Seehofers Strategiepapier
„Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“
Bundesinnenminister Seehofer hatte am 18. März ein Strategiepapier in Auftrag gegeben - als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“. Federführend bei der Erstellung war Staatssekretär Dr. Markus Kerber, von 2011 bis 2017 Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums beim führenden Monopolverband BDI.
Wer sich „vielleicht“ wundert, dass das Innenministerium und nicht das Gesundheitsministerium die Corona-Leitlinien vorgibt: Es handelt sich um die zentrale politische Leitlinie des Krisenmanagements in Deutschland. Sein Titel: „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“.
Das Innenministerium zeigt sich angesichts der Corona-Pandemie allerdings hilflos bis panisch. Die Schätzungen der vermutlichen Todesopfer schwanken zwischen fast 12.000 und fast 1,2 Millionen Menschen. Die größte Sorge aber ist, dass im Zuge der Corona-Krise „im Sinne einer 'Kernschmelze' das gesamte System in Frage gestellt werden“ könnte: „Es droht, dass dies die Gemeinschaft in einen völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie verändert...“. Daraus spricht die nackte Angst vor offenen politischen Krisen bis hin zu revolutionären Krisen! Die MLPD hatte von Anfang an darauf hingewiesen, dass im Zentrum des staatlichen Krisenmanagements steht, der Vertrauenskrise der Massen in die bürgerliche Politik entgegenzuwirken.
Kommunistische "Verschwörungstheorie"?
Manch einer diffamierte das als kommunistische „Verschwörungstheorie“. Doch hören wir das Innenministerium selbst. „Die gegenwärtige Krise durch COVID-19 ist ein harter Schlag für das Vertrauen in die Institutionen“, heißt es in dem Papier. Spricht daraus vielleicht - ganz versteckt ... - das schlechte Gewissen angesichts der miserablen Einstellung auf die Pandemie? Vorausgeahnt wird: „Die gegenwärtige Krise ... hat das Potential, das Vertrauen in die demokratischen Institutionen in Deutschland nachhaltig zu erschüttern. Dem kann und muss entgegengewirkt werden.“
Die Leitlinien dabei sind:
Rechtfertigung des Abbaus bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten und verstärkte Faschisierung des Staatsapparats: Tests werden hier nicht etwa als wirksames Mittel gegen Corona gelobt, sondern weil damit die „Akzeptanz und Sinnhaftigkeit von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen erhöht“ wird.
Gleichartig ausgerichtet wurden die Massenmedien: Gefordert wurde „ein gemeinsames Narrativ (#wirbleibenzuhause…) und im besten Fall viele Gesichter (Prominente, … Politiker, … Wissenschaftler) ...“. Macht man den Fernseher an, begegnet man dem heute auf Schritt und Tritt, scheinbar vielfältig und engagiert - stammt aber aus dem Hause Seehofer! So viel allgemein zur „freien Presse“. Da wundert es nicht, dass seit Ende März 2020 die Brisanz dieses Strategiepapiers in vielen Medien krass heruntergespielt wurde. Mittlerweile mehren sich allerdings auch in den Medien Kritiken am Krisenmanagement.
Panikmache als bewusst eingesetzte Methode: Man müsse dringend „die gewünschte Schockwirkung“ erzielen. So sollen die Medien verbreiten: „Wenn sie (die Kinder - Anm. d. Red.) dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie zum Beispiel vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“
Vertrauen in die Regierung erschleichen und die Klassenzusammenarbeit beleben: Die „Devise“ müsse sein: „Es kommt etwas sehr Bedrohliches auf uns zu, wir haben die Gefahr aber erkannt und handeln entschieden und überlegt. Wir brauchen ein Zusammenkommen und Wirken von allen Kräften in der Gesellschaft.“ Natürlich steht kein Wort dazu drin, wie katastrophal die Krisenvorbereitung der Herrschenden war. „Entschieden“ kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt (!) an, dass man evtl. doch mal anfangen würde, mehr Schutzmasken zu produzieren ... Nicht mit der Regierung und den Monopolen, sondern gegen sie muss ein konsequenter Gesundheitsschutz durchgesetzt und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen bekämpft werden.
Ausrichtung des Krisenmanagements auf die internationalen Übermonopole: So werden besonders die „international tätigen Unternehmen“ hervorgehoben. Sie wären auch „durch die Nichtverfügbarkeit von Arbeitskräften beschränkt. Letzteres wird sich entspannen, wenn die Schulen und Kitas wieder öffnen.“ Ach deshalb hat es die Regierung hier jetzt so eilig ...
Seehofer wird zufrieden sein, wenn er sich das regierungsamtliche Krisenmanagement ansieht, das weitgehend seiner Blaupause folgt. Das gesellschaftliche System der kleinbürgerlichen Denkweise wurde zentral ausgerichtet. Und es ist weiter nach rechts gerückt.
Gravierende Fehleinschätzungen
Aber die Regierung glänzt durch gravierende Fehleinschätzungen – nicht nur bezüglich der Entwicklung der Pandemie und der notwendigen Maßnahmen. Das Innenministerium schreibt viel über die Massen, wie man sie manipulieren und einschränken soll. Sie hat deren kritisches Bewusstsein und Aktivität nicht auf dem Plan! Das Innenministerium weiß sogar, dass die jetzige Krise „breiter, tiefgreifender und länger“ sein wird als die große Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2014.
Es behauptet aber, das läge nur an Corona. So setzt die Strategie darauf, dass mit der Eindämmung des Virus die Krise vorbei sei, während die Weltwirtschafts- und Finanzkrise schon lange vor Corona begann und auch nicht damit enden wird. Erst recht gilt das für die allgemeine Krisenhaftigkeit des Imperialismus, die sich verschärft. Es fabuliert weitgehend von nationalen Lösungen, obwohl internationale Krisen auch internationale Lösungen erfordern. Und so wird Seehofers Strategie letztlich scheitern! Dass sein Geheimdokument doch bekannt wurde, wird sicherlich dazu beitragen!