Kommunalwahlen 2020 in Frankreich
Rekordenthaltung zeigt eine sich verschärfende Krise der Institutionen
Im zweiten Wahlgang der Kommunalwahlen - den "bevorzugten" Wahlen in Frankreich mit der allgemein größten Beteiligung - stiegen die Stimmenthaltungen auf fast 60 Prozent, ein historischer Rekord.
Noch um drei Punkte erhöht im Vergleich zum ersten Wahlgang, der im März mitten in der Corona-Krise kurz vor Erlass der regierungsamtlichen Ausgangsbeschränkung stattfand. Im zweiten Wahlgang der Kommunalwahlen 2014 hatten sich mehr als 60 Prozent beteiligt.
Die hohe Stimmenthaltung bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr zeigt das Misstrauen bzw. die Ablehnung der bürgerlichen Institutionen und insbesondere der politischen Parteien. In einigen Städten erreicht die Stimmenthaltung sogar 70 Prozent (Saint-Denis, 93) oder sogar 90 Prozent (Vénissieux).Die Einwohner fühlen sich "vergessen von der offiziellen Politik“ und prangern das Spektakel der bürgerlichen Wahlen an, das an ihrer Verarmung nichts ändert.
Das Ergebnis ist auch ein großer Schlag für die Macron-Regierung und seine Partei LREM (La République en marche). Sie hat keine einzige große Stadt erobern können, sondern geht überall zurück. "Vom Erdboden verschluckt", sagen einige Kommentatoren.
Europe-Ecologie / LesVerts wären die Gewinner dieser Wahlen, oft mit 15 oder 20 Prozent der registrierten Wähler. Das ist Ausdruck des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs in Frankreich. Sie stehen an der Spitze in einem Dutzend Großstädte und werden sich an der Verwaltung anderer Städte in linken Allianzen beteiligen, jedoch eben auf der Basis der geringen Wahlbeteiligung. Ihr relativer Erfolg zeigt die Besorgnis der Wähler über die massive Zerstörung der natürlichen Umwelt, aber auch die Illusionen eines Teils der Wähler in den "grünen Kapitalismus".
Das ultrarechte Rassemblement National (RN, Ex-Front National) freut sich über die Eroberung des Rathauses von Perpignan, aber im ganzen Land stürzt es ab. Im Jahr 2014 hatte das RN 1438 Sitze in 463 Gemeinden registriert. Sechs Jahre später gewann es nur 840 Sitze in 258 Gemeinden. Die Stimmenthaltung in Perpignan betrug 53 Prozent (oder 25 Prozent der registrierten Wähler). Ganz zu schweigen davon, dass ein Drittel der potenziellen Wähler nicht registriert ist und dass Personen ohne französische Staatsangehörigkeit schon von vorne herein vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Man kommt daher auf ungefähr 15 Prozent der Stimme für die RN.
Die Ursachen dieser Katastrophe für bürgerliche Institutionen sind in den vielfältigen Krisen der kapitalistischen Gesellschaft zu suchen: Wirtschaftliche und soziale Krisen, die Unfähigkeit, mit einer Gesundheitskrise fertig zu werden usw. Dies bestätigt unsere Analyse: Eine wachsende Opposition und eine linke und antikapitalistische Strömung werden stärker. Das ist das Ergebnis des Anstiegs der Kämpfe der letzten Jahre gegen verschiedene Seiten der Regierungspolitik - Arbeitsrecht, soziale Ungleichheiten und Einschränkung der Demokratie, Renten, Privatisierung der öffentlichen Dienste, gegen staatlichen Rassismus… - Dies drückt den Willen aus, für "eine andere Gesellschaft" zu kämpfen. Das Fehlen einer gesellschaftlichen Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft ist jedoch eine Herausforderung für alle revolutionären Aktivisten, die eine starke, wirklich kommunistische Partei aufbauen wollen.
In der Gesprächsrunde des „Café militant“ der Union Prolétarienne ML, Mitgliedsorganisation der ICOR, in Saint-Denis diskutierten wir Ende Juni, wie sich diese Welt entwickelt und morgen entwickeln wird, und über die Notwendigkeit, sich zu organisieren, um die Interessen der Arbeiter kämpferisch zu verteidigen. Eine Solidaritätsadresse wurde verabschiedet und an die Kollegen, die bei Nissan/Spanien, Renault und PSA in Frankreich, Lufthansa und der Stahlindustrie/ Deutschland usw. im Kampf stehen.
Proletarier aller Länder vereinigt Euch!
Hoch die internationale Solidarität!