Petersberger Dialog
„Grüner Aufschwung“ nach Corona-Pandemie?
Heute und morgen findet auf Einladung von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) der jährliche „Petersberger Klimadialog“ statt. Wegen der Corona-Pandemie per Videokonferenz soll auf Ministerebene das weitere Vorgehen in der Klimapolitik ausgelotet werden, nachdem der diesjährige Weltklimagipfel COP26 abgesagt und auf 2021 verschoben wurde.
„Grüner Neustart nach der Krise“, „grüner Wirtschaftsneustart“ - so oder ähnlich lauten die Schlagzeilen, die im Vorfeld der Konferenz durch die Medien geistern. Stichwortgeber ist eine vor Kurzem auf EU-Ebene gegründete „Green Recovery Alliance“.1 Ihr gehören neben Ministern aus 30 Ländern auch 37 Vorstandsvorsitzende großer Konzerne an, darunter Eon, Unilever, Volvo, Nestle, Ikea, Iberdrola, Suez Group, PepsiCo Europe, InnoEnergy, Schneider Electric France, Danone.
Die Umweltministerin fasste das Ziel der Allianz in einem ZDF-Interview zusammen: „Wir wollen, dass der Neustart nachhaltig wird. ... Der Klimawandel wartet nicht.“2 Konjunkturprogramme müssten "Arbeitsplätze, Innovation und Klimaschutz" voranbringen.
Fata Morgana in der Corona-Wüste
In der Tat wünschen sich viele Menschen, dass endlich etwas gegen die dramatische Umweltzerstörung auf der Welt getan wird. Sie sehen das „Herunterfahren“ der kapitalistischen Wirtschaft auch als Chance für grundlegende Änderungen.
Die Orientierung auf einen „grünen Aufschwung“ entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als vorgespiegelte Fata Morgana in der Corona-Wüste:
- Erstens hat die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise als zyklische Überproduktionskrise des Kapitalismus schon Mitte 2018 begonnen. Sie vertieft sich infolge der Corona-Einschränkungen gerade sprunghaft. Von einem baldigen „Aufschwung“ zu fabulieren, entbehrt jeder Grundlage. Alles deutet darauf hin, dass diese Krise die tiefste seit Bestehen des Kapitalismus werden wird.
- Zweitens ist die immer bedrohlichere globale Umweltkrise keineswegs auf die Klimafrage beschränkt. Beschleunigte Vernichtung der Wälder, Gefahr umkippender Weltmeere, dramatisches Artensterben, Vermüllung und Vergiftung der Ökosysteme, radioaktive Verseuchung und vieles mehr. Die 2014 erschienene Analyse „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?" arbeitet insgesamt neun Hauptfaktoren heraus, die den Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe beschleunigen. Auch die Corona-Pandemie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern in vielerlei Hinsicht Ausdruck und Ergebnis dieser vielfältigen Untergrabung der menschlichen Lebensgrundlagen durch die kapitalistische Produktions- und Lebensweise.
- Drittens ist die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit von einer negativen Begleiterscheinung des Kapitalismus zu einer Gesetzmäßigkeit geworden. Dies wiederum aus doppeltem Grund: Zum einen, weil die gigantische Überakkumulation von Kapital einen ökonomischen Zwang zur Ausplünderung restlos aller Naturressourcen des Planeten erzeugt hat. Zum anderen, weil in der dadurch erzeugten globalen Umweltkrise inzwischen ein Punkt erreicht ist, an dem „irreversible Schäden der globalen Stoffkreisläufe und des globalen ökologischen Gleichgewichts eingetreten sind.“3 Das bedeutet, dass durch Wechselwirkungen und Rückkopplungen eine zerstörerische Eigendynamik entstanden ist.
Massive weitere Subventionierung der Monopole
Es kann im Kapitalismus weder einen wirtschaftlichen Aufschwung überhaupt noch einen spezifisch „grünen“ Aufschwung geben! Eine mit weiteren Krisenprogrammen verbundene Verlagerung der kapitalistischen Investitionspolitik auf „grüne“ Technologien bedeutet nur eine modifizierte Form der Subventionierung der internationalen Monopole.
So betonte Umweltministerin Schulze im ZDF-Interview, ihr sei es „auch wichtig, dass die Automobilindustrie eine Perspektive hat. Ich kann mir daher vorstellen, dass man einen Umstieg auf andere Antriebe unterstützt.“ Während den Konzernen so geholfen wird, die Folgen der Strukturkrise durch die Umstellung auf Elektroantriebe abzudämpfen, werden deren Folgen auf die Belegschaften und die ganze Gesellschaft abgewälzt.
FFF-Sprecher: Mit "harten Beschränkungen" aus der Klimakrise
Man wundert sich schon kaum mehr, dass die Monopolpropaganda von der Corona-Krise als „Chance für den Klimaschutz“ nun auch von führenden Kräften der Fridays-for-Future-Bewegung aufgegriffen wird, die sich dem Krisenmanagement der Regierung mittlerweile vollständig unterworfen haben. So hebt der Sprecher von "Fridays for Future" Hessen, Jaspar Reimann, hervor, dass sich „viele Menschen im allgemeinen Interesse gerade an harte Beschränkungen" hielten. "Das könnte man mit der Klimakrise auch so machen“, zitiert ihn die Frankfurter Rundschau vom 17. April.
Für die Konzerne Maximalprofite mit staatlich subventionierten Investitionen in vermeintlich "grüne" Technologien - für die Arbeiter und breiten Massen grün lackierte "harte Beschränkungen", um wieder aus der Krise herauszukommen - das ist genau das, was sich die Monopole wünschen.
1. Mai ganz reell und nicht nur "virtuell"
Auf der Linie dieser Unterordnung unter die kapitalistische Krisenbewältigung lag auch die von den führenden OrgaTeams ausgehende Beschränkung des FFF-Aktionstags am 24. April auf "virtuelle" Aktivitäten im Internet. Leitparole ihres "Netz-Streiks" war: „Bekämpft jede Krise!“ Getreu diesem Motto stellen sich führende Kräfte der FFF-Bewegung wie Luisa Neubauer (Grüne) in der Corona-Krise genauso wie in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Seite der bürgerlichen Krisenmanager, die aktuelle Krisen nur überwinden können um den Preis der Vorbereitung noch umfassender und tieferer.
Wer den kapitalistischen Krisen an die Wurzel gehen will, kann dies nur durch einen systemverändernden Kampf zur Überwindung des Profitsystem als deren Hauptursache. Umso wichtiger, dass auch dieses Jahr der 1. Mai nicht in erster Linie "virtuell", sondern ganz reell auf der Straße stattfinden wird - natürlich unter Beachtung der notwendigen Schutzmaßnahmen.
Gegen kapitalistisches Krisenchaos - für die sozialistische Perspektive!
Mit der Medien-Propaganda vom „grünen Neustart“ wird in subtiler Form auch die antikommunistische Botschaft transportiert, dass es doch eine Lösung der menschheitsbedrohenden Umweltprobleme im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung geben könnte. Und dass folglich jegliche grundsätzliche Gesellschaftsveränderung, gar einer revolutionärem Neuordnung der Welt, unnötig sei.
Gegen das ganze kapitalistische Krisenchaos werden am 1. Mai auf der ganzen Welt klassenbewusste Arbeiter und Revolutionäre ihre eigene Perspektive auf die Straßen tragen - die der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt!