Corona-Skandal
Überausbeutung in der Fleischindustrie - Laschet gibt Arbeitern die Schuld
Bereits über 1.300 Beschäftigte des Fleischkonzerns Tönnies in Rheda-Wiedenbrück waren gestern nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. 18 von ihnen werden in Krankenhäusern behandelt, fünf auf der Intensivstation.
Alle rund 6.500 Beschäftigten der Fleischfabrik wurden unter Quarantäne gestellt. Schulen und Kitas wurden wieder geschlossen.
Die Empörung bei vielen Einwohnern, aber auch den Arbeitern, ist riesengroß. Vor der Fabrik, vor der Villa von Konzernchef Clemens Tönnies und in der Stadt demonstrierten am 18. Juni Eltern und Kinder gegen die „Machenschaften“ des Konzerns.
"Die Wut ist groß"
Szabolcs Sepsi betreut für den DGB Werksvertragsarbeiter aus Rumänien. Er berichtet, wie es ihnen nach dem Corona-Ausbruch geht: "Sie sitzen in ihren Unterkünften und machen sich Sorgen. In einigen Facebook-Gruppen regt sich Widerstand. Viele der Arbeiter sind nicht mehr bereit, die unwürdigen Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Die Wut ist groß."1
Trotz aller Versprechungen nach den Corona-Hotspots in anderen Fleischfabriken und einem ersten Ausbruch in seinem eigenen Betrieb hat Fleischmogul Tönnies so weitergemacht, als sei nichts geschehen. Auch Kontrollbehörden und Regierungen drücken beide Augen zu, weil sie aufgrund der herrschenden staatsmonopolistischen Strukturen aufs Engste mit solchen Konzernen verflochten sind. Tönnies geht in der Düsseldorfer Staatskanzlei ein und aus.
Erstunken und erlogen
Da wundert es nicht, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nicht Besseres wusste, als den erneuten Corona-Ausbruch den Arbeitern in die Schuhe zu schieben, "weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt". Die infame Stimmungsmache war erstunken und erlogen. Die rumänischen und bulgarischen Arbeiter konnten gar nicht übers lange Wochenende in ihre Heimat gefahren sein, wie Laschet behauptete, weil in Großschlachtereien auch an langen Wochenenden durchgearbeitet wird.
Laschet will ablenken von den katastrophalen Arbeits- und Lebensverhältnissen in der Fleischindustrie, für die auch die Landesregierung maßgebliche Verantwortung trägt. Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind von rund 4.000 Arbeitern 3.500 über Subunternehmer angestellt. Unter diesen wird ein gnadenloser Konkurrenzkampf geschürt.
Corona-Schutzregeln durchsetzen!
Tausende Arbeiter zerlegen das Fleisch auf engstem Raum, bei Temperaturen um sechs Grad und hoher Feuchtigkeit. Kranke Beschäftigte werden unter Druck gesetzt, trotzdem zu arbeiten. Ein Video belegt, dass gegen Corona-Schutzregeln im Betrieb offenbar bewusst verstoßen wurde. Es zeigt, wie die Arbeiter in der Kantine auf engstem Raum zusammensitzen. Auch die Wohnunterkünfte sind äußerst beengt.
Notwendig ist die vollständige Einhaltung der Corona-Schutzregeln und sofortige Abschaffung des Systems der Sub- bzw. Werkverträge sowie die Übernahme der Arbeiter in tariflich bezahlte, feste Arbeitsverhältnisse. Ebenso die Auflösung der menschenunwürdigen Sammelunterkünfte und dezentrale Unterbringung in Wohnungen, die modernen Hygienestandards entsprechen.