Krisenmanagement im Kreuzfeuer (1)
Airbus geht zu verschärftem Krisenprogramm über – von wegen "Corona-bedingt"!
Dass entgegen der Behauptung von bürgerlichen Politikern und Medien die Weltwirtschafts- und Finanzkrise eben keine Folge der Corona-Pandemie ist - das zeigt unter anderem die dramatische Entwicklung im Flugzeugbau.
Ein Brief von Airbus-Chef Guillaume Faury an „seine 134.000 Mitarbeiter“ ging in den letzten Tagen durch die Medien. Für das „Überleben von Airbus“ seien „tiefe Einschnitte“ bis hin zum Stellenabbau nötig. Schuld sei angeblich vor allem die Corona-Krise.
Das stellt die kapitalistische Realität vollständig auf den Kopf. Seit Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise Mitte 2018 gehen die Neubestellungen bei Airbus zurück: von 2.200 Flugzeugen im Jahr 2017 auf 1.755 im Jahr 2018 und schließlich auf 1.028 im Jahr 2019. US-Konkurrent Boeing steckt noch tiefer in der Krise und hat bereits die Vernichtung von 16.000 Arbeitsplätzen angekündigt.
Das Jahr 2019 war das „schwarze Jahr“ der Airlines mit 23 Pleiten. Abbestellungen oder Streckung von Aufträgen gehen an die Liquidität der Flugzeughersteller: „Bei Airbus flossen laut einer Hochrechnung von Melius Research im ersten Quartal 6,5 Milliarden Euro Barmittel ab, Boeing hat im gleichen Zeitraum demnach 8,0 Millliarden US-Dollar an Reserven verloren.“1
Verschärfte Ausbeutung trifft Stammbelegschaft und Leiharbeiter
Airbus will seine Liquiditätsreserven auf 30 Milliarden Euro erhöhen, unter anderem durch die Aufstockung des Kreditrahmens um 15 Milliarden Euro. Für die 135.000 Beschäftigten in der Stammbelegschaft, die Leiharbeiter und Kollegen der Fremdfirmen bedeutet das verschärfte Ausbeutung - denn Airbus will auf ihrem Rücken diese immense Summe wieder herauswirtschaften.
So sollen bei Airbus Bremen alle Leiharbeiter abgemeldet, 1.461 Arbeitsplätze sollen bei Premium-Aerotec2 und 2.400 bei Airbus-Military vernichtet werden. Die Produktion wird um 30 Prozent heruntergefahren. Der Abbau der Belegschaft ist gleichzeitig mit der Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich für die Verbleibenden verbunden. Wir machen die Gegenrechnung zur Verteidigung aller Arbeitsplätze auf: 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich als Konzernvereinbarung! Übernahme aller Leiharbeiter und Auszubildenden! Airbus- und Boeing-Arbeiter gemeinsam gegen die Abwälzung der Krisenlasten!
Staatliche Finanzspritzen auch für die Flugzeugkonzerne
Für ihre Konkurrenzfähigkeit plündern die Flugzeugmonopole die Staatskassen: Boeing fordert Finanzspritzen der Regierung, Airbus-Chef Faury bringt staatliche Abwrackprämien auch für Flugzeuge ins Spiel. Das Kurzarbeitergeld von 60 Prozent wird vom Staat gezahlt – lediglich 27 Prozent packt Airbus drauf. So lässt sich der Konzern 73 Prozent der Löhne und Gehälter bei Produktionseinschränkungen vom Staat finanzieren.
Airbus und Boeing kämpfen beide um den Auftrag für den atomwaffenfähigen Tornado-Nachfolger und benutzen dafür die EU und die USA als ihre politischen Instrumente. Das ist nicht einfach nur ein Geschäftsfeld, das Extraprofite staatlich garantiert. Es ist Teil der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, die sich die Bundesregierung eine 10-prozentige Erhöhung der Rüstungsausgaben kosten lässt. Wir fordern das Verbot und die Vernichtung aller ABC-Waffen!
Wo bleiben wirksame Corona-Schutzmaßnahmen?
Die Corona-Pandemie bringt riesige Belastungen für die Kollegen. Durch Schulschließung sind sie im Nebenberuf zuhause noch Lehrer. In mancher Familie entwickelt sich der Streit, warum Vater oder Mutter in dieser Situation zur Arbeit gehen bei überfüllten Fähren und Bussen und unzureichenden Schutzmaßnahmen im Betrieb.
Schutzmaßnahmen wie der Zweimeter-Mindestabstand, Halbierung der Belegschaftszahl an Bauplätzen und in Büros müssen erkämpft werden! Eine zeitweilige Betriebsstilllegung bei voller Lohnfortzahlung auf Kosten der Profite ist die weitergehende Lösung. Sie kann aber, wie Erfahrungen zeigen, nur mit kollektiver Arbeitsniederlegung, also Streik, erkämpft werden.
Ein Teil der Kollegen wiegte sich in der trügerischen Sicherheit, dass Airbus das Corona-Krisenmanagement doch ganz gut hinkriegt. Jetzt muss Guillaume Faury zugeben, „dass einige unserer Kolleginnen und Kollegen infolge des Virus verstorben sind“ und hunderte erkrankt sind.
Wenn ihn das wirklich so sehr erschüttert, wie er schreibt, warum führt er nicht umgehend regelmäßige Massentestungen der Belegschaft ein, damit die Infektionskette wirksam unterbrochen wird? Nur so kann sicher ausgeschlossen werden, dass ein Riesenbetrieb wie Airbus in Hamburg zum Coronahotspot für eine ganze Region wird. Und: Warum nennt Faury keine genauen Zahlen?
Systemdebatte belebt sich - 1. Mai beste Gelegenheit
Bezeichnend ist auch, dass die Kolleginnen und Kollegen bei Airbus entgegen der Mediendarstellung seinen Brief gar nicht in die Hände bekamen und deshalb zu Recht Aufklärung fordern.
Die Systemdebatte belebt sich. Der mutige Kampf der Sitech-Kollegen bei VW Hannover in dieser Corona-Zeit gibt Antwort und ist Vorbild, wie auch in der Krise gekämpft werden kann. Es ist wichtig, dass wir überall in den Betrieben die Kräfte sammeln. Dass dafür auch Maikundgebungen durchgesetzt werden müssen, leuchtet manchem Kollegen ein. Maikundgebungen finden unter anderem in Hamburg (10 Uhr, Gewerkschaftshaus) und Bremen (11 Uhr, Marktplatz) mit Gesundheitsschutzmaßnahmen angemeldet statt.