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Warum der Ölpreis ins Bodenlose stürzt – und was das für Folgen hat

An den Ölmärkten ist der Preis für US-Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) zum ersten Mal in der Geschichte ins Minus gestürzt.

Von ba
Warum der Ölpreis ins Bodenlose stürzt – und was das für Folgen hat
Ölförderung an einer Quelle in Texas (foto: Flcelloguy (CC BY-Sa 3.0))

Am Montagabend „kostete“ ein Fass WTI-Öl einen negativen Preis von minus 40 Dollar. Verkäufer mussten Abnehmern also sogar noch Geld zahlen. Auch die für den Weltmarkt maßgebliche Nordsee-Ölsorte Brent stürzte massiv um über 60 Prozent ab, und kostet aktuell weniger als 20 US-Dollar pro Fass (159 Liter).

Auslöser: Spekulanten

Konkreter Auslöser beim WTI-Öl war, dass Spekulanten plötzlich auf ihren Öl-Termingeschäften (Futures-Kontrakte) für Anfang Mai sitzen blieben und panisch verkauften. Die meisten dieser Kontrakthalter haben gar kein Interesse an Öl. Sie besitzen die Futures nur, weil sie noch bis Anfang März mit steigenden Öl-Preisen rechneten. Der Ölpreis der Sorte Brent war Ende 2019 kurzzeitig um 20 Prozent gestiegen, WTI sogar um 31 Prozent. Nachdem die Nachfrage nach Öl massiv einbrach, wollte aber kein Spekulant diese Papiere besitzen, die zu festgelegtem Termin und Preis im Mai zum Kauf von Öl verpflichten. Die Öl-Lager in den USA sind übervoll. Sogar immer mehr Tanker werden als schwimmende Lager genutzt. Die Spekulanten mussten daher die Kontrakte loswerden - koste es, was es wolle - damit ihnen nicht plötzlich doch Öl geliefert wurde.

 

Bei Brent-Öl verlief die Entwicklung nicht ganz so katastrophal, weil es sich leichter auf große Tanker laden lässt als das WTI-Öl aus dem Landesinneren der USA. Zudem kann es in vielen Ländern weltweit verarbeitet werden. Das trifft für das WTI-Öl bei den meisten Raffinerien außerhalb der USA nicht zu.

Ölpreise drastisch gefallen

Die Ölpreise waren bereits in den vergangenen Wochen wegen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise - verstärkt durch die Corona-Krise - drastisch gefallen. Tatsächlich ist zum Beispiel der Flugverkehr fast zum Erliegen gekommen. Die Menschen bleiben zu Hause und fahren weniger Auto. Firmen bestellen weniger Öl. Rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage ist weggebrochen. Die kürzliche Notbremse der großen Ölförderländer USA, Saudi-Arabien und Russland, die die Fördermenge um 10 Prozent gekürzt haben, um den Preis zu stabilisieren, ist daher verpufft. Wegen ihres zugespitzten zwischenimperialistischen Konkurrenzkampfs sind die Ölförderländer bisher nicht bereit, ihre Produktion weiter zu drosseln.

 

In der bürgerlichen Presse wird allerdings die Grundlage dieser ganzen Entwicklung, die seit Oktober 2018 begonnene Weltwirtschafts- und finanzkrise völlig ausgeblendet und stattdessen die Corona-Krise losgelöst davon für diese Entwicklung allein verantwortlich gemacht.

Krise hatte schon vorher begonnen

Zumal der Fall der Ölpreise schon lange vorher begonnen hatte. Im September 2018 kostete ein Fass Brent-Öl 84 US-Dollar. Mit dem Beginn der Weltwirtschafts- und finanzkrise mit einer weltweit sinkenden Industrieproduktion verringerte sich die Nachfrage nach Öl, und es türmte sich ein Überangebot auf. Deshalb fiel der Ölpreis bis Mitte 2019 auf etwa 55 US-Dollar und bewegte sich dann bis Ende 2019 zwischen 60 und 70 US-Dollar. Zwischen dem 1. Januar und dem 28. Februar 2020 fiel der Preis (also noch weitgehend unabhängig von der Corona-Krise) erneut von 68 auf 53 US-Dollar, also um etwa 22 Prozent, bevor er durch die Corona-Krise beschleunigt in den Keller rauschte. Einen ähnlichen Einbruch der Öl-Preise gab es auch während der Weltwirtschafts- und finanzkrise in den Jahren 2008 bis 2009. Allerdings ist heute der Öl-Preis schon deutlich tiefer abgesackt als damals. Der Ölpreis-Schock ist daher ein Menetekel, ein Unheil drohendes Zeichen der Tiefe und noch langen Dauer der aktuellen Weltwirtschafts- und finanzkrise.

 

Mögen auch sinkende Öl-Preise eventuell für Autofahrer erfreulich sein. Die absurde Öl-Preis-Entwicklung wirft für die Masse der Bevölkerung weitreichende Fragen auf: Welche Berechtigung hat ein gesellschaftliches System, in dem auf Teufel-komm-raus produziert wird, was Maximalprofite abwirft, bis es zum großen Crash kommt? In dem Spekulanten ganze Länder ins Verderben zocken können? Ein System, wo die Herrschenden die Krisenlasten den arbeitenden Menschen aufbürden und sie mit zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit, dem Abbau sozialer Errungenschaften und politischer Rechte bedrohen?