Willi Dickhut
Erstveröffentlichung eines Werks aus dem Jahr 1945: “Welche Ursachen führten zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur?“
Die RW-Redaktion hat nun das zweite Referat von Willi Dickhut, Arbeiter, Marxist-Leninist, Widerstandskämpfer gegen den Hitler-Faschismus sowie Mitbegründer und Vordenker der MLPD, erstveröffentlicht. Dieses Referat ging Anfang Mai 1945 an die Mitglieder der KPD in Solingen.
Im Vorwort zur Publikation dieser Schrift schreibt die RW-Redaktion: „Diese beiden Grundsatzreferate (Die Veröffentlichung des ersten Referats von Willi Dickhut mit dem Titel: „Probleme der proletarischen Einheit“ erfolgte Anfang Mai 2020, Anm. RW-Red.) (siehe Rote Fahne News!) bestechen auch durch ihre grundsätzlichen Aussagen zu allen wesentlichen Fragen unmittelbar nach dem II. Weltkrieg. Vor allem für den Aufbau einer Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg haben sie auch heute große Bedeutung.
Zum ihrem Verständnis sind zwei historische Faktoren wesentlich: Zum einen war das deutsche Monopolkapital nach der Niederlage des Hitler-Faschismus vorübergehend entmachtet. Zum anderen – so Willi Dickhut - war „das Ergebnis der Jahre des Faschismus … eine allgemeine Linksentwicklung der werktätigen Massen.“
Wir danken dem Stadtarchiv Solingen, das uns diese Schriften aus dem Nachlass von Willi Dickhut zur Verfügung gestellt hat.“
Hier nun die Schrift von Willi Dickhut!
„Referat von Willi Dickhut an Mitglieder der KPD, Anfang Mai 1945
Welche Ursachen führten zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur?
In Deutschland wirkte sich in den Jahren 1931-1933 die Weltwirtschaftskrise, verschärft durch die Lasten des Versailler Vertrages, katastrophal aus. Die Industrie lag zum größten Teil still, die Häfen glichen Schiffsfriedhöfen, die Finanzen des Reiches und der Länder waren zerrüttet, sechs Millionen Arbeitslose zuzüglich Millionen Kurzarbeiter.
Es reiften die Situation und die Bedingungen heran, unter welchen das Proletariat nicht mehr weiterleben wollte und die Bourgeoisie unter den bisherigen Herrschaftsformen nicht mehr weiterregieren und ihre Macht aufrechterhalten konnte.
Deutschland war in der Tat das schwächste Glied in der Kette der kapitalistischen Staaten. Langsam reifte eine revolutionäre Situation heran. Eine Regierung löste die andere ab. Die Parlamentsauflösungen erfolgten am laufenden Band. Die Papen-Regierung griff immer mehr zu faschistischen Mitteln (Auflösung der Preußenregierung).
Eine Welle von Streikkämpfen der Arbeiter gegen Brüning'sche und Papen'sche Lohnherabsetzungen und Notverordnungen ging durch das Land. In manchen Fällen (BVG-Streik) nahm der Streik bereits die Form politischer Massenstreiks an.
Die Rolle der SPD und des ADGB¹
Durch die jahrelange falsche Politik des »kleineren Übels« verhinderte die SPD- und ADGB1-Führung die Aufnahme des geschlossenen Kampfes gegen diese volksfeindliche Politik der kapitalistischen Regierungen. Noch bei der Absetzung der Preußen-Regierung im Juli 1932 forderten die Gewerkschafts- und SPD-Führung die Massen nicht zum Kampfe auf. Diese Politik begünstigte die Bourgeoisie bei der Aufrichtung der faschistischen Diktatur. Die Parole der SPD vom »Abwirtschaftenlassen« wirkte sich gegen die Arbeiterschaft aus und diente nur dem Faschismus. Durch diese jahrelange Politik der Sozialdemokratie wurde der Sozialismus-Marxismus bei den schwankenden Elementen des deutschen Volkes in Mißkredit gebracht. Die SPD trägt die historische Hauptschuld für die Aufrichtung der Hitlerdiktatur in Deutschland!
