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13. Bergarbeiter-Demo gemeinsam mit Stahlarbeitern und Flüchtlingen - für Arbeitsplätze, Mieterrechte und Umweltschutz

Die 13. selbstständig organisierte Demonstration gegen die RAG-Politik der verbrannten Erde war auch heute wieder kämpferisch, einfallsreich und von großer Ausstrahlung. Gleich in mehrfacher Hinsicht hatte sie Neues zu bieten.

Von gp/ms/gof
13. Bergarbeiter-Demo gemeinsam mit Stahlarbeitern und Flüchtlingen - für Arbeitsplätze, Mieterrechte und Umweltschutz
Selbstbewusst tragen die Bergarbeiter ihre Forderungen an der Spitze des Demonstrationszugs durch Gelsenkirchen-Hassel (Foto: RF)

„Das hätte ich mir niemals träumen lassen, dass in Gelsenkirchen-Hassel solch eine große Demo stattfindet“, so das begeisterte Resümee eines ehemaligen Stahlarbeiters, Mitglied der Hasseler Mieterinitiative "HaMi", bei der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz in Gelsenkirchen-Hassel.

 

Schon ab 10.30 Uhr hatten sich hier die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesammelt – Corona-konform mit Maske und Abstand. Christian Link, selbst aktiver Bergmann und einer der Sprecher der Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF, konnte immer neue Vertreter von Initiativen, Organisationen, Gewerkschaften und Betrieben begrüßen. Dazu gehörten neben Kumpel für AUF die kommunalen Wahlbündnisse AUF Gelsenkirchen, "Essen steht AUF" und BergAUF, der Frauenverband Courage, Bergarbeiterfrauen in Courage, die Umweltgewerkschaft, MLPD, REBELL und ROTFÜCHSE sowie das Internationalistische Bündnis.

"Wir sind alle Markus"

Mit besonderem Beifall wurde eine Delegation von Stahlarbeitern von Thyssenkrupp aus Duisburg begrüßt, die bereits seit einer Woche mit Streiks und Kundgebungen für die Übernahme eines Kollegen mit Zeitvertrag gekämpft haben. Sie hatten ein Schild dabei: „Traut nicht den schönen Worten! Bla bla bla! Traut nur uns selbst! Zusammen kämpfen!“ Ihre Losung "Wir alle sind Markus" steht für die Solidarität mit dem betroffenen Kollegen.

 

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der IG Metall, der GEW und der IGBCE waren mit ihren Fahnen gekommen. Ein besonderes Willkommen galt Vertretern der internationalistischen Flüchtlingsbewegung, die im Anschluss zu einem eigenen bundesweiten Treffen zusammenkommen wollten.

"RAG hat sich an der Zerstörung preiswerter Wohnungen bereichert"

Christian Link eröffnete die Kundgebung und die Demonstration: „Die Politik der RAG hat Arbeits- und Ausbildungsplätze vernichtet, 124.000 Bergleuten das Deputat geklaut, billigen Wohnraum zerstört, sie riskiert mit der Zechenflutung eine regionale Umweltkatastrophe und lässt die gesundheitlich geschädigten Kumpel im Stich. Deshalb sind wir heute hier. Das Besondere an der heutigen Demonstration ist, dass sie nicht nur von Kumpel für AUF, sondern aktiv auch von der Hasseler Mieterinitiative und der Umweltbewegung getragen und vorbereitet worden ist!“

 

Ingrid Meyer-Lettmann, Sprecherin der Hasseler Mieterinitiative, begrüßte die Teilnehmer in „ihrem“ Stadtteil: „Die RAG hat sich an der Zerstörung preiswerter Wohnungen für die Bergleute bereichert. Deshalb kämpfen wir für bezahlbare Mieten und ein Wohnrecht für die Bergleute bis zum Lebensende. Wir in Hassel sind aber auch durch die Verbrennung giftiger Ölpellets der BP im Kraftwerk Scholven und der Abfackelung der BP-Raffinerie betroffen.“ Der Kampf der Mieter ehemaliger Zechensiedlungen gegen die RAG-Politik war ein besonderer Schwerpunkt der heutigen Demonstration.

 

Jan Specht, Stadtverordneter von AUF Gelsenkirchen, überbrachte solidarische Grüße auch vom Aktionsbündnis gegen die Ölpellets-Verbrennung. „Wir sind vom REBELL und den ROTFÜCHSEN hier, weil es bei diesem Kampf um die Zukunft der Jugend geht“, so Anna Vöhringer, Sprecherin der Verbandsleitung des REBELL.

Geordnete und disziplinierte Demonstration

Dann sprach eine Delegation der Stahlarbeiter von Thyssenkrupp: „Von wegen 'keiner wird entlassen'. Den Versuch, uns in Stammbelegschaft, Leiharbeiter, Befristete, Auszubildende zu spalten, haben wir mit unseren Arbeitsniederlegungen und Protestversammlungen vor dem Tor durchbrochen! Wir müssen uns auf harte Auseinandersetzungen vorbereiten. Wir brauchen ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht, nehmen uns das Streikrecht aber auch, wenn wir es brauchen.“ Dafür gab es viel Beifall. 


In geordneter Aufstellung, in Dreierreihen mit genügend Abstand und angeführt von der Trommler-Gruppe des REBELL setzte sich der Demonstrationszug mit mittlerweile rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Bewegung. Rund eine Stunde lang führte er durch die verwinkelte Zechensiedlung von Gelsenkirchen-Hassel. Von Anfang an wurden die Anwohner über das offene Mikrofon herzlich begrüßt und zum Mitdiskutieren oder Mitdemonstrieren eingeladen.

Zahlreiche Gespräche am Rande

Viele schauten neugierig und freundlich zustimmend aus ihren Fenstern zu. Andere kamen vor die Türe oder blieben am Straßenrand stehen. Man winkte sich gegenseitig zu. Flugblattverteiler und Spendensammler sprachen die Menschen an. Gesammelt wurden auch Unterschriften für die Bottroper Erklärung "Damit darf die RAG nicht durchkommen", für die Bewegung "Gib' Antikommunismus keine Chance!" sowie für die Unterstützung des Internationalistischen Bündnisses. Über 60 kurze und längere Gespräche wurden geführt und insgesamt 412 Euro an Spenden gesammelt. Etliche Anwohner reihten sich ein und liefen ein kurzes oder längeres Stück mit.

In Kürze:

  • Rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren heute bei der 13. selbstständig organisierten Demonstration gegen die RAG-Politik der verbrannten Erde
  • Ein Schwerpunkt lag auf dem Kampf der Mieter ehemaliger Zechensiedlungen der RAG

Eine Kollegin, die bei einem Spielecenter beschäftigt ist, meinte: "Demo gegen Wohnraumverteuerung, gegen Giftmüll in den Zechen und Arbeitsplatzvernichtung? Das finde ich richtig! Es muss etwas gemacht werden. Wenn ich könnte, würde ich mitmachen. Aber ich muss arbeiten. Euch viel Glück!" Ein weiterer Passant: "Die Mieterhöhungen hasse ich. Da habe ich selbst schlechte Erfahrungen. Fast jedes Jahr wollen sie erhöhen. Die Wohnungen schimmeln alle. Hier gibt es keine Wohnung, die nicht schimmelt. Die Demo, das finde ich schon gut hier."

 

Ein IG-Metall-Vertrauensmann von Daimler Düsseldorf im Gespräch mit Rote Fahne News: "Ich finde es wichtig, dass Belegschaften, die im Moment vor wichtigen Entscheidungen stehen – bei uns sollen 1.500 Arbeitsplätze vernichtet werden -, dass die sich zusammenschließen, gegenseitig unterstützen, gemeinsam kämpfen. Diese Demo hier gibt uns bestimmt Schwung. Wir werden auch die Solidarität mit den Duisburgern Stahlarbeitern im Betrieb weiter verbreiten."

"Flüchtlinge kämpfen jetzt gemeinsam mit uns"

Während der Demonstration kamen am offenen Mikrofon zahlreiche weitere Rednerinnen und Redner zu Wort. Monika Gärtner-Engel, 20 Jahre lang als Stadtverordnete für AUF Gelsenkirchen aktiv, sprach von einer bedeutenden Demonstration: "Wie oft haben die Umweltschützer gegen die Bergleute gekämpft und gesagt, wir müssen die Zechen schließen? Wie oft haben die Bergleute gesagt, die Umweltschützer nehmen uns die Arbeitsplätze weg? Deshalb ist es so bedeutend, dass hier Umweltschützer mit Bergleuten und Stahlarbeitern gemeinsam demonstrieren. Viele von euch haben auch für die Rechte der Flüchtlinge gekämpft. Aber das Besondere heute ist, dass die Flüchtlinge jetzt gemeinsam mit uns kämpfen. Solidarität ist keine Einbahnstraße, sondern beruht auf Gegenseitigkeit."

 

Es sprachen auch Vertreter der Bewegung zur Verteidigung des Kohle-Deputats (Betriebsrente der Bergleute), eine Kollegin von Caterpillar in Lünen, Sprecher der kämpferischen Betriebsratsgruppe OFFENSIV bei Opel in Bochum, Dr. Günther Bittel aus Duisburg, Wolfgang Göller von der Initiative gegen Zechenflutungen aus Marl sowie Kolleginnen von Evonik in Essen und Ford in Köln. Die Reden waren immer wieder unterbrochen von Bergarbeiterliedern und anderen Liedern, vorgetragen von einer Songgruppe des REBELL und vom Ruhrchor.

Abschlusskundgebung bei schönstem Wetter

Bei zunehmend schönem und heißem Wetter traf der Demonstrationszug wieder auf dem Hasseler Marktplatz ein. Dort hörten die Teilnehmer als Erstes ein Grußwort von Mohammed Fathi von der Nationalen Gewerkschaft für Energie und Bergbau aus Marokko. Er berichtete, dass sie dort gegenwärtig gegen die Durchführung eines neuen Bergbau-Projektes kämpfen, das es Investoren ermöglicht, die Bergarbeiter für maximale Gewinne maximal auszubeuten.

 

Rechtsanwalt Peter Weispfenning, der mehrere nicht anpassungsberechtigte und gekündigte Bergleute vertritt, berichtete: "Es ist über ein Jahr her, dass die über 200 Bergarbeiter der Zeche Prosper-Haniel betriebsbedingt gekündigt wurden. Dabei hatte die RAG immer gesagt: 'Keiner fällt ins Bergfreie.' Jetzt wurden die Leute kaltschnäuzig auf die Straße gesetzt. Dieser Kampf der Kumpel gegen ihre Entlassung hält jetzt schon über ein Jahr an, obwohl sie meist nur Geld von der ARGE bekommen. Das zeigt eine sehr hohe Kampfmoral."

"Wir reichen unseren Bergarbeiter-Brüdern die Hand"

Vertreter des Freundeskreises Alassa & Friends aus Stuttgart und Esslingen sagten, dass sie heute auch ein eigenes Treffen haben, aber die Gelegenheit nutzen wollten, hier etwas zu sagen: "Eine Hand alleine kann nichts ausrichten, aber zwei Hände zusammen packen ein Paket. Wir sind heute hier, um unseren Bergarbeiter-Brüdern die Hand zu reichen und solidarisch zu sein."

 

Lisa Gärtner (MLPD) betonte, dass es bei den verschiedenen Beiträgen eben nicht nur um Einzelprobleme geht, sondern dass diese Probleme zusammenhängen und eine gemeinsame Ursache im Kapitalismus haben, in dem immer nur der Maximalprofit zählt: "Nun wird gemeinsam dagegen demonstriert. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Dass die Antikommunisten gegen die Zusammenarbeit mit der MLPD sind, richtet sich vor allem dagegen, gesamtgesellschaftliche Lösungen zu fordern, die eigene Rechnung aufzumachen, sich selbst zu organisieren sich selbst seine Bündnispartner und Freunde herauszusuchen. Darin steckt eine ungeheure Kraft. Deshalb: Gib Antikommunismus keine Chance!"

"Santa Barbara" zum Ausklang

Nach weiteren Ansprachen unter anderem von Andreas Tadysiak, Hauptkoordinator der internationalen Bergarbeiterkoordinierung, René Hessenmüller vom Bergarbeiterverein Suhl, Genja Scheller aus Duisburg, Claudia Scholz - parteilose Stadträtin für die Linkspartei in Herne, Dieter Grünwald von der Umweltgewerkschaft und Alassa Mfouapon mit einem Spendenaufruf für den Freundeskreis schloss Christian Link die beeindruckende Demonstration.

 

Zum Schluss sangen alle Beteiligten gemeinsam die internationale Bergarbeiterhymne "Santa Barbara".