Krisenmanagement im Kreuzfeuer (14)
Die Römer hatten die Auguren – Frau Merkel und die Regierung haben das RKI
Die Auguren – Beobachter des Vogelflugs - haben vor großen Entscheidungen des römischen Senats den Flug der Vögel beobachtet und daraus den Willen der Götter abgelesen. Heute sind diese Götter die Übermonopole. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spielt die Begleitmusik. Dazu erklärte Frau Merkel, das RKI „ist das Institut, das für diese Expertise steht“.¹
Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Leiter des RKI, war nun der Experte. Kraft dieser Eigenschaft verkündete er am 27. Januar: „Die Gefahr, dass sich diese Einzelfälle ausbreiten, ist zur Zeit gering einzuschätzen“. Am 5. Mai wusste er dann: „Darum wissen wir, dass es mit großer Sicherheit eine zweite Welle gibt.“ Fehlanzeige, wer Beweise will, worauf sich die eine oder andere Aussage begründet. Selbstkritik – Fehlanzeige. Wissenschaft begründet sich auf Wissen, auf Erkenntnis. Und diese muss man der Wirklichkeit abringen.
Seit Monaten werden wir von regierungsamtlicher Seite mit Abflachung der Kurve, Verdoppelung der Infizierten oder der Reproduktionszahl und so weiter traktiert und in Atem gehalten. Am 23. März meldete das RKI: ein Trend zur Abflachung der Kurve sei bereits erkennbar. Bereits zwei Tage später, am 25. März, meldete das gleiche RKI zum Coronavirus: von einer Abflachung der Kurve ist nicht mehr die Rede. Am 2. April sagte Gesundheitsminister Jens Spahn, dass ein Abflachen bei den Steigerungsraten zu sehen sei. "Die Richtung stimmt, ob sie dauerhaft anhält, das werden wir die nächsten Tage sehen."²
Verwirrspiel mit Pandemie-Kriterien
Versprochen wurde eine neue Bewertung zwei Wochen später, also am Dienstag nach Ostern. Nichts passierte. Nachdem die „Abflachung der Kurve“ eingetreten war, wurde die „Verdoppelung“ als neues Merkmal eingeführt. Der Zeitraum für die Verdoppelung müsse "in Richtung von zehn Tagen gehen, damit unser Gesundheitssystem nicht überfordert wird", sagte Kanzlerin Merkel.³ Deshalb müsse es dazu kommen, dass sich die Zahl der Erkrankten erst nach alle "zwölf, dreizehn, vierzehn Tage" verdopple. "Wir wollen eine Überforderung vermeiden", sagte die Kanzlerin mit Blick auf das Gesundheitssystem.⁴
Nachdem der Zeitraum der Verdoppelung bereits am 14. April auf zwölf Tage angestiegen war, musste natürlich eine neue Begründung her. Während Angela Merkel kürzlich auch noch über eine Verdoppelungszeit von mehr als zehn Tagen als Richtwert gesprochen hatte, war bei der Pressekonferenz am 15. April nun eher von der Reproduktionsrate die Rede.⁵ Ende April war der Zeitraum der Verdoppelung bereits auf 26,5 Tage angestiegen.
Der BDI und die Reproduktionszahl
Jetzt also zum neuen Kaninchen, das aus dem Hut gezaubert wurde: die Reproduktionszahl mit der Zahl „Eins“ als die magische Grenze. Am 28. April warnte Prof. Wieler vom RKI vor der „Verabsolutierung“ des R-Faktors. Zuvor hatte Dieter Kempf vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) entschiedene Lockerungen für die Wirtschaft gefordert. Dem durfte die Reproduktionszahl nicht im Wege stehen. Als diese Zahl dann doch mit Schwankungen immer wieder über die „Eins“ anstieg, hat das RKI die Berechnungsgrundlage für die das „R“ ganz unbürokratisch einfach zweimal geändert.
Was ist das für eine „Wissenschaft“, die laufend ihre selbst gesetzten Zielmarken anpasst oder verschiebt, nachdem sie jeweils erreicht wurden? Weltanschaulich nennt man das Positivismus. Die Regierung mit ihrem (un)wissenschafltichen Institut RKI sammelt Zahlen, die in einer Statistik verpackt werden. Die Interpretation der Statistik wird je nach Bedarf angepasst. Das RKI ist weder willens noch in der Lage, das Virus zu erforschen, dessen Charakter und Unterschied zu anderen Coronaviren, die Verläufe von Krankheiten und ihre Ausbreitung.
Treffende Einschätzungen sind möglich
Bei den beiden Letzteren weist die offizielle Statistik große Lücken auf. Die größte Lücke ist die Zahl der Getesteten, die zuletzt gerade mal 4,3 Prozent der Bevölkerung umfasste. Wichtige Erkenntnisse, zum Beispiel aus der Untersuchung der Verstorbenen durch Pathologen, erklärte das RKI für unnötig. Hat das RKI nicht auch die Schutzmasken für unwirksam erklärt, weil es nicht genügend gab?
Im Gegensatz zum RKI habe ich mich mit anderen Arzt-Kollegen zusammen voll dafür eingesetzt, objektive, wissenschaftliche - und nachprüfbare - Erkenntnisse zur Corona-Pandemie zu erarbeiten. Diese veröffentlichen wir laufend auf der Medizinerplattform des Internationalistischen Bündnisses, in dem auch die MLPD mitarbeitet. Gemeinschaftlich konnten wir so die Lage und die notwendigen Forderungen treffend einschätzen. Und das alles, obwohl wir unsere Hausarzt-Praxen die ganze Zeit weitergeführt und gearbeitet haben.
Hier geht es zur Medizinerplattform des Internationalistischen Bündnisses!