Willi Dickhut
Erstveröffentlichung eines Werks aus dem Jahr 1945: "Probleme der proletarischen Einheit"
Die RW-Redaktion hat eine bemerkenswerte Schrift von Willi Dickhut, Arbeiter, Marxist-Leninist, Widerstandskämpfer gegen den Hitler-Faschismus sowie Mitbegründer und Vordenker der MLPD, erstveröffentlicht. Es handelt sich um ein Referat, das er für die Kreisleitung Solingen der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) im Jahr 1945 verfasst hat. Im Bezug auf heute ist es für den Aufbau einer Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg äußerst wertvoll und von großer Bedeutung.
Im Vorwort zur Publikation dieser Schrift schreibt die RW-Redaktion: „Diese beiden Grundsatzreferate (Die Veröffentlichung eines zweiten Referats ist im Juni 2020 geplant, Anm. RW-Red.) bestechen auch durch ihre grundsätzlichen Aussagen zu allen wesentlichen Fragen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ...
Zu ihrem Verständnis sind zwei historische Faktoren wesentlich: Zum einen war das deutsche Monopolkapital nach der Niederlage des Hitler-Faschismus vorübergehend entmachtet. Zum anderen – so Willi Dickhut - war ‚das Ergebnis der Jahre des Faschismus … eine allgemeine Linksentwicklung der werktätigen Massen.‘ Wir danken dem Stadtarchiv Solingen, das uns diese Schriften aus dem Nachlass von Willi Dickhut zur Verfügung gestellt hat.“
Hier nun die Schrift von Willi Dickhut!
PROBLEME DER PROLETARISCHEN EINHEIT
Als im Sommer 1932 die gewaltige Weltwirtschaftskrise ihrem Tiefpunkt zustrebte, eine Notverordnung die andere ablöste, war es klar, daß die Bourgeoisie nicht mehr mit den Mitteln der Demokratie ihre Herrschaft aufrechterhalten konnte. Die Brüning-Regierung wurde abgelöst durch die Papen-Regierung. Ein Leutnant mit zehn Mann erschien und komplimentierte den "sozialistischen" Minister Severing vom Ministerstuhl. Anstatt die Arbeiterklasse mit den Gewerkschaften zum Kampf aufzurufen, wich der „kleine Metallarbeiter“ der Gewalt.
Die Papen-Regierung bedeutete eine der Formen des Faschismus, aber noch nicht die offene faschistische Diktatur. Die Weltwirtschaftskrise strebte weiter dem Abgrund zu. Immer mehr Industriebetriebe, Handels- und Handwerksunternehmungen und Banken brachen zusammen und die Landwirtschaft verschuldete in untragbarer Weise. Konkurse, Zwangsversteigerungen, Exmittierungen¹ u.ä. waren an der Tagesordnung.
Das Arbeitslosenheer schwoll wie eine Lawine an. Die Auflösungserscheinungen des Kapitalismus traten immer offensichtlicher in Erscheinung. Mit noch schärferen, einschneidenderen Notverordnungen wollte die faschistische Papen-Regierung die Entwicklung hemmen.
Ein großer Teil der sozialen Reformen, die das Proletariat dem Kapitalismus im Jahre 1918 unter dem Druck der sozialen Revolution abgerungen hatte, war schon abgebaut worden; jetzt sollten die Reste der Errungenschaften des Proletariats zermalmt werden. Dieser Versuch scheiterte an dem wachsenden Kampfwillen in der Arbeiterklasse. Gewaltige Streiks und Demonstrationen wurden gegen die Papen'schen Notverordnungen ausgelöst. Die Entwicklung strebte der revolutionären Krise zu, ohne daß die Sozialdemokratie in der Lage war, diesen Prozeß noch weiter aufzuhalten; die eigenen Mitglieder radikalisierten trotz der Politik des "kleineren Übels". Der revolutionäre Gärungsprozess in den Massen nahm immer größeren Umfang und beschleunigteres Tempo an.
Andererseits verfielen die bankrotten oder die mit Riesenschritten dem Bankrott entgegengehenden klein- und mittelbürgerlichen Schichten und der größte Teil der Bauernmassen (mit Ausnahme der Masse der Klein- und Zwergbauern, die den revolutionären Kurs einschlugen) den demagogischen Parolen der Hitlerfaschisten und erweiterten ruckartig die faschistische Massenbasis. Ein Wettlauf zwischen den revolutionären und den faschistischen Kräften entstand.
In dieser Zeit – Mitte September 1932 – kursierten in dem oberen Hundert der deutschen Bourgeoisie die "Deutschen Führerbriefe", mit einem Artikel der Privatkorrespondenz des "Reichsverbandes der Deutschen Industrie". Dieser Artikel, mit der Überschrift "Die soziale Rekonsolidierung des Kapitalismus" lautet:
"Das Problem der Konsolidierung des bürgerlichen Regimes im Nachkriegsdeutschland ist allgemein durch die Tatsache bestimmt, daß das führende, nämlich über die Wirtschaft verfügende Bürgertum zu schmal geworden ist, um seine Herrschaft allein zu tragen. Es bedarf für die Herrschaft, falls es sich nicht der höchstgefährlichen Waffe der rein militärischen Gewaltausübung anvertrauen will, der Bindung von Schichten an sich, die sozial nicht zu ihm gehören, die ihm aber den unentbehrlichen Dienst leisten, seine Herrschaft im Volke zu verankern und dadurch deren eigentlicher und letzter Träger zu sein. Dieser letzte oder Grenzträger der bürgerlichen Herrschaft war in der ersten Periode der Nachkriegskonsolidierung die Sozialdemokratie.
In der ersten Rekonsolidierungsära des bürgerlichen Nachkriegsregimes war die Spaltung der Arbeiterschaft fundiert durch die lohn- und sozialpolitischen Errungenschaften, in die die Sozialdemokratie den revolutionären Ansturm umgemünzt hatte. Diese nämlich funktionierten als eine Art Schleusenmechanismus, durch den der beschäftigte und fest organisierte Teil der Arbeiterschaft im Arbeitsmarktgefälle einen erheblichen Niveauvorteil gegenüber der arbeitslosen und fluktuierenden Masse der unteren Kategorie gemäß und gegen die volle Auswirkung der Arbeitslosigkeit und der allgemeinen Krisenlage der Wirtschaft relativ geschützt war ..."
Interessiert, wie diese spannende Schrift weitergeht? Sie ist hier auf der Homepage des theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG zu finden, wo es noch viele faktenreiche theoretische Werke, Briefwechsel etc. von Willi Dickhut und dem Leiter der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG, Stefan Engel, zu finden gibt. Ein Besuch in Sachen theoretischer Klarheit, dialektischer Materialismus etc. lohnt sich also immer!