Staatsmonopolistischer Kapitalismus

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Wirecards Absturz – nicht nur ein Betrugs-Skandal!

Die Geschichte des Absturzes der Wirecard AG entwickelt sich immer mehr von der Aufdeckung eines gigantischen Bilanzbetrugs zu einem Krimi über Machenschaften staatlicher Stellen zum Schutz und zur Förderung der Wirecard AG im weltweiten Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft über den so genannten FinTech-Bereich.

Von ba
Wirecards Absturz – nicht nur ein Betrugs-Skandal!
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Die Wirecard AG ist ein 1999 in Aschheim bei München als Start-up gegründetes Zahlungsdienstleistungsunternehmen, das elektronische Geldflüsse zwischen Händlern und Banken sowie Kreditkartenfirmen abwickelt. Es wuchs weltweit schnell an und errang dabei eine internationale Spitzenstellung. Knapp 6000 Menschen arbeiteten zuletzt bei Wirecard. Ende 2018 stieg es auf zu einem DAX-Unternehmen.

 

Am 25. Juni musste nun der große „deutsche Hoffnungsträger im weltweiten Digitalgeschäft“ Insolvenz anmelden, nachdem Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) ein Testat für die Bilanz verweigerten, weil dort 1,9 Mrd Euro auf philippinischen Banken aufgeführt waren, die nicht existierten. Dieser Betrag entspricht etwa einem Viertel der gesamten Bilanzsumme der Wirecard AG. Prüfer von EY hatten allerdings mehr als ein Jahrzehnt lang die Zahlen von Wirecard ohne Beanstandungen durchgehen lassen. Die Aktien, die in Hochzeiten über 200 Euro kosteten, stürzten auf 2,92 Euro ab. Die Geschichte vom global vorherrschenden FinTech-Unternehmen aus Deutschland fand ein jähes Ende.

 

Wirecards Führung musste zugeben, dass es sich bei den 1,9 Mrd. Euro um Luftbuchungen handelte, um die Kreditwürdigkeit und das Ansehen Wirecards bei Anlegern zu erhöhen. Die philippinischen Banken teilten mit, dass vorgelegte Dokumente, die die Existenz der 1,9 Mrd. auf ihren Konten belegen sollten, Fälschungen seien.

 

Schicht für Schicht kommt jetzt heraus, welche staatlichen Stellen nicht nur Bescheid wussten, sondern das Betrugssystem mit organisierten. Finanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) wusste mindestens seit anderthalb Jahren davon! Ein Sachstandsbericht des Finanzministeriums an die Vorsitzende des Finanzausschusses beweist das eindeutig. Was tat Scholz? Nichts! Er ist als Finanzminister doch nicht mehr tragbar. Herr Scholz, treten Sie zurück!

 

Leitende Manager bereicherten sich persönlich durch Insider-Handel. Eine erste Strafanzeige gegen den Vorstand von Wirecard erfolgte erst Anfang Juni 2020, nach einer Sonderprüfung der Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG bei dem Konzern Ende April 2020 (Spiegel). Der Geschäftsführer Markus Braun wurde verhaftet, aber am Folgetag gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt.

 

Der Vertriebsvorstand Jan Marsalek entzog sich seiner Verhaftung durch Flucht wahrscheinlich nach Belarus. Auch hier kommen Stück für Stück Details über sein abstoßendes Doppelleben heraus. Er hatte üble Geschäfte mit russischen Söldnern zur "Migrationsabwehr in Libyen" gemacht, dabei hatte er Verbindungen mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU, jener Organisation, der u.a. der Mordversuch an dem früheren Spion Sergei Skripal in Salisbury angelastet wird.

 

Wirecard kam schon seit Jahren wegen Betrugsvorwürfen in den Schlagzeilen. 2008 und 2014 machten Spekulanten Riesenprofite mit den deshalb stark schwankendem Aktienkursen. Wegen des zunehmenden Online-Handels wurden die Wirecard-Aktien aber trotzdem immer wertvoller. Seit Februar 2019 berichtete die Financial Times in einer Reihe von Artikeln über Betrügereien von Wirecard in Asien. Statt den Vorwürfen nachzugehen – die wiederum den Londoner Finanzinstituten und internationalen Spekulanten gerade recht kamen - ermittelte Anfang 2019 die Staatsanwaltschaft nur gegen die Financial Times wegen Begünstigung der Spekulanten.

 

Auch die BaFin ging den Vorwürfen nicht nach, sondern unterstützte Wirecard gegen Vorwürfe betrügerischer Machenschaften und erstattete gegen Reporter und Whistleblower Anzeige. Michele Pedroni von Decalia Asset Management in Genf erklärte zum Vorgehen der BaFin: "Das starke Wachstum von Wirecard und die herausragende Kursentwicklung haben dazu geführt, dass die Firma offenbar 'zu groß geworden ist, um scheitern zu dürfen'."

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kanzleramt wiederum haben sich ebenfalls trotz der damals schon publik gewordenen Vorwürfe im September 2019 für den geplanten Markteintritt Wirecards in China eingesetzt. Der wegen Betrugs abgehalfterte ehemalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bat für den Versuch Wirecards, in China Fuß zu fassen, um eine "Flankierung im Rahmen der China-Reise" Merkels am 6. und 7. September 2019. Knapp zwei Monate später konnte Wirecard Anteile an der chinesischen Firma AllScore Payment Services erwerben.

 

Vize-Finanzminister Jörg Kukies hatte schon im vergangenen Jahr mit dem Ex-Wirecard-Chef Markus Braun Gespräche geführt. Doch die Bundesregierung will den Inhalt der Gespräche nicht offenlegen. Es gebe „Geheimhaltungsinteressen“, so das Finanzministerium. Das bedeutet juristisch, die Offenlegung der Gespräche könnte „den Interessen der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zufügen“. Offenbar soll damit vertuscht werden, dass die Bundesregierung mit Wirecard trotz aller Betrugs-Vorwürfe ausbaldowerte, wie sie durch ihre „Zusammenarbeit“ die globale Vorherrschaft der digitalen Finanztechnologie Deutschlands erringen könnten.