Es gelang den Nationalsozialisten, durch soziale Demagogie und nationale Phraseologie einen großen Teil der enttäuschten Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Die Großkapitalisten begünstigten von Anfang an die Nazibewegung. Sie stellten dieser Partei gewaltige Gelder für ihren Volksbetrug zur Verfügung.
So sahen wir im Jahre 1932 einen Wettlauf zwischen den revolutionären Kräften auf der einen und den reaktionär-faschistischen Kräften auf der anderen Seite.
Wenn es den Nazis in diesen Jahren gelang, sich einen solchen gewaltigen Masseneinfluß zu verschaffen, dann war eine wesentliche Ursache hierfür die Spaltung der Arbeiterklasse auf gewerkschaftlichem wie auf politischem Gebiet. Die Arbeiterklasse war nicht jener starke Magnet, der alle schwankenden Elemente anzog.
Die Fehler der Kommunistischen Partei
Die Sozialdemokratie, die bis zum Jahre 1931 die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie war, verlor immer mehr an Masseneinfluß zugunsten der Kommunisten und der Nationalsozialisten. Unter den Bedingungen der wirtschaftlichen und politischen Lage vollzog sich eine Veränderung. Bei dem ansteigenden Einfluß der NSDAP wurde die Nazipartei die Hauptstütze der Bourgeoisie. Das hinderte aber die deutsche Bourgeoisie nicht daran, im Verlaufe des Jahres 1932-1933 sich auch bei der Niederhaltung der Arbeiterschaft der SPD- und ADGB-Führung zu bedienen.
Als nach der Zusammenkunft Hitlers mit den Großindustriellen in Düsseldorf Hitler Garantien gegeben hatte, vollzog die kapitalistische Klasse endgültig einen Bruch mit der Sozialdemokratie.
Die NSDAP wurde nunmehr endgültig die soziale Hauptstütze der Kapitalisten.
Diesen Wandel hat unsere Partei nicht voll ausgenutzt. Man bezeichnete die sozialdemokratischen Führer als Sozialfaschisten, was falsch war. Statt zu erkennen, daß die Kapitalisten mit der Hitlerclique alle demokratischen Grundrechte vernichten würden, machten die Kommunisten gemeinsam mit den Nationalsozialisten beim Volksentscheid gegen die Preußenregierung mit. Wir hätten die Aufgabe gehabt, das ganze Volk für die Erhaltung der Demokratie zu mobilisieren. Die Herstellung einer gemeinsamen Front der Arbeiterklasse wäre notwendig gewesen. Vor allem hätte man eine organisatorische Einheit auf gewerkschaftlichem Gebiet herstellen müssen, statt dessen führte die Partei die RGO²-Politik fort. Unsere starre Einheitsfrontpolitik »nur von unten« war nicht richtig. Unsere Parteiführung hätte sich auch an die SPD-und ADGB-Führung zwecks gemeinsamen Kampfes zur Erhaltung der demokratischen Grundrechte wenden müssen. Diese Einschätzung der Lage und das Festhalten an einer starren Taktik erschwerte die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse, dadurch wurde die Arbeiterklasse nicht die gewaltige, mächtige Kraft, die alle Schwankenden anzog. Diese Erkenntnis ist notwendig zur richtigen Beurteilung der nunmehrigen Aufgaben. (...)“
Interessiert, wie dieses spannende Referat weitergeht? Sie ist hier auf der Homepage des theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG zu finden, wo es noch viele faktenreiche theoretische Werke, Briefwechsel etc. von Willi Dickhut und dem Leiter der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG, Stefan Engel, zu finden gibt.
Im Juli 2020 wollen wir beispielsweise ein Konspekt von Stefan Engel, dem Leiter des theoretischen Organs „Revolutionärer Weg“ zur wissenschaftlichen Polemik veröffentlichen. Ein Besuch auf der Homepage der Redaktion „Revolutionärer Weg“ lohnt sich also immer!
¹ Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts Bund
² Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition