitmacherei gesogen.
Kein Reformpolitiker wird das rückgängig machen können. Nur eine Revolutionierung der politischen und ökonomischen Besitz- und Machtverhältnisse wird auch eine Revolutionierung des Gesundheitssystems ermöglichen. Maio greift bei seinen Lösungskonzepten zu kurz, wenn er lediglich von einer Logik der Medizin und einer Freiheit der Ärzte spricht.
Die gesamten Paradigmen der Gesellschaft müssen unter Führung der Arbeiterklasse verändert werden, um in allen Bereichen die Logik einer sozialistischen befreiten Gesellschaft einzuführen, bei der die sich stets verändernden Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen. Wenn die gesamte Gesellschaft von der Maxime des Profits befreit ist, dann werden Maios Studenten auch endlich das machen können, wofür sie lernen: „Das erlebe ich bei meinen Studenten: Sie wollen einfach den Menschen helfen!“
Das dreizehnminütige Interview ist auch in der Mediathek des Deutschlandfunks zu finden (Etwas nach unten scrollen!)