Diskussion zu Corona-Lockerungen
„Von Verboten zu Geboten“ - die richtigen Grundgedanken Bodo Ramelows – eine dialektische Beurteilung
Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Medien und die Berliner Parteien, als Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Überlegungen äußerte, in Thüringen ab dem 6. Juni alle landesweiten Corona-Vorschriften aufzuheben.
Bodo Ramelow erklärte, er wolle von „Verboten“ zu „Geboten“ übergehen, und setzt auf „Eigenverantwortung“ statt „polizeiliche Maßnahmen“. Die Landkreise und örtlichen Gesundheitsbehörden sollen gestärkt werden und in Zukunft die Verantwortung übernehmen.
Sofort gab es Proteste seitens des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), aber auch von Armin Laschet, seines Zeichens Ministerpräsident von NRW. Ausgerechnet also von dem Ministerpräsidenten, der schon vor Wochen den Vorgaben der Industrie nachkommen und zur „Normalität“ zurückkehren wollte. Lob kam allerdings von der IHK Südthüringen¹.
Sinneswandel der Landesregierung?
Die MLPD hatte von Beginn der Pandemie an den Standpunkt, dass es Bewusstheit und Überzeugung durch eine massenhafte Aufklärung über die Gefahren des Coronavirus braucht - verbunden mit Erziehung zu aktivem Gesundheitsschutz, aber auch mit notwendigen Verordnungen wie Maskenpflicht in Geschäften und im ÖPNV. Es ist zu begrüßen, dass Bodo Ramelow sich gegen die Einschränkung bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten positioniert. Das ist auch das Ergebnis der Kritik der MLPD an der bundesweit schärfsten Corona-Verordnung, welche das Versammlungsrecht vollständig aushebelte. Noch vor wenigen Wochen verbot Thüringen eine Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses am 8. Mai zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus auf dem Gelände der Gedenkstätte in Buchenwald.
Die überwiegende Mehrheit der Menschen hält sich an die Regeln und geht verantwortlich damit um. Daran ändern auch die verantwortungslosen „Hygiene-Demos“ nichts.
Eine Unterschätzung der Pandemie wäre es sicherlich gewesen, wenn das Abstandsgebot und die Verpflichtung zum Tragen von Masken aufgehoben worden wären, was Ramelows erster Vorschlag bedeutete. Das hat er aber inzwischen als Missverständnis korrigiert. Richtig ist auch zwischen Bundesländern und Regionen mit unterschiedlich hoher Konzentration an Infektionen zu unterscheiden, statt bundesweit von Rostock bis München die gleichen Regeln aufzustellen. In Thüringen ist es richtig, die Einschränkungen zurückzufahren, die Neu-Infektionen bewegen sich bei um die 20 pro Tag.
Den Worten müssen Taten folgen
Wir unterstützen auch, dass Ramelow ankündigt, dass jeder und jede Beschäftigte in Schulen und Kindergärten ein Recht darauf hat, getestet zu werden, und das dort, wo das Land Arbeitgeber ist, bezahlt wird. Im Widerspruch dazu steht, wenn Ramelow behauptet, bei den aktuellen Hot-Spots in den Kliniken von „Regiomed“ in Sonneberg und Hildburghausen sei die mangelnde Umsetzung der Hygiene-Konzepte die Ursache gewesen. Nein, es war der Verzicht auf wöchentliche Tests im Vorfeld des Ausbruchs von Covid-19 in diesen Einrichtungen. Erst im Nachhinein wurden 600 Mitarbeiter getestet. Von einem Drittel der Mitarbeiter liegen 14 Tage später - am Ende der Inkubationszeit - nach wie vor keine Ergebnisse vor.²
Die MLPD fordert in ihrem Sofortprogramm „Flächendeckende Testungen.“ Natürlich ist es richtig, die Gesundheitsämter auf Kreis- und Ortsebene zu stärken und ihnen die Verantwortung zu übertragen. Dazu müssen sie aber auch in die Lage versetzt werden. So sind die Gesundheitsämter chronisch unterbesetzt und arbeiten im Zeitalter der Digitalisierung teilweise noch mit Faxgerät und Karteikarten.
Sofortige Evakuierung aller Massenunterkünfte
Zu Brennpunkten entwickeln sich neben Krankenhäusern, Dialysestationen, Altenheimen und Massenunterkünften für Fremdarbeiter gerade auch Flüchtlingsunterkünfte. Wie soll hier der Mindestabstand eingehalten werden? Hier besteht Handlungsbedarf. Begrüßenswert war hier der Vorschlag des thüringischen Integrationsministers Dirk Adams, 2000 Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern Griechenlands in Thüringen aufzunehmen. Ein Akt der Humanität, für den er allerdings aus der eigenen Koalition schnell zurückgepfiffen wurde, u.a., weil angeblich konkrete Konzepte fehlen würden. Konzepte und Hilfsangebote gibt es in Thüringen aber genug! So z.B. vom „Haus der Solidarität“ in Schalkau: „Als Haus der Solidarität haben wir uns hier sofort angeboten, 50 Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten, und Kontakt mit dem entsprechenden Ministerium aufgenommen, welches sich inzwischen auch dankend zurückmeldete“, so Dagmar Kolkmann-Lutz, Leiterin des Ferienparks Thüringer Wald in Schalkau. Geradezu skandalös ist es allerdings, dass die Ramelow-Administration das Angebot aus Truckenthal abgelehnt hat. Schnelle Hilfe für die Flüchtlinge ist dringend geboten, und Ramelow überlässt sie weiter den Sammelunterkünften. Nein! zu dieser Flüchtlingspolitik! Sofortige Evakuierung aller Flüchtlingslager und Massenunterkünfte!
Stärkt die kämpferischen Opposition!
Letzten Dienstag fand nun die Kabinettssitzung zur Beratung über Ramelows Vorschläge statt. Die Entscheidung wurde allerdings vertagt. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat bereits in einem Interview mit dem MDR angekündigt, dass die „Maßgabe Gebote statt Verbote“ nicht weiterverfolgt werde.³
Die MLPD wird weiterhin für die Erweiterung der demokratischen Rechte und Freiheiten eintreten und arbeitet dazu auch mit Mitgliedern der Linkspartei meist auf örtlicher Ebene zusammen.