Düsseldorf
Henkel: Kurs auf volles Risiko
Die Produktion des Stammwerks des Henkel–Konzerns in Düsseldorf war nie von der teilweise heruntergefahrenen Produktion betroffen, vor allem weil die Abverkäufe von Wasch-, Reinigungs- und Hygienemittel durch die Decke gehen und alleine im ersten Quartal 2020 um 5,3 Prozent stiegen.
Die verschärfte Ausbeutung deutet an, wie Henkel in der Wirtschaftskrise seine Position halten und ausbauen will, begleitet von Corona-Schutzmaßnahmen. Diese sollen vor allem die Produktion absichern, aber weniger die Kolleginnen und Kollegen schützen. Im Bewusstsein vieler „Henkelaner“ deutet sich ein Umbruch an.
Verunsicherung bei der Werksleitung
Auf die Corona-Pandemie reagierte die Werksleitung mit einem Krisenstab, der sich mehrmals wöchentlich traf. Die ersten Maßnahmen waren sinnvoll, zugleich von der Hoffnung auf ein schnelles Ende der Pandemie getragen: Arbeitszeiten wurden gekürzt (sieben Stunden bei vollem Lohnausgleich), die verschiedenen Fabriken mussten versetzt arbeiten, damit sich die Schichten bei der Ablösung nicht treffen; Kolleginnen und Kollegen der Risikogruppe konnten bezahlt zu Hause bleiben. Rückkehrer aus dem Ausland gingen 14 Tage auf Firmenkosten in Quarantäne. Ebenso Beschäftigte z.B. aus dem Kreis Heinsberg. Die meisten Angestellten wurden ins Homeoffice geschickt, die höheren Vorgesetzten sowieso.
Die Sorge um die Gesundheit der Belegschaft war eher eine Sorge um den reibungslosen Ablauf der Produktion. Aber es war auch immer die Furcht davor, wie vor allem die Produktionsarbeiter unter den Bedingungen des sich rasch ausbreitenden gefährlichen SARS CoV-2 reagieren würden. Denn dass wir unsere Haut zu Markte tragen, während unsere Chefs daheim blieben, war offensichtlich. Nicht umsonst wurden wir mit kleinen Geschenken bombardiert und täglich flimmerte ein „Danke schön“ der Werksleitung von den Info-Bildschirmen der Produktion, um uns bei Laune zu halten.
Rasches Ende der Rücksichtnahme
Die Freude über die verkürzten Arbeitszeiten währte nicht lange. Schon bald schob die Werksleitung regelmäßige Samstagsarbeit nach. Aus der Fünf–Tage- wurde eine Sechs– Tage–Woche, besonders in der Somat-Tabs–Herstellung. In der Flüssig–Fabrik wurde die Arbeitszeit auf zehn Stunden pro Schicht verlängert: So absolviert ein Teil der Belegschaft von Montag bis Donnerstag zweischichtig seine 40 Stunden, während der andere Teil im gleichen Muster Freitag bis Sonntag arbeitete und unter der Woche aushelfen musste, wenn Leute fehlten.
Möglich wurde dies durch den Corona–Tarifvertrag zwischen IGBCE-Führung und dem Chemiearbeitgeberverband BAVC, der ausdrücklich Zwölf–Stunden–Schichten vereinbarte. Kurz darauf beschloss die Bundesregierung eine entsprechende Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Hintergrund war, dass in den Waschmittelfabriken die Krankenrate auf bis zu 20 Prozent stieg, nicht zuletzt aufgrund der Belastungen.
Volles Risiko …
… mussten wir Produktionsbeschäftigten immer tragen. Der Werksärztliche Dienst informierte völlig unzureichend. Eine regelmäßige Aufklärung und auch Schulung der Belegschaft zum Umgang mit Corona fanden nie statt. Zeitweise waren Schutzmasken (in Teilen der Produktion schon immer zwingend vorgeschrieben) und Desinfektionsmittel knapp. Aber: The Show must go on! Wir mussten um unsere Schutzmasken kämpfen.
Mit den Forderungen des Monopolverbands BDI nach einem raschen Ende der Produktionseinschränkungen fielen alle Hemmungen. Die Somat–Fertigung ging ab Anfang Mai in die Sieben–Tage–Vollkontischicht, nachdem am 1.Mai gearbeitet werden musste! Und nun sollen diese Kolleginnen und Kollegen aus den bisherigen Umkleideräumen aus- und in Container auf dem Hof einziehen, damit sie isoliert sind und nicht mit allen anderen Schichten in Berührung kommen!
In diesen Containern sollen sich auf fünf Quadratmeter drei Kollegen gleichzeitig umziehen. Die Gänge sind so eng, dass sich die Leute aneinander vorbeidrücken müssen. Es gibt keine getrennten Ein – oder Ausgänge, die Waschbecken sind abgesperrt und die Duschen um die Hälfte reduziert. Corona–Schutz in einem Weltkonzern, der immerhin Hygiene – Produkte herstellt!
Die Belegschaft wehrt sich
Auf die Proteste der Kolleginnen und Kollegen hin mussten Ende April die Zehn–Stunden–Schichten in der Flüssigfertigung wieder aufgehoben werden. Wegen der Container kochte bei den Somat–Kollegen (nur die Männer sind betroffen) der Unmut. Die meisten weigerten sich schlicht, dorthin umzuziehen. Nun soll in den Waschmittelbelegschaften „demokratisch“ abgestimmt werden, ob wieder versetzte Arbeitszeiten eingeführt und die Container verzichtbar werden. Zweifellos ein Erfolg der Belegschaft.
Die Werksleitung hat das Gesundheits– und Umweltbewusstsein der Kolleginnen und Kollegen unterschätzt. Sie hat voll auf die Klassenzusammenarbeit mit der IGBCE- und Betriebsratsspitze gesetzt, die alle Maßnahmen der Werksleitung vollständig abgesegnet haben. Immerhin ist ja auch der IGBCE–Vorsitzende Michael Vassiliadis Mitglied des Henkel–Aufsichtsrats. Aber sowohl das Misstrauen gegenüber der „Henkel-Familie“ als auch gegenüber den Mauscheleien der rechten IGBCE-Führer und Betriebsräte wächst unter den Kolleginnen und Kollegen. Mehr und mehr wächst der Gedanke: „Um uns selber müssen wir uns selber kümmern!“. Wir brauchen eine positive Gewerkschaftsarbeit, die wirklich von den Interessen der Kolleginnen und Kollegen ausgeht. Das Auftreten der MLPD zum 1. Mai vor dem Betrieb wurde sehr begrüßt. Das sind die tiefsten und weitreichendsten Momente dieser ganzen Entwicklung